Passt so? Warum wir über das Trinkgeld sprechen müssen
Je mehr, desto weniger
Das mit dem Trinkgeld ist so eine Sache. In vielen Ländern gibt es genaue Erwartungen an Gäste, wie viel sie auf die Rechnung aufschlagen sollen. In den USA, wo Servicepersonal auf die „Tips“ angewiesen ist, sind zwischen 15 und 20 Prozent der Standard. Um Kund:innen das Rechnen abzunehmen, steht ein Vorschlag für ein angemessenes Trinkgeld mittlerweile oft schon auf der Rechnung.
Je mehr, desto weniger
Das mit dem Trinkgeld ist so eine Sache. In vielen Ländern gibt es genaue Erwartungen an Gäste, wie viel sie auf die Rechnung aufschlagen sollen. In den USA, wo Servicepersonal auf die „Tips“ angewiesen ist, sind zwischen 15 und 20 Prozent der Standard. Um Kund:innen das Rechnen abzunehmen, steht ein Vorschlag für ein angemessenes Trinkgeld mittlerweile oft schon auf der Rechnung.
Ein anderer Extremfall ist Japan, wo Trinkgeld geben nicht nur unüblich, ja sogar verpönt ist. Deutschland liegt irgendwo dazwischen. Als optionale Belohnung für guten Service schlägt der Knigge vor, dass das Trinkgeld 10 Prozent der Rechnung betragen sollte. Bei höheren Rechnungen reichen, so der Benimm-Ratgeber, paradoxerweise schon 5 Prozent. Doch in der Realität lassen Gäste oft nicht einmal so viel springen.
Bekommt Personal weniger Trinkgeld als früher?
Es war ein Tweet der deutschen TV-Moderatorin Anja Reschke, der in der vergangenen Woche heftige Diskussionen um das Thema Trinkgeld auslöste. Im Twitter-Thread erzählt Reschke von Bekannten, die in Küche und Service arbeiten und absolute Negativerfahrungen in Sachen Trinkgeld gemacht haben. Nach einer Geburtstagsfeier, deren Rechnung sich auf 7.000 Euro belaufen hatte, soll der Jubilar keinen Euro für das Personal übrig gehabt haben.
In einer anderen Anekdote wollte ein Gast schlappe 80 Cent Trinkgeld geben, habe es sich dann aber anders überlegt: „Meine Bekannte hat keine 50 Cent Wechselgeld, sagt, sie müsse eine Kollegin fragen. Daraufhin die Frau: Dann zahle ich mit Karte. Meine Bekannte holt das Gerät, will 19,50 eingeben, daraufhin die Frau: Nein dann bitte einfach die 18,70!“
werden oft Geburtstage, Konfirmationen oder ähnliches gefeiert. So wie heute: ein 70. Geburtstag, Terrasse und drinnen alles voll, Rechnung: knapp 7000,- Euro. Der Jubilar bedankt sich überschwänglich, wie toll es war, wie nett der Service. Und gibt KEIN Trinkgeld.
— Anja Reschke (@AnjaReschke1) July 30, 2022
Wer in der Gastronomie oder Hotellerie tätig ist, kennt solche Geschichten. Kein Wunder, dass die Tweets weit und breit heftige Diskussionen ausgelöst haben, an denen sich auch weitere Prominente beteiligt haben. Aber stimmt es, dass sich das Trinkgeldverhalten in den letzten Jahren verschlechtert hat? Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey (April 2021) gaben Menschen in Deutschland während der Pandemie sogar mehr Trinkgeld als zuvor. 60 Prozent der Befragten gaben an, rund 10 Prozent Trinkgeld zu geben. Rund ein Viertel der Menschen gaben zu dem Zeitpunkt nach eigenen Angaben 5 Prozent.
Gehälter erhöhen oder Gäste in die Pflicht nehmen?
Fakt ist: Das Trinkgeld ist für viele Arbeitnehmer:innen in der Gastronomie ein großer Anreiz, in der Branche zu bleiben. Fällt dieser Anreiz weg, verstärken sich das Abwanderungsproblem und der nicht erst seit Corona prekäre Fachkräftemangel. Dennoch wurden in den sozialen Medien und diversen Umfragen Stimmen laut, die eine Abschaffung des Trinkgelds zugunsten höherer Löhne für Gastronomie-Personal fordern.
Um fehlende Trinkgelder auszugleichen, wären höhere Löhne in der Gastronomie nötig – die sich allerdings wiederum auf die Rechnung des Gastes niederschlagen und nach Abzug der Steuern und Lohnnebenkosten nicht vollständig beim Personal liegen bleiben würden (im Gegensatz zum steuerfreien Trinkgeld). Sollten wir uns ein Beispiel an den USA nehmen und Gäste zumindest auf angemessene Beträge hinweisen? Das letzte Wort ist in dieser Sache noch nicht gesprochen.