Christian Rach: Der Querdenker

Jetzt rede ich: Christian Rach ist dafür bekannt, dass er sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Warum die Situation in der Gastronomie fatal ist und was man dagegen tun kann, erzählt er im schonungslosen Interview.
Mai 18, 2018 | Text: Andrea Böhm | Fotos: Thomas Haindl

Ein Mann, ein wort Ziemlich aufgebracht ist Christian Rach aufgrund der aktuellen Situation in der Gastronomie und Hotellerie. Er prophezeit, dass sich in fünf Jahren die Gastrolandschaft dramatisch ändern wird.

Sie beobachten die Entwicklung unserer Gastronomie seit Jahren und machen sich große Sorgen. Warum?
Christian Rach: Wir haben eine Entwicklung, die fatal ist. Wir zeigen unglaublich wildes Geschehen in Restaurants. Junge Köche mit Bärten, tätowiert, Ärmel hochgekrempelt. Alles ist Abenteuer, alles ist ohne Regeln. Wir haben aber keinen Nachwuchs mehr. Die Nachwuchszahlen haben sich in Deutschland innerhalb von zehn Jahren halbiert und das können wir nicht aufholen. Wir haben also als Gastronomie keine Marktmacht, obwohl wir eine Macht sind. In der Branche ist sich keiner dieser Marktmacht bewusst und wir steuern auf ein Fiasko zu.

Die vielen Vorschriften machen die Situation wahrscheinlich nicht gerade besser? 
Rach: All die Verwaltungsvorschriften, die es gibt, kann der kleine Gastronom überhaupt nicht mehr bewältigen. Es sind Vorschriften, die abstrus sind, weil sie eigentlich für Industrie- und nicht für Dienstleitungsnationen gemacht sind. Wenn man meine Sendungen und mich kennt, dann weiß man, dass für mich Hygiene und Sauberkeit die Grundlage des Erfolges sind. Ich kenne aber keinen einzigen Todesfall in der Gastronomie – und ich habe versucht zu recherchieren – in den letzten 30, 40 Jahren, der aus Hygienemangel passiert ist.
Es gibt in Deutschland in den Krankenhäusern jedes Jahr 14.000 Tote aufgrund von Infektionen, Hygienemangel usw. Das sind offizielle, sehr konservative Schätzungen. In der Gastronomie wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

foodsymposium

Was ist also Ihrer Meinung nach zu tun? 
Rach: Wir müssen in der Gastronomie lernen, Preise für das Produkt zu nehmen, diese Preise vor allem für die Mitarbeiter zu nehmen. Bei einer Preiserhöhung gibt es immer einen großen Aufschrei, Boykottdrohungen und so weiter, wie damals beim Rauchverbot, aber es kann nicht sein, dass der kleine Gastronom mit nicht vorhandenem eigenem Geld, diese über Jahre geübte Praxis der „Nicht-Kalkulation“ auf Kosten seiner eigenen Gesundheit und die seiner Mitarbeiter einfach so weiter laufen lässt.
Nach den Tariflöhnen, die es heute noch immer gibt, kann kein Mensch leben. In einer großen Stadt schon gar nicht, aber noch nicht mal am Land lässt sich davon leben. Durchschnittlicher Gehalt in Deutschland eines ausgelernten Gastronomiemitarbeiters im Jahr: rund 24.000 Euro brutto. Wie soll das gehen in einer Stadt wie Hamburg, München oder Wien? Ich lese gerne im Rolling Pin hinten die Stellenanzeigen. Viele Betriebe schreiben da den Verdienst hin. Da sitz ich da und schüttle den Kopf.
Und dann steht auch noch die Arbeitszeit dabei. Dann denk ich mir: Seid ihr deppert? Wen willst du dafür bekommen? Die begreifen es nicht. Dann muss ich halt meine Beherbergungspreise in die Höhe setzen, aber ich muss versuchen, die Leute zu bezahlen, und ich muss ein Arbeitszeitmodell haben, das funktioniert.

Ein Mann, ein wort Ziemlich aufgebracht ist Christian Rach aufgrund der aktuellen Situation in der Gastronomie und Hotellerie. Er prophezeit, dass sich in fünf Jahren die Gastrolandschaft dramatisch ändern wird.

Sie beobachten die Entwicklung unserer Gastronomie seit Jahren und machen sich große Sorgen. Warum?
Christian Rach: Wir haben eine Entwicklung, die fatal ist. Wir zeigen unglaublich wildes Geschehen in Restaurants. Junge Köche mit Bärten, tätowiert, Ärmel hochgekrempelt. Alles ist Abenteuer, alles ist ohne Regeln. Wir haben aber keinen Nachwuchs mehr. Die Nachwuchszahlen haben sich in Deutschland innerhalb von zehn Jahren halbiert und das können wir nicht aufholen. Wir haben also als Gastronomie keine Marktmacht, obwohl wir eine Macht sind. In der Branche ist sich keiner dieser Marktmacht bewusst und wir steuern auf ein Fiasko zu.

Die vielen Vorschriften machen die Situation wahrscheinlich nicht gerade besser?
Rach: All die Verwaltungsvorschriften, die es gibt, kann der kleine Gastronom überhaupt nicht mehr bewältigen. Es sind Vorschriften, die abstrus sind, weil sie eigentlich für Industrie- und nicht für Dienstleitungsnationen gemacht sind. Wenn man meine Sendungen und mich kennt, dann weiß man, dass für mich Hygiene und Sauberkeit die Grundlage des Erfolges sind. Ich kenne aber keinen einzigen Todesfall in der Gastronomie – und ich habe versucht zu recherchieren – in den letzten 30, 40 Jahren, der aus Hygienemangel passiert ist.
Es gibt in Deutschland in den Krankenhäusern jedes Jahr 14.000 Tote aufgrund von Infektionen, Hygienemangel usw. Das sind offizielle, sehr konservative Schätzungen. In der Gastronomie wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

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Was ist also Ihrer Meinung nach zu tun?
Rach: Wir müssen in der Gastronomie lernen, Preise für das Produkt zu nehmen, diese Preise vor allem für die Mitarbeiter zu nehmen. Bei einer Preiserhöhung gibt es immer einen großen Aufschrei, Boykottdrohungen und so weiter, wie damals beim Rauchverbot, aber es kann nicht sein, dass der kleine Gastronom mit nicht vorhandenem eigenem Geld, diese über Jahre geübte Praxis der „Nicht-Kalkulation“ auf Kosten seiner eigenen Gesundheit und die seiner Mitarbeiter einfach so weiter laufen lässt.
Nach den Tariflöhnen, die es heute noch immer gibt, kann kein Mensch leben. In einer großen Stadt schon gar nicht, aber noch nicht mal am Land lässt sich davon leben. Durchschnittlicher Gehalt in Deutschland eines ausgelernten Gastronomiemitarbeiters im Jahr: rund 24.000 Euro brutto. Wie soll das gehen in einer Stadt wie Hamburg, München oder Wien? Ich lese gerne im Rolling Pin hinten die Stellenanzeigen. Viele Betriebe schreiben da den Verdienst hin. Da sitz ich da und schüttle den Kopf.
Und dann steht auch noch die Arbeitszeit dabei. Dann denk ich mir: Seid ihr deppert? Wen willst du dafür bekommen? Die begreifen es nicht. Dann muss ich halt meine Beherbergungspreise in die Höhe setzen, aber ich muss versuchen, die Leute zu bezahlen, und ich muss ein Arbeitszeitmodell haben, das funktioniert.

Christian Rach sitz auf einem brauen Sofa
Koch, TV-Star, Aktivist: Der vielseitige Unternehmer Christan Rach gibt sich im Gespräch kritisch und offen.

Wie könnte dieses Modell aussehen?
Rach: Ich plädiere für die 4-Tage-Woche. Natürlich müsste man dann das Arbeitszeitgesetz ändern, dass man mindestens zehn Stunden am Tag arbeiten kann. Die Politik sagt grundsätzlich Nein, die Gewerkschaft sagt Nein, jeder Unternehmer sagt Bravo. Wir müssen neue Modelle denken. Doch wenn der Unternehmer nicht bereit ist, keine Chance.

Die heutige Generation ist nicht mehr gewillt, nur mehr für die Arbeit zu leben. Begriffe wie Work-Life-Balance stehen auf der Tagesordnung. Wie schafft man es dennoch, für den Nachwuchs attraktiv zu sein?
Rach: Die Jugendlichen können sich heute alles aussuchen. Wir haben so viele offene Stellen wie nie. Es geht um Rahmenbedingungen. Wir brauchen schon Leute, die arbeiten, die am Ende des Tages für ihren Job brennen. Aber auch diese Leute sind nicht bereit, 60 Stunden zu arbeiten. Die wollen auch einmal am Abend freihaben, damit sie mit Freunden oder ihrer Familie sein können. Das ist eine Aufgabe, der muss man sich als Unternehmer stellen. Das tun leider viele gastronomische Betriebe nicht.
In der Branche wird noch immer mit Champagner zugeprostet, obwohl sich kaum mehr wer den Champagner leisten kann.
Christian Rach ist für mehr Offenheit 

Die eine Seite sind also Arbeitszeitmodelle, die Unternehmen ändern sollten. Die andere Seite sind höhere Preise für die Produkte. Doch wie schafft man es, dem Gast, dem Kunden, höhere Preise verständlich zu machen?
Rach: Ich würde jedem Gastronomen empfehlen, hinter sein Signature Dish eine Preiskalkulation zu setzen. Um einmal wirklich transparent zu machen: Einkauf, Zeit, Berufsgenossenschaften, Miete, Strom usw., all das, was in eine Kalkulation reingehört. Damit auch wirklich transparent wird, dass ein Wiener Schnitzel um 18 Euro aus wirklich guten Produkten ein Zuschussgeschäft ist. Es kann nicht funktionieren. Und dann sollst du auch noch eine Rücklage bilden. Ich verstehe nicht, warum die Kollegen diese Offenheit nicht haben. In der Branche wird noch immer mit dem Champagner zugeprostet, obwohl sich kaum mehr jemand den Champagner leisten kann. Es ist eine Farce.

