Auf ein Bier mit Punk-Sommelier Justin Leone

Ex-Tantris-Sommelier Justin Leone verrät im Exklusivinterview, wie sein neues Restaurantprojekt aussehen wird – und warum aus seinem Plan, BWL zu studieren, doch nichts geworden ist.
Juni 17, 2021 | Text: Bernhard Leitner | Fotos: Justin Leone, beigestellt

Ein Sommelier als Enfant terrible

Er gilt als unkonventioneller Rock ’n’ Roller der internationalen Spitzengastronomie und ist bekannt dafür, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen: Spitzensommelier, Autor, Musiker, TV-Star und sogar ein bisschen Modedesigner.

Mit seinem unfassbaren Know-how für edle Tropfen und abgefahrene Rebsorten drückte er der internationalen Sommellerie seinen Stempel auf und zeigte auch, dass Service nicht immer steif, sondern auch richtig dreist sein darf. Im Exklusivinterview verrät Justin Leone, warum er wegen eines Besuchs im legendären ElBulli seinen Job verlor – und was Afrikanisches Basilikum mit einer blöden Sau zu tun hat.

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Wein oder Musik? Für Justin Leone steht seit Jahren fest: Beides geht!

Justin, jetzt ist es gut drei Jahre her, dass du deine Karriere im Tantris beendet hast. Vielleicht fangen wir damit an, dass du diese Jahre mal so Revue passieren lässt. Was hast du alles angestellt in dieser Zeit, in der du viel mehr Zeit hast?

Ein Sommelier als Enfant terrible

Er gilt als unkonventioneller Rock ’n’ Roller der internationalen Spitzengastronomie und ist bekannt dafür, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen: Spitzensommelier, Autor, Musiker, TV-Star und sogar ein bisschen Modedesigner.

Mit seinem unfassbaren Know-how für edle Tropfen und abgefahrene Rebsorten drückte er der internationalen Sommellerie seinen Stempel auf und zeigte auch, dass Service nicht immer steif, sondern auch richtig dreist sein darf. Im Exklusivinterview verrät Justin Leone, warum er wegen eines Besuchs im legendären ElBulli seinen Job verlor – und was Afrikanisches Basilikum mit einer blöden Sau zu tun hat.

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Wein oder Musik? Für Justin Leone steht seit Jahren fest: Beides geht!

Justin, jetzt ist es gut drei Jahre her, dass du deine Karriere im Tantris beendet hast. Vielleicht fangen wir damit an, dass du diese Jahre mal so Revue passieren lässt. Was hast du alles angestellt in dieser Zeit, in der du viel mehr Zeit hast?
Justin Leone: Das Tantris zu verlassen, war damals schon eine schwierige Entscheidung. Und da ging es überhaupt nicht um irgendetwas Negatives. Ganz im Gegenteil. Ich habe meine Zeit dort unglaublich genossen.

Für jeden Jungsommelier oder Commis Sommelier ist das ja der größte Schritt nach vorne, in so einem Haus arbeiten zu dürfen. Und die Eichbauers gehören für mich ja quasi zur Familie.

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Die Zutaten von Justin Leones Leibspeise: Eier und weißer Trüffel. Die Eierspeis gibt’s natürlich nur nach Art von Thomas Keller oder, etwas deftiger, nach Paul Bocuse
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Wer Justin Leone einmal erlebt hat, weiß: Dieser Mann hat keine Berührungsängste. Das gilt nicht nur gegenüber Menschen.

Du bist ja immer noch sehr gut befreundet mit Felix Eichbauer …
Leone: Ja, ich bin sogar der Patenonkel seines ersten Kindes. Aber die Sache war die: Man muss irgendwann in seiner Karriere auch weitergehen, sich weiterentwickeln. Und die einzige Möglichkeit, nachdem man in Spitzenhäusern gearbeitet hat, ist meines Erachtens die Selbstständigkeit. Darum geht’s.

Und ich genieße das, denn diese Entwicklung erlaubt es mir, ganz unabhängig von allem, was vorher war, wieder wie ein kleines Kind zu sein. Ich lerne also wieder neu laufen und stolpere auch auf dem Weg. Juckt es dich nicht wieder einmal, in deiner alten Position als Sommelier in die Sterne-Gas­tronomie zurückzukommen, oder ist das Kapitel abgeschlossen? Leone: Ich stehe immer noch da – und zwar stärker als je zuvor.

