Und sag zum Abschied leise Pleite?
Fotos: Shutterstock, Wolfgang Hummer, Florian Bolk
Wenn es um Daten, Zahlen und Fakten in der Wirtschaftswelt geht, entfleucht auch dem seriösesten Experten hinter vorgehaltener Hand schon mal der Satz: „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“ Inwiefern mehr oder weniger geschönte Wahrheiten auch die zahlreichen Insolvenzstatistiken für den Bereich Hotellerie und Gastronomie auszeichnen, darüber lässt sich nur spekulieren. Aber ein gänzlich subjektiver kurzer Blick auf die kulinarische Landkarte genügt bereits, um festzustellen, dass die Gastronomie eine – nennen wir es einfach mal besonders „bewegte“ – Branche ist.
Zehn Prozent aller Existenzgründungen scheitern, rund 70 Prozent aller Gastronomie-Start-ups schließen nach zwei Jahren bereits wieder ihre Pforten. Laut statistischem Bundesamt wurden in Deutschland 2012 insgesamt 2179 Insolvenzverfahren in der Sparte Gastronomie eingeleitet, was der Branche eine solide Top-3-Platzierung nach den Insolvenzspitzenreitern Baugewerbe und Einzelhandel einbringt. Auch in Österreich spricht die Insolvenz-Branchenstatistik eine klare Sprache. Hier führen ebenfalls Handel, Bau und das Beherbergungs- und Gaststättenwesen mit 797 Insolvenzverfahren im Jahr 2012 die Negativ-Hitliste an. Einige Gründe für diese wenig erfreulichen Fakten lassen sich recht schnell identifizieren…
Fotos: Shutterstock, Wolfgang Hummer, Florian Bolk
Wenn es um Daten, Zahlen und Fakten in der Wirtschaftswelt geht, entfleucht auch dem seriösesten Experten hinter vorgehaltener Hand schon mal der Satz: „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“ Inwiefern mehr oder weniger geschönte Wahrheiten auch die zahlreichen Insolvenzstatistiken für den Bereich Hotellerie und Gastronomie auszeichnen, darüber lässt sich nur spekulieren. Aber ein gänzlich subjektiver kurzer Blick auf die kulinarische Landkarte genügt bereits, um festzustellen, dass die Gastronomie eine – nennen wir es einfach mal besonders „bewegte“ – Branche ist.
Zehn Prozent aller Existenzgründungen scheitern, rund 70 Prozent aller Gastronomie-Start-ups schließen nach zwei Jahren bereits wieder ihre Pforten. Laut statistischem Bundesamt wurden in Deutschland 2012 insgesamt 2179 Insolvenzverfahren in der Sparte Gastronomie eingeleitet, was der Branche eine solide Top-3-Platzierung nach den Insolvenzspitzenreitern Baugewerbe und Einzelhandel einbringt. Auch in Österreich spricht die Insolvenz-Branchenstatistik eine klare Sprache. Hier führen ebenfalls Handel, Bau und das Beherbergungs- und Gaststättenwesen mit 797 Insolvenzverfahren im Jahr 2012 die Negativ-Hitliste an. Einige Gründe für diese wenig erfreulichen Fakten lassen sich recht schnell identifizieren. Einer davon: Ein Restaurant kann in Deutschland und Österreich so gut wie jeder eröffnen. Die sogenannten Befähigungsnachweise, die dafür zu erbringen sind, schrammen knapp an der Alibihandlung vorbei. In Österreich etwa gilt ein Bakkalaureats-Studium bereits als Nachweis, die gewählte Studienrichtung ist dabei übrigens unerheblich. Dieser Prozentsatz an ebenso wagemutigen wie planlosen Kurzzeit-Gastronomen außen vor gelassen, überleben aber auch nur die wenigsten Fachkräfte den Schritt in die Selbstständigkeit.
Einer, der sich mit gastronomischem Scheitern auf hohem Niveau auskennt, ist Sternekoch und Restauranttester der Nation Christian Rach. Seine Erfolgsquote lag 2012 bei 23 von 50 Restaurants, die nach der Rach’schen Generalüberholung noch mal die Kurve gekriegt haben. Diese knapp 50 Prozent haben spät, aber doch ausgemerzt, was Rach als den ultimativen Cocktail für einen schnellen, schmerzvollen Restaurant-Tod betrachtet: die gelungene Kombination aus Selbstüberschätzung, betriebswirtschaftlichem No-How und mangelndem Bewusstein für die Komplexität, die einem Restaurantbetrieb zugrunde liegt. Man ist eben nicht nur Koch, sondern auch Cheflogistiker, Finanzbeauftragter, Qualitätsmanager, Psychologe und Krankenschwester in Personalunion.
