Kitchen-Hopper

Durch die Stage zur Karriere: Was das unbezahlte Gastspiel wirklich kann und welche Spitzenchefs die besten Stages bieten.
November 13, 2015

Kitchen-HopperFotos: la vie, McCradys, Shutterstock

Unglaubliche 20.000 Bewerbungen erhält das noma jedes Jahr. Kein anderes Restaurant ist so begehrt. Vielleicht ab nun das neue weltbeste Restaurant El Celler de Can Roca.

Ein typischer „Urlaubstag“ auf Stage? Aufstehen in aller Früh, Kartoffelnschälen oder Austernpulen bis spät in die Nacht und dann hundemüde ins Bett fallen. Das Ganze natürlich unbezahlt. Klingt eigentlich nach einem schlechten Deal und vor allem nach mieser Freizeitplanung. Warum also stellen sich motivierte Köche weltweit dieser Herausforderung, opfern ihre hart verdiente Freizeit und schnuppern in die berühmtesten Küchen des Globus? Böse Zungen behaupten vor allem eines: des Lebenslaufs wegen. Und teilweise mag das auch stimmen. Viele aufstrebende Jungküchenchefs werben regelrecht mit den Stationen, die sie absolviert haben. Wie oft konnte man schon in Presseaussendungen, Zeitungsartikeln oder TV-Dokus Schlagzeilen wie „… kochte er mit Ferran Adrià oder Heston Blumenthal …“ lesen? Dass die jeweiligen Protagonisten in den weltberühmten Küchen aber lediglich…

Kitchen-HopperFotos: la vie, McCradys, Shutterstock

Unglaubliche 20.000 Bewerbungen erhält das noma jedes Jahr. Kein anderes Restaurant ist so begehrt. Vielleicht ab nun das neue weltbeste Restaurant El Celler de Can Roca.

Ein typischer „Urlaubstag“ auf Stage? Aufstehen in aller Früh, Kartoffelnschälen oder Austernpulen bis spät in die Nacht und dann hundemüde ins Bett fallen. Das Ganze natürlich unbezahlt. Klingt eigentlich nach einem schlechten Deal und vor allem nach mieser Freizeitplanung. Warum also stellen sich motivierte Köche weltweit dieser Herausforderung, opfern ihre hart verdiente Freizeit und schnuppern in die berühmtesten Küchen des Globus? Böse Zungen behaupten vor allem eines: des Lebenslaufs wegen. Und teilweise mag das auch stimmen. Viele aufstrebende Jungküchenchefs werben regelrecht mit den Stationen, die sie absolviert haben. Wie oft konnte man schon in Presseaussendungen, Zeitungsartikeln oder TV-Dokus Schlagzeilen wie „… kochte er mit Ferran Adrià oder Heston Blumenthal …“ lesen? Dass die jeweiligen Protagonisten in den weltberühmten Küchen aber lediglich den Kochlöffel, oder eher die Schäler, halten durften, wird meist großzügig verschwiegen. Natürlich ist es legitim, solch illustre Stationen anzuführen, denn meist profitiert man ja tatsächlich alleine durchs Zuschauen. Allerdings sollte man ehrlich genug sein und am Boden der Küchen-Realität bleiben, wenn es ums „Lebenslaufen“ geht. Kurzes Beispiel gefällig? Im cool gestylten Pepenero im istrischen Novigrad klopft der aufstrebende istrische Kochstar Marin Rendic markige Sprüche wie: „Keiner kocht wie ich in Istrien.“ Dieser Koch kann aufschneiden, dass die Schwarte schon kracht, bevor er seine sechs Gänge serviert hat. Da bekommt man schon zum Aperitif aufgetischt, dass Rendic mit dem dänisch-mazedonischen Koch René Redzepi gekocht hat. Wie lange und wie oft der Küchen-Prahlhans aber tatsächlich Ameisen einsammeln gehen durfte, bleibt natürlich ein Geheimnis.

