Redaktions-Battle: Braucht es die vegetarische Kochausbildung?
Nach langem Tauziehen um die vegan/vegetarischen Kochlehre, soll nun in Österreich der neue Lehrberuf „Fachkraft für vegetarische Kulinarik“ via Verordnung eingeführt werden. Dieser Schritt trifft auf gemischte Reaktionen – auch innerhalb der Rolling Pin-Redaktion. Eine eingefleischte Vegetarierin und ein Real Omnivore schreiben hier über ihre Sicht der Dinge. Auch wenn uns niemand danach gefragt hat.
Nach langem Tauziehen um die vegan/vegetarischen Kochlehre, soll nun in Österreich der neue Lehrberuf „Fachkraft für vegetarische Kulinarik“ via Verordnung eingeführt werden. Dieser Schritt trifft auf gemischte Reaktionen – auch innerhalb der Rolling Pin-Redaktion. Eine eingefleischte Vegetarierin und ein Real Omnivore schreiben hier über ihre Sicht der Dinge. Auch wenn uns niemand danach gefragt hat.
Contra: Ein zu kleiner Schritt in die richtige Richtung
Kürzlich ist die seit Jahren anhaltende Diskussion über die Sinnhaftigkeit einer vegan/vegetarischen Kochlehre wegen der Ankündigung einer neuen Lehrberufs-Verordnung wieder aufgeflammt. Viele Reaktionen in den Sozialen Medien sorgen sich um die Wettbewerbsfähigkeit rein fleischlos ausgebildeter Köchinnen und Köche am Arbeitsmarkt. Sollten sie sich doch umfassend ausbilden lassen, um ihre Jobchancen zu sichern, und sich später auf vegane Zubereitungstechniken spezialisieren, so in etwa der Tenor.
Übersehen wird dabei, dass eine Lehre gar nicht zwingend notwendig ist, um in der Branche eine steile Karriere hinzulegen. Bestes Beispiel ist Max Natmessnig, der nach Besuch einer Wiener Tourismusschule ein Praktikum absolviert hatte und anschließend bei Heinz Reitbauer Anstellung fand. Der Rest – Stationen in den USA, Aufstieg zum Küchenchef, Koch des Jahres, zwei Michelin-Sterne … – ist Geschichte.
Ein ähnlicher Werdegang ist angesichts der steigenden Zahl veganer (Spitzen-) Restaurants auch für Personen denkbar, die aufgrund ihrer Ablehnung von Fleischkonsum keine herkömmliche Kochlehre absolvieren wollen. Und wer sich in vegane Zubereitungstechniken abseits der klassischen Ausbildung vertiefen will, kann das mittels der entsprechenden Zusatzausbildungen und -zertifikate tun, die in Österreich schon längst angeboten werden.
Die eigentliche Ungerechtigkeit, auf die man nicht vergessen sollte, liegt ja darin, dass viele Betriebe, die gerne Lehrlinge ausbilden würden, dies nicht dürfen, weil ihre Speisekarten nicht genügend Gerichte aus dem Lehrplan enthalten. Darunter das Michelin-besternte vegetarische TIAN in Wien, aber auch andere renommierte und erfolgreiche Restaurants, wie jene der Mochi-Gruppe. Denn die bieten zwar Fleisch an, aber eben nicht nach österreichischen Rezepten.
Und dieses Problem lässt sich mit der Einführung des Lehrberufs „Fachkraft für vegetarische Kulinarik“ nur teilweise lösen – denn Paul Ivić wird zwar ab 2025 – sofern die Verordnung, so wie von den Grünen geplant, erlassen wird – Lehrlinge ausbilden dürfen, nicht jedoch, nach wie vor, die Mochi-Küchenchefs.
Warum also dieses altbackene Verharren auf mehrheitlich österreichische Gerichte im Lehrplan? Zumal die Zubereitung von diesen Speisen ja nur einen kleinen Teil der Kochlehre ausmacht, die noch einige weitere wichtige Kompetenzbereiche beinhaltet; für deren Aneignung man Fleisch nicht gekostet haben muss: HACCP-Richtlinien, Mise en Place, Warenwirtschaft, Arbeiten im betrieblichen Umfeld und mehr.
All das kann doch gewiss auch in vegetarischen Restaurants, oder jenen mit Spezialisierung auf andere Länderküchen, praktisch vermittelt werden. Sorgt man sich um den Verlust der heimischen Kochkunst? Ich denke nicht, dass dieser eintreten würde. Und Ideen, wie die Kochlehre sich einem noch breiteren Publikum öffnen könnte, gibt es.