„Ich lerne gerade wieder neu laufen und stolpere auch auf dem Weg.“

Deswegen: nein. Ich habe keinen Bock auf meine alte Rolle. Nicht wegen dieser oder jener Stelle, die ich innehatte, sondern weil ich unbedingt auf meinen eigenen zwei Beinen stehen und meine Vision durchziehen will. Natürlich war es bis dahin ein steiniger Weg. Aber trotzdem. Ich will dieses Restaurant unbedingt aufmachen.

Bevor wir auf dein neues Restaurantprojekt zu sprechen kommen: Die wenigsten wissen, dass du als Musiker mit deiner Band hoch erfolgreich warst. Du warst mit den Foo Fighters und John Mayer auf Tour unterwegs. Was war da der Knackpunkt, dass du dann doch in der Spitzengastronomie gelandet bist?
Leone: Es ist so: Das Leben als Musiker ist sehr, sehr hart. Du bist einfach immer unterwegs, hast hohe Erwartungen, arbeitest viel und lernst natürlich auch die weniger schönen Seiten der Musikindustrie kennen. Das brennt dich irgendwann einmal aus.

Deswegen war mir irgendwann klar, dass ich mich damit nicht mein ganzes Leben beschäftigen will. Ich wollte eigentlich zurück auf die Uni und einen Master in BWL machen oder so. Als Agent würde ich dann jungen Bands und Sportlern helfen, ihre Karriere in Schwung zu bringen. Dafür musste ich aber auch einen entsprechenden Stil haben, damit es eben heißt: „Ich will mit Justin sein!“

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Mit seiner Band The Filles, links von Drummer Daniel Gottschlich (re.): Tim Mälzer höchstpersönlich

So kam die Leidenschaft für Mode dazu, und dadurch auch diese Ambition zu wissen, wie man richtig isst und trinkt. Dadurch habe ich angefangen, mich mit Wein zu beschäftigen – und da hat es mich einfach voll erwischt. Dann kam der Hard Cut mit der Musik. Ich habe daraufhin zehn Jahre lang kein Instrument in Händen gehalten, sondern mich nur mit Wein und Essen beschäftigt.

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Alles fit im Schritt: Justin Leone (links) mit TV-Koch Ralf Zacherl, Nelson Müller und Sternekoch Mario Kotaska (v. l. n. r.).

„Das war ein herber Stilbruch!“

Was deine Karriere in der Gastronomie betrifft, war und ist Grant Achatz einer der prägendsten Menschen für dich. Wie blickst du auf diese so prägende Zeit in seinem Restaurant Alinea in Chicago zurück?
Leone: Ich hatte damals keine Ahnung von Sternegastronomie, wirklich null. Ich hatte bis dahin nur in Bistros und Weinläden gearbeitet. Und dann komme ich an meinem ersten Arbeitstag ins Alinea und werde nie vergessen, wie diese drei Typen, drei Kellner, in ihren Anzügen dastehen und sich gegenseitig wegen eines Basilikums anschreien.

Das musst du jetzt genauer erklären.
Leone: Das ging so: „Das ist Afrikanisches Blau-Basilikum, du blöde Sau!“ – „Nein, das ist stinknormales Französisches!“ Das war für mich etwas total Außerirdisches dort. Das war im Oktober 2006, und dann, 2007, ist diese Krebs-Geschichte aufgetaucht, das war unglaublich mies.

Grant Achatz hatte bekanntlich Zungenkrebs …
Leone: Ja, und als das herauskam, hieß es, er habe nur noch drei Monate zu leben. Das war heftig, unglaublich heftig. Aber noch unglaublicher war sein Kampfgeist. Zwei Mal am Tag bestrahlt zu werden, mit Chemotherapie und allem, ohne sprechen oder essen zu können, und trotzdem vom Krankenbett aus Bilder von neuen Gerichten zu malen, die wir dann in die Küche hängen mussten, um sie zu studieren, das ist einfach unglaublich.

Grant ist ein Genie, und seine Kreationen, wie er Geschmäcke kombiniert, Kontraste austariert – einfach diese Aromenmatrix –, das hat mich unglaublich dahin gehend geprägt, wie ich an das Thema Wein herangehe.

