Zukunft hat begonnen

Gipfeltreffen in Spanien: Bei der Madrid Fusión 2012 katapultierte die Welt-Koch-Elite in drei Tagen den Status Quo der Branche in die Zukunft.
November 13, 2015

Fotos: Madrid Fusión, beigestellt
Madrid Fusión 2012

Plankton, geräucherter Piranha, Kiefernzapfen-Saft und das Fleisch der Tarantel. Wer in den kommenden Monaten mit dabei sein möchte im Tauziehen um die kreativsten und innovativsten Gerichte des Jahres, dem seien diese Zutaten ans ebenso verkochte Rentierherz gelegt. Oder das Marinieren von Dry-Aged-Beef mit Schimmel.

Ich glaube, kochen ist Kunst. Eine, die von Wissenschaft inspiriert wird und so dem Koch mehr Möglichkeiten aufzeigt.
Nathan Myhrvold über Kochen und Wissenschaft

Mit dem Slogan „The Gates of the Future“, also die Türen der Zukunkt, legte die Madrid Fusión in ihrem zehnten Jahr die Latte für progressive Kochtechniken und ungewöhnliche Produktvorstellungen wieder recht weit oben an. Aber darüberspringen kann nur der, der sich allerdings wieder zurück zur Basis bewegt. Oder wie es Heston Blumenthal in seinem halbstündigen Talk ausdrückte: „Im Endeffekt geht es um den Geschmack. Das ist alles, was zählt…

Fotos: Madrid Fusión, beigestellt
Madrid Fusión 2012

Plankton, geräucherter Piranha, Kiefernzapfen-Saft und das Fleisch der Tarantel. Wer in den kommenden Monaten mit dabei sein möchte im Tauziehen um die kreativsten und innovativsten Gerichte des Jahres, dem seien diese Zutaten ans ebenso verkochte Rentierherz gelegt. Oder das Marinieren von Dry-Aged-Beef mit Schimmel.

Ich glaube, kochen ist Kunst. Eine, die von Wissenschaft inspiriert wird und so dem Koch mehr Möglichkeiten aufzeigt.
Nathan Myhrvold über Kochen und Wissenschaft

Mit dem Slogan „The Gates of the Future“, also die Türen der Zukunkt, legte die Madrid Fusión in ihrem zehnten Jahr die Latte für progressive Kochtechniken und ungewöhnliche Produktvorstellungen wieder recht weit oben an. Aber darüberspringen kann nur der, der sich allerdings wieder zurück zur Basis bewegt. Oder wie es Heston Blumenthal in seinem halbstündigen Talk ausdrückte: „Im Endeffekt geht es um den Geschmack. Das ist alles, was zählt.“

Madrid Fusión 2012

Blumenthal, Nathan Myhrvold und Maxime Bilet, die Autoren des sechsbändigen Kompendiums „Modernist Cuisine“, die französischen Legenden Michel und César Troisgros, die Speerspitze der skandinavischen Erfolgsküche Björn Frantzén, Magnus Ek und Magnus Nilsson sowie eine ganze Michelin-Sterne-Galaxie aus Spanien mit Stars wie Dani García, Elena Arzak und Joan und Jordi Roca.

So ein Teil des handverlesenen Line-ups auf dem wohl bekanntesten und erfolgreichsten Kongress der Branche. Abwesend nur Ferran Adrià, der kulinarische Übervater der avantgardistischen Küche und Anlassgeber der ersten Fusión. Doch ganz nach dem spanischen Pathos à la „Der König ist tot, hoch lebe der König“ kam so die Jungriege zum Zug und rief die Post-Adrià-Ära aus. Allen voran die Vertreter der skandinavischen Naturküche, die das Motto „Die Erde – Unsere Speisekammer“ ja bekanntermaßen ziemlich wörtlich nehmen.

Sie demonstrierten, welche Geschmackserlebnisse möglich sind, wenn man die Hightech-Geister, die Adrià und seine Schar riefen, in die Besenkammer stellt und sich dem Produkt auf klassischem Wege nähert, um das Beste aus ihm herauszuholen. Vor allem dann, wenn es sich um eine ältere Kuh handelt, die bereits zwei- oder dreimal gekalbt hat. Nilsson demonstrierte auf seinem Holzofen, den er aus seiner Küche im Restaurant Fäviken Magasinet ausbaute, eine Reihe von Varianten, wie man zur Perfektion von Beef-Aging gelangt. Die schmackhafteste war wohl die mit dem Würzen mit langsam wachsendem Schimmel. „Dieser verhält sich wie ein perfektes Gewürz, ein wenig so wie Käse“, so der schwedische Koch.

Aging-Methoden

Junge grüne Kiefernzapfen würde man auch eher in der nordischen Kochfraktion vermuten, diese wurden jedoch von Miguel Ángel de la Cruz aus der La Botica in Valladolid über einer Wachtel ausgepresst. Doch es wäre nicht die Madrid Fusión, wenn nicht doch der Geist der Experimentierfreudigkeit eines Adrià durch die pompösen Marmorhallen des Kongresscenters wehen würde.

Der imposanteste Wink kam hier von Maxime Bilet, der Erbsenpüree mittels Zentrifuge in drei unterschiedliche Schichten spaltete: eine stärkehaltige, eine fettige und eine geklärte, die als im Prinzip konzentrierter Erbsensaft obenauf schwamm. Alle diese Schichten verwendete Bilet, indem er aus der stärkehaltigen einen Teig für Ravioli herstellte, diese dann mit der fettigen füllte und mit dem Erbsensaft benetzte.

Altes Fleisch ist für mich frisches Fleisch.
Magnus Nilsson über Aging-Methoden

Magnus Nilsson„Ist das unnatürlich? Nein, das ist eine Hommage an die Erbse.“ Eine weitere Technik, die 2012 die Runde machen wird, wurde von Bruno Goussault gezeigt: Cryoconcentration. Im Prinzip nichts anderes als Gefriertrocknung, bei der man aus flüssigen Stoffen feste Produkte herstellt, jedoch in der Verwendung in der Küche mehr als spektakulär.

Auch wenn es sich in Goussaults Fall nur um schlichte Milch handelte. Nichts für schlichte Gemüter war hingegen das, was der venezolanische Koch Nelson Mendez am Ende seiner Präsentation auf dem Teller hatte. Nämlich einen Schwank aus der Küche des Amazonas: Tarantel. Schmeckt ähnlich wie Krabbe, hat aber definitiv einen höheren Show-Faktor.

Marktplatz der Innovationen
Um diesen waren auch die über 130 Aussteller bemüht, die den etwa 5000 Besuchern die neuesten Produkte servierten: Olivenöl-Sphären, die servierfertig im Glas zu kaufen sind, und Perlen aus Olivenöl mit dem Namen Caviaroli, die sich länger als ein Jahr halten. Oder vegetarisches Sushi-Papier in allen möglichen Farben, Sancho-Pfeffer, der in koreanischem Soja fünf Jahre lang fermentiert wurde, und auch Wasser, das noch nie Tageslicht gesehen hat, bis es schlussendlich aus der schwarzen Aluminiumflasche ins Glas geschüttet wird.

Das eignete sich auch hervorragend als Begleiter für einen spanischen Klassiker, der an jeder Ecke verteilt wurde: Jámon Ibérico, den die staatlich geprüften Cortaderos von den dicken Hinterläufen schnitten. Und das ist auch wohl das einzig Bekannte, das auf der Madrid Fusión präsentiert wurde.

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