Sepp Schellhorn (NEOS) zum Beispiel begrüßt, laut der Tageszeitung Der Standard, dass nun auch vegan/vegetarische Restaurants Nachwuchs ausbilden dürfen – doch er findet den Schritt „zu eng gedacht“. Er fordert eine generelle Modularisierung der Kochlehre – bestehend aus einem Grundmodul und frei wählbaren Spezialisierungen. Gerade in einem Land, in dem die Gastronomie (ausgenommen in der Hauptstadt) in Sachen Vielfalt und Abwechslungsreichtum Aufholbedarf hat, wäre ein solcher Lösungsansatz wünschenswert. Im Gegensatz zu einer ideologisch geprägten, aber unter anderen Gesichtspunkten möglicherweise fragwürdigen, Einführung dieses neuen, separaten Lehrberufs.
Pro: Tierisch gute Entscheidung für unsere Zukunft
Gleich mal vorweg: Ich bin Vegetarierin. Da ist es natürlich naheliegend, dass ich die vegan/vegetarische Kochausbildung mit offenen Armen begrüße. Warum? Weil ich es nur allzu gut verstehen kann, wenn sich jemand davor ekelt, in seiner Ausbildung mit Fleisch zu hantieren oder seine fleischhaltigen Gerichte nicht abschmecken möchte.
Österreich befindet sich unter den 40 Ländern mit dem höchsten Fleischkonsum. Da mag sich der ein oder andere fragen, wieso es im Land des Schnitzels, des Schweinsbratens, des Tafelspitzes und Co. eine fleischlose Kochausbildung braucht.
Nun ja. Eine umfassende Studie hat ergeben, dass sich elf Prozent der Österreicher:innen vegetarisch oder vegan ernähren. Das hört sich erstmal nicht viel an. Aber das sind fast eine Million Menschen, also halb Wien. Und in Zukunft wird immer mehr pflanzlich gegessen werden: 35 Prozent der berühmt-berüchtigten GenZ gibt in der Studie an, mit dem Gedanken zu spielen, künftig auf Fleisch verzichten zu wollen.
Eine Million Menschen in Österreich bestellen im Gasthaus also mit Sicherheit keines der oben genannten Gerichte. Für die muss auch etwas gekocht werden. Und die oft angebotenen Tiefkühlgemüsestrudel oder -laibchen kann seit den 2000ern schon keiner mehr sehen.
Es benötigt somit Menschen, die sich der Herausforderung stellen, hochwertige und leckere Gerichte zu zaubern, die ohne Fleisch oder tierische Produkte auskommen. Paradebeispiele wie Paul Ivić oder Ricky Saward zeigen, wie’s geht – pflanzenbasiert, abwechslungsreich, gesund und köstlich.
Bei der Standard-Kochausbildung in Österreich spielt Fleisch eine wesentliche Rolle. Immerhin ist die Kulinarik ein großer Teil unserer Kultur und das inkludiert hier vor allem tierische Produkte. Doch wir können nicht so weitermachen, wie wir es seit Jahren tun. Billig-Fleisch aus dem Ausland, Massentierhaltung und Co. sind vor allem aus Klima- und Tierwohl-Gründen ein absolutes No-Go. Hochwertiges, regionales Biofleisch kann oder will sich kaum einer leisten – eine Alternative muss her.
Es soll hier niemand belehrt werden, in Zukunft auf Fleisch zu verzichten, keine Sorge. Doch ich möchte veranschaulichen, wie sinnvoll eine vegan/vegetarische Kochausbildung ist:
Bekommen die auszubildenden Köch:innen in ihrer Lehre ein umfassendes vegan/vegetarisches Wissen vermittelt, steigert sich das vegan/vegetarische Angebot im Restaurant. So greifen mehr Leute zu eben diesen Varianten. Ergo: Ein Schritt in eine umweltfreundlichere Zukunft.
Ich verstehe es ja absolut, dass man eher zu einem Cordon Bleu mit Bratkartoffeln greift, statt zu einem Salat mit gebackenen Champignons. Es fehlt hierorts oft an Raffinesse bei den veganen/vegetarischen Alternativen. Und dieses Problem kann mit einer Kochausbildung, bei der Pflanzliches im Fokus steht, behoben werden.
Es geht bei der heiß umstrittenen Kochausbildung also nicht nur um das Wohl eines sich ekelnden Jungkochs, sondern um viel mehr: unsere Zukunft.