Du hast im Alinea auch Fritz Eichbauer, den Gründer und Besitzer des Tantris, getroffen. Eine Begegnung, die dein Leben wiederum nachhaltig verändern sollte.
Leone: Ich weiß nicht, warum, aber damals im Alinea habe ich immer Deutsche bedient! Sven Elverfeld, Juan Amador, Nils Henkel …

Wusstest du damals schon, wer sie alle sind?
Leone: Nein, natürlich nicht. Aber ich habe mit einigen von ihnen längere Abende in Chicago verbracht, wir haben längere Touren durch die Chicagoer Cocktailbars gemacht. Und mit den Eichbauers war es so, dass Felix öfters zu Gast bei uns war, weil damals seine Frau ihren Job in Chicago hatte.

Dann haben wir uns einmal in New York zufällig getroffen. Felix hat mich dann ins Wallsé ins West Village eingeladen, wo ja Iggy Pop und so geile Schnitzel essen. Und mitten im Rausch sagte Felix: Wir gehen ins ElBulli, Justin. In drei Monaten, und du kommst mit. Das war damals nach meiner Alinea-Zeit, ich arbeitete jetzt im Table 52. Wegen des ElBulli habe ich dort meinen Job verloren.

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Justin Leone mit dem Leadsinger Dimi Katsavaris

Warum?
Leone: Weil ich denen dort gesagt hatte: „Weißt du was, fuck you. Wenn ich nicht ins ElBulli gehen darf, was soll’s? Kein Job der Welt ist es wert, nicht ins ElBulli zu gehen.“ Also ging ich natürlich ins ElBulli.

Und das bereust du bis heute nicht, nehme ich an?
Leone: Kein bisschen. Vor allem, weil das Mittagessen darauf im Celler de Can Roca war. Abgesehen davon hat das die Freundschaft zwischen mir und Felix verstärkt.

Wie ging’s dann weiter?
Leone: Danach bin ich nach London zu Markus Wearing, das war aber absolut nicht mein Ding. Da wurde mir für 16.000 Pfund im Jahr eine 6-Tage-Woche aufgedrückt. Weil mir auch versprochen wurde, ich würde gleich Direktor im neuen Restaurant und so weiter.

Aber in London wird man in der Gastronomie ohnehin nur gekaut und ausgespuckt, als Amerikaner, für den alles möglich ist, war das einfach nichts. Ich fragte Felix, ob er die Augen für mich offen halten könne, und einen Monat später rief er mich an und fragte mich, ob ich Paula Bosch im Tantris nachfolgen möchte.

Felix war schlau: Das war natürlich ein herber Stilbruch, denn ich glaube, dass die Presse jeden anderen aufgefressen hätte. Und selbst wenn sie mich aufgefressen hätte, hätte ich es eh nicht lesen können, weil mein Deutsch dafür nicht ausreichte. Wäre mir auch scheißegal gewesen!

Und jetzt: Verrate uns doch bitte etwas über dein Restaurantprojekt, auf das alle so gespannt sind.
Leone: Ich wollte nach Deutschland bringen, was es hier noch nicht gibt. Es gibt Dinge, die ich hier in München einfach vermisse. Vor allem mexikanisches Rock-’n’-Roll-Essen und Barbecue, also echtes, amerikanisches Barbecue.

Das Bottles and Bones, so wird das Restaurant heißen, haben wir schon im Rahmen verschiedener Pop-ups ausprobiert, und da hat es immer so richtig eingeschlagen und war immer ausverkauft. Barbecue meint bei mir alles aus dem Smoker, das hat jetzt nichts im deutschen Sinne mit Grill zu tun.

Und alles nach regionalen Rezepturen aus dem Süden der USA. Da geht’s um originale weiße Saucen zum Chicken aus Alabama, süß-scharfe St.-Louis-Ribs, Pulled Pork aus North Carolina und so weiter. All diese Rezepte sind im Süden dort eine richtige Religion. Deswegen kommt mein Küchenchef aus Nashville, Tennessee. Und sobald hier alles aufmacht, ist er da – und wir fangen an.

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Er kennt sie offenbar alle: Leone mit Küchenlegende Heston Blumenthal (li.).

Podcast: Hier geht’s zum großen ROLLING PIN-Podcast mit Justin Leone

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