All das, was Sie sagen, klingt nach einer riesigen Baustelle, die wir vor uns haben. Wie sieht Ihr Lösungsansatz aus?
Rach: Ich plädiere dafür, einen Streik zu machen. Wenn die Piloten streiken, eine Handvoll Leute, nicht relevant in der numerischen Anzahl, ist das unglaublich systemrelevant, weil ein Großteil des Lebens zusammenbricht. Natürlich könnte man sagen: Was streikt man denn? Einfach um wahrzunehmen, dass der Gast eben nicht erwarten kann, dass man um 3,50 Euro irgendwo was Vernünftiges bekommen kann, das mit Qualität, mit Leistung und mit einem Respekt den Mitarbeitern gegenüber produziert wird.

Christian Rach sitz auf einem brauen Sofa
Manchmal sieht er schwarz: Christian Rach ist besorgt um den Mangel an Nachwuchs in der Gastronomie.

Was würde passieren, würde tatsächlich gestreikt werden?
Rach: Ich glaube, eine soziale Katastrophe würde in zwei Tagen hochkommen. Man müsste es wirklich mit Sicherheitsbehörden absprechen. Weil das Aggressionspotenzial, das Nichtwissen, was ich tue, unglaublich nach oben geht.

Warum schafft es die Gastronomie nicht, sich unter einem Banner zu vereinen?
Rach: In der Gastronomie sind wir alle Einzelkämpfer und das ist leider das Problem. Es gibt eine unglaublich starke Konkurrenz, weil es keine gemeinschaftlichen Dinge gibt. Wenn man jetzt sagen würde, diese Stadt macht einmal am Wochenende komplett dicht mit der Gastronomie, hättest du vermutlich 60 Prozent, die sagen, ne, dann fehlen mir ja diese 300 Euro. Aber man könnte so viel erreichen, wenn man sich gemeinsam solidarisiert – und zwar nicht gewerkschaftlich, sondern als Arbeitgeber, und sagt: So geht es einfach nicht mehr.
Wir müssen eine Revolution anfechten. Die kann ja sachte gehen, nicht von heute auf morgen. Aber der Zug ist schon abgefahren. Wir haben nicht fünf vor zwölf, sondern viertel nach zwölf.
Christian Rach sieht den Tatsachen ins Auge

Glauben Sie, dass es Ihre Aufgabe ist, die Dinge so darzustellen, wie sie sind, ohne zu beschönigen?
Rach: Das habe ich immer als meine Aufgabe gesehen. Es wird aber versucht zu verhindern. Weil es ja unbequeme Dinge sind und es sowohl im privaten als auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen immer um Markt und Business geht. Ich habe Sorge, wie man mit den Kollegen im Fernsehen umgeht. Aber Sendungen wie Tim Mälzers „Schmeckt nicht, gibt’s nicht“ oder „Restauranttester“ haben einen Boom in Gang gesetzt, in dem jetzt auch wieder das Redakteursfernsehen überhandnimmt.
Ich kriege Tränen in den Augen, wenn ich sehe, dass sich die Köche in einer Arena einschließen lassen und es geht nur mehr um Wettkämpfe. Ich meine: Sind wir die Clowns der Nation geworden? Warum passiert das so? Ich weiß nicht, ob das eine gute Entwicklung ist, und vor allem weiß ich nicht, ob wir damit unserem Berufsstand etwas Gutes tun.

Vielleicht wird durch diese Sendungen der Jugend der Beruf schmackhaft gemacht?
Rach: Zahlen widerlegen diese Aussage. Ich bin nicht gegen das Fernsehen. Ich sage nur: Passt auf, dass ihr euch nicht instrumentalisieren lasst. Nur noch Battle Fight, Competition und Schlacht. Ich meine, was für martialische Wörter. Und da sage ich: Vorsicht! Wir müssen motivieren. Wir müssen natürlich auch zeigen, was für ein harter Beruf das ist. Wir brauchen neue unternehmerische Konzepte.

Mit dem, was Sie sagen, versuchen Sie, der Branche Gehör zu verschaffen. Wie wird das von Ihren Kollegen aufgenommen?
Rach: Ich habe ein unglaublich gutes Standing in der Kollegenschaft, obwohl ich seit sechs Jahren kein Restaurant mehr habe. Vielleicht trügt mich mein Schein, aber ich bekomme viel Respekt zurück. Und das erfüllt mein Herz mit Freude.
www.christianrach.de
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