Bitte knacken Sie mit den Synapsen!
Denken hilft. Und viele gastronomische Kapitalfehler ließen sich schon in der Konzept-Phase vermeiden, wenn die Vision vom eigenen Restaurant mit den drei alles entscheidenden Fragen „Was kann ich?“, „Was will ich mit meinem Können anstellen?“ und „Wo ist mein Können am besten aufgehoben?“ ihren Anfang nehmen würde. Denn wer auf diese drei Fragen keine oder nur eine Antwort parat hat, die er sich in seinen Träumen zurechtgezimmert hat, wird zwangsläufig scheitern. Sich einzureden, man wäre ein toller Avantgarde-Tapas-Koch und die Welt hätte genau auf diese weitere Tapas-Bar gewartet, ist maximal eine erfolgreiche Einbildung mit minimaler Aussicht auf wirtschaftliches Überleben. Die Einzigartigkeit des Angebotes und die Standortwahl sind heute mehr denn je das Um und Auf für erfolgreiche Start-ups. Wer am Land eröffnet, muss sich schon wirklich etwas einfallen lassen, um Gäste anzulocken, denn das Label des kleinen, feinen Wirtshauses ist schon lange kein Argument mehr. Wer sich urban selbst verwirklichen will, dem muss klar sein, dass viele andere im selben Teich fischen. Die Lösung lautet: seinen eigenen Teich anlegen. Der hebt sich in puncto Angebot und Ausstattung deutlich von den Nachbarn ab. Und auch die Lage ist gerade im städtischen Bereich eines der wesentlichsten Erfolgskriterien für Neo-Gastronomen, denn die Klientel der unmittelbaren Nachbarschaft ist der wichtigste Fankreis, den man so früh wie möglich für sich gewinnen muss.
Darüber hinaus gilt: Wer nicht fragt, bleibt dumm, und wer kein Interesse daran hat zu erfahren, wie seine zukünftige Klientel tickt, kann mit der Gewerbeanmeldung gemeinsam auch gleich das Konkursantrags- formular checken. So verrät etwa ein Blick auf das Statistikportal Statista, dass 54 Prozent aller deutschen Gäste zwischen ein und zwei Stunden in einem Lokal verweilen, mehr als vier Stunden lediglich zwei Prozent. Molekulare 30-Gang-Menüs haben also nicht unbedingt die rosigste Zukunft vor sich. Und dass rund ein Viertel aller Gastronomie-Kunden zwischen 50 und 60 Jahre oder älter ist, darf ebenso berücksichtigt werden wie die Tatsache, dass der durchschnittliche Brite pro Restaurantbesuch 23,60 Euro ausgibt, der Otto-Normal-Deutsche jedoch gerade mal 15 Euro. Fazit: Auch wenn die Statistik eine schwierige Geliebte ist, ab und an sollte man sich ihr als aufstrebender Jung-Gastronom doch zuwenden.
So sexy können kleine Häkchen sein! Mit dieser Basis-Checkliste unterm Arm steht dem erfolgreichen Start-Up in der Gastronomie nichts mehr im Wege.
1 Fachwissen und Eigenkapital angehäuft: Die Gründungsphase nimmt etwa sechs Monate in Anspruch, die Vorbereitungsphase zur Gründung etwa eineinhalb Jahre. Ich habe mich über alle Rahmenbedingungen informiert und fleißig gespart.
2 Unternehmenskonzept und Businessplan erstellt: Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken (SWOT) wurden analysiert und ich kenne meinen Einnahmen- und Ausgabenhorizont.
3 Standortanalyse: Ich weiß über meine potenziellen Kunden und andere gastronomische Konzepte in der unmittelbaren Umgebung Bescheid (Preis/Angebot).
4 Ich habe gemeinsam mit einem Profi einen detaillierten Finanzplan für die Start-up-Phase erstellt. Die Kosten für Miete, Nebenkosten, Gebühren, Geräte-, Personal- und eigene Lebenshaltungskosten sind kalkuliert und deren Finanzierung gesichert.
5 Fine-Tuning, Phase 1: Ich habe Produktions- und Servicesystem, Angebots- und Preisgestaltung, Präsentation (Speisen und Mitarbeiter) und Marketingmaßnahmen definiert.
6 Mittelfristige Finanz-Ziele sind definiert. Es gibt einen klaren Plan, ab wann sich der Betrieb alleine aus den Einnahmen rechnen sollte.
7 Fine-Tuning, Phase 2: Einrichtung und Ausstattung des Restaurants, Mitarbeitersuche, -auswahl und -training und erste Marketingmaßnahmen zur Eröffnungsphase wurden eingeleitet.
Der Küchenchef
Mit gastronomischen Pleiten, Pech und Pannen kennt sich Küchenchef-Mitglied und Tv-koch Ralf Zacherl bestens aus.
Warum ist es so schwer, ein Restaurant zu führen?
Ralf Zacherl: Einerseits ist der Markt mittlerweile extrem hart, es gibt so viele Franchise-Unternehmen mit tollen Konzepten. Man braucht also ein geniales Konzept, und da scheitern die meisten bereits. Die Lage und gutes Personal entscheiden aber auch darüber, ob ein Laden läuft.
Was ist Ihrer Erfahrung nach der häufigste Fehler, den Neo-Gastronomen begehen?
Zacherl: Die meisten unterschätzen den enormen finanziellen und zeitlichen Aufwand. Und leider gehen viele Neueinsteiger schon mit einem schlechten Plan A an den Start und haben keinen Plan B oder C. Die sind dann sehr schnell am Ende.
Warum haben Sie eigentlich noch nie selbst ein Restaurant aufgemacht?
Zacherl: De facto plane ich gerade, mit meiner Schwester gemeinsam das elterliche Wirtshaus in Wertheim zu übernehmen. Und ich bin ehrlich gesagt ziemlich nervös, weil ich so viele schlechte Beispiele in meinem Alltag sehe und ein bisschen Bammel habe, selbst etwas zu vergessen. Aber wird schon schiefgehen!
Knapp daneben …
… ist auch vorbei: Seit 2007 ist der berliner Sternekoch Stefan Hartmann sein eigener Boss. Während das Hartmanns als Musterbeispiel eines gelungenen Start-ups gilt, ging der 36-Jährige mit seinem zweiten Restaurant neubau nach nur wenigen Monaten kräftig baden.
Im Juni 2011 haben Sie in Kreuzberg Ihr zweites Restaurant Neubau aufgesperrt, im September desselben Jahres war es bereits wieder dicht. Da scheint ja einiges schiefgegangen zu
sein …
Stefan Hartmann: Ich hatte mir immer schon ein zweites Standbein gewünscht, eine größere Location, wo ich Kochkurse oder Veranstaltungen machen kann. Und das Hartmanns lief damals gerade nicht optimal, also dachte ich mir: Hey, die Geschäftsklientel in der Bergmannstraße krieg ich bestimmt ins Neubau! Nichts da.
Dann haben Sie also kundentechnisch aufs falsche Pferd gesetzt?
Hartmann: Grundsätzlich macht ein Business-Mittagstisch in Kreuzberg Sinn, auch preislich habe ich mich damals in einer leistbaren Ecke positioniert. Aber es hat trotzdem nicht funktioniert. Außerdem war es nicht sehr klug, das Restaurant im Sommer aufzumachen. In Berlin grillen die Leute lieber und bleiben im eigenen Garten.
Wie viel Geld haben Sie insgesamt mit dem Neubau in den Sand gesetzt?
Hartmann: Gut 180.000 Euro. Aber ich bin noch da, wie man sieht, und ich schließe auch nicht kategorisch aus, es irgendwann noch einmal mit einem zweiten Laden zu probieren.
Weil wir gerade vom Hartmanns sprechen: Da gab es ja keine Startschwierigkeiten. Was haben Sie damals richtig gemacht?
Hartmann: Ob ein Lokal läuft oder nicht, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Man braucht immer auch ein bisschen Glück, ein BWL-Studium braucht man meiner Meinung nach aber nicht. Hausverstand, ein guter Steuerberater und Erfahrung als Küchenchef sind aber sicher von Vorteil. Ich hatte diese drei Dinge damals. Plus eine Summe an Geld zur Verfügung, mit der ich gut starten konnte.
Wie hoch genau war diese Summe?
Hartmann: Ich habe mit 30.000 Euro Eigenkapital und 70.000 Euro Bankkredit angefangen.
Warum scheitern Ihrer Meinung nach so viele Neo-Gastronomen am eigenen Projekt?
Hartmann: Die meisten überschätzen sich maßlos. Viele glauben, nur weil sie zwei Jahre in einer Sterneküche gestanden haben, sind sie Superstars. Sich zu präsentieren, als wäre man der Größte, obwohl man eigentlich ein kleines Licht ist, ist jedenfalls ein weitverbreiteter Fehler. Das und Überehrgeiz.