Tipflation: Trinkgeldkultur in den USA eskaliert

Trinkgeld gehört in den USA zum Einkommen. Nun wird es sogar dort eingefordert, wo es keinen menschlichen Service gibt, wie an der Selbstbedienungskassa im Supermarkt.
Juli 24, 2023 | Fotos: Dan Smedley

In den USA war Trinkgeld schon immer ein wesentlicher Bestandteil des Einkommens der Servicemitarbeiter, denn oftmals reicht der Stundenlohn allein für die Beschäftigen nicht aus. Beispielsweise liegt der Mindestlohn in Washington DC bei lediglich sechs Dollar pro Stunde – wenn Trinkgeld gezahlt wird. Bisher galten zehn bis maximal zwanzig Prozent Tip  als angemessen, doch mittlerweile werden bei Dienstleitungen mindestens zwanzig Prozent und sogar mehr erwartet.

Kurioserweise wird sogar für weniger Service ein höheres Trinkgeld verlangt. Laut einer Auswertung des Zahlungsdienstleisters Square ist das Trinkgeld in Restaurants im letzten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 17 Prozent gestiegen. Selbst bei Imbissen mit geringem Serviceanteil erhöhte sich die Zahl um 16 Prozent.

Ein guter Mensch gibt Trinkgeld

Die Politikwissenschaftlerin Holona Ochs von der Lehigh von der Universität in Pennsylvania hat Servicekräfte aus verschiedenen Bereichen interviewt „Wir haben dabei festgestellt, dass Mitarbeitende ihr Trinkgeld nicht als Belohnung für guten Service sehen, sondern als Ausdruck des Charakters des Kunden“. Die Gastronomie übt damit Druck auf Kunden aus, großzügig zu sein. Sogar an der Supermarktkasse wird Trinkgeld eingefordert. Besonders die Bezahlung mit Kreditkarten verstärkt diesen Trend. Kunden wird vorgeschlagen, eine bestimmte Summe Trinkgeld zu geben, anstatt zu fragen, ob sie überhaupt Trinkgeld geben möchten. Ehrlich gesagt, wer traut sich da schon, nein zu sagen? Auch beim Selbstabholen von Essen soll Trinkgeld bezahlt werden, während manche Hotels automatisch eine Trinkgeld-Pauschale von bis zu dreißig Dollar pro Nacht hinzufügen.

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In den USA wird mittlerweile nicht mehr um Trinkgeld gebeten, sondern danach verlangt.

Sogar einen Fachbegriff gibt es dafür schon: Tipflation. Häufig ist unklar, wann Trinkgeld gegeben werden sollte … und wofür eigentlich? Denn, so die allgemein vorherrschende Meinung warum sollte man an einer Supermarktkasse, an der man die Artikel selbst scannt, Trinkgeld geben? Auch für Touristen kann so der Amerika-Trip deutlich teurer werden als erwartet. Jedenfalls hat Trinkgeld in den USA einen ganz anderen Stellenwert als in Europa.

Denn natürlich gehört auch in Teilen Europas Trinkgeld zu Dienstleistungen, aber hier wird vorrangig guter Service belohnt und kein Trinkgeld-„Zwang“ auferlegt. Hoffen wir, dass es so bleibt.

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