Stage-Hotspot noma
Unglaubliche 20.000 Bewerbungen erhält das noma jedes Jahr. So viele wie kein anderes Spitzenrestaurant der Welt. Alleine am Tag, als es von der Liste der „S.Pellegrino World’s 50 Best Restaurants“ zur Nummer eins gewählt wurde, waren es 6000. Bei 3-Sterne-Koch Harald Wohlfahrt ist der Andrang nicht ganz so dramatisch, er selbst engagiert im Jahr aber auch rund 20 Praktikanten: „Ich war selbst einmal auf Stage beim 3-Sterner und Nouvelle-Cuisine-Mitbegründer Alain Chapel. Ich habe da extrem viel gelernt. Daher möchte ich heute mein Wissen auch gerne weitergeben.“

Der Deal läuft meistens gleich ab: Am besten gleich per Mail bewerben. Danach arbeitet man bis zu einem halben Jahr in einer außergewöhnlichen Küche mit und das, ohne Geld zu verdienen. Der Lohn: Know-how, ein neues Netzwerk und Einblicke in die Arbeitsabläufe. „Ich habe immer motivierte Praktikanten in meiner Küche“, erklärt etwa Sergio Herman, hochdekorierter 3-Sterne-Koch. „Ich finde es wichtig, neue Talente wie die JUNGEN WILDEN zu stimulieren und ihnen meinen Stil zu vermitteln, damit sie ihren eigenen finden.“ Und natürlich hat auch ein Superstar wie Herman einst in renommierten Küchen wie den 2-Sterne-Restaurants Kaatje bij de Sluis oder De Swaen wissbegierig die Kartoffeln geschält.

Jeremiah Langhorne

American Dream

Vom Pizzaboten zum Küchen­chef: US-Boy Jeremiah Langhorne schaffte es durch harte Arbeit, aber auch durch seine Stage im noma zum Chef de cuisine.

Sie haben sich im in Charleston gelegenen Spitzenrestaurant McCradys durch ein Praktikum bei Redzepi den Küchenthron erarbeitet. Warum war für Sie die Stage in Übersee so wichtig?
Jeremiah Langhorne: Stages sind essenziell, um zu lernen und weiterzukommen. Darum mache ich das auch jetzt noch, sooft es geht und opfere dafür meine Urlaube.

Ist die Stage reine Lebenslauf-Aufmotzerei oder profitiert man beim Praktkium auch technisch?
Langhorne: Natürlich hat mir die Erfahrung im noma den Weg zum Küchenchef hier im McCradys ermöglicht. Aber nicht nur des Namens wegen, sondern auch aufgrund des Know-hows, das ich mir dort angeeignet habe. Es ist sehr wichtig, immer wieder neue Inputs für die eigene Küche zu bekommen.

www.mccradysrestaurant.com

Thomas Bühner

Stage-Master

3-Sterne-koch Thomas Bühner wirkt wie ein Magnet auf Praktikanten aus aller Welt. Der La-vie-Chef über sinn und unsinn beim Kitchen-hoppen.

Wie wichtig stufen Sie die Stage bei einem renommierten Spitzenkoch für die Karriere ein?
Thomas Bühner: Wenn man eine Pflaume in der Küche ist und nichts auf die Reihe bringt, dann bringen auch zehn Stages bei den weltbesten Köchen nichts. Man sollte schon ein gewisses Level mitbringen, um aus den Top-Küchen die richtigen Infos mitnehmen zu können.

Sind Praktikanten auch hilfreich im Team oder stören sie eher?
Bühner:Würden sie stören, wären sie nicht bei mir in der Küche. Wir haben tatsächlich auch Leute aus aller Welt, die teilweise nur mit Notizblock dastehen und mitschreiben. Ich schaue mir das zwei Tage an und dann mache ich den Leuten klar, wie ich mir das so vorstelle. Die müssen schon auch ordentlich mithelfen und sich integrieren können. Teilweise haben wir Praktikanten auch übernommen.

www.restaurant-lavie.de

phpDzLTDR01 noma
Bis zu 20.000 Redzepi-Fans pro Jahr wollen sich in der prolongierten weltbesten Küche die nötige Inspiration und vor allem den wichtigen Eintrag für den Lebenslauf holen.

02 Oud Sluis
Ein Praktikum bei 20-Gault-Millau-Punkte-Kreativgenie Sergio Herman in seinem Oud Sluis in den Niederlanden ist ähnlich schwer zu bekommen wie eine Papstaudienz.

03 Mugaritz
32 hoch qualifizierte Köche stehen jeden Tag in der mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Küche von Andoni Luis Aduriz. Darunter stets zehn Praktikanten.

04 Schwarzwaldstube
Zu mittlerweile mehr als 60 Michelin-Sternen hat Harald Wohlfahrt in seiner Kaderschmiede in Baiersbronn beigetragen. Zu Recht heiß begehrt.

05 The Fat Duck
Das mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete Restaurant Heston Blumenthals ist vor allem auch durch seine TV-Präsenz heiß umkämpft.

06 Vendôme
Das Gourmet-Restaurant Vendôme von Joachim Wissler im Schloss Hotel Bensberg ist nach wie vor die Pilgerstätte für ambitionierte Neo-Küchenchefs.

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