Biohotel, made in Bhutan: Wie Hotelier Klaus Kessler zum Klimaschutz-Vorreiter wurde
Nigelnagelneue Zimmer. Vollholzbetten mit Gesundheitsmatratzen. Vollpension aus der Bioküche. Regenwasserdusche. Plantschen im Pool. Backofen und Billardraum. Drei Millionen Euro haben die Kesslers in ihre neuen Lodges investiert, hoch oben im Kleinen Walsertal, auf 1.200 Meter. Das Holz kommt aus der Region, auf Lackierung wurde verzichtet, das Passivhaus-Energiekonzept umgesetzt. Allerdings: Kein einziger Hotelgast wird dort je einchecken. Die exklusiven Lodges sind ausschließlich für Mitarbeiter reserviert. Schade, dass man diese Naturzimmer nicht buchen kann.
Nigelnagelneue Zimmer. Vollholzbetten mit Gesundheitsmatratzen. Vollpension aus der Bioküche. Regenwasserdusche. Plantschen im Pool. Backofen und Billardraum. Drei Millionen Euro haben die Kesslers in ihre neuen Lodges investiert, hoch oben im Kleinen Walsertal, auf 1.200 Meter. Das Holz kommt aus der Region, auf Lackierung wurde verzichtet, das Passivhaus-Energiekonzept umgesetzt. Allerdings: Kein einziger Hotelgast wird dort je einchecken. Die exklusiven Lodges sind ausschließlich für Mitarbeiter reserviert. Schade, dass man diese Naturzimmer nicht buchen kann.
Aber fangen wir von vorne an: Die Kesslers, das sind Magdalena und David. Geschwister, die das Naturhotel seit 2019 führen. Papa Klaus hat als Betriebsberater am Tourismuskonzept für Bhutan mitgeschrieben. Brutto-National-Glück – klingelt es da? „Mein Vater wollte hier in Hirschegg ein kleines Bhutan schaffen“, erzählt Magdalena. Ein Ort der Ausgewogenheit, der nur so viele Touristen akzeptiert, wie das Land verträgt.“ Er wollte mit seiner Frau Sieglinde ein Hotel verwirklichen, das mit ihrer Lebenseinstellung – Wertschätzung der Natur und den Menschen gegenüber – vereinbar ist. „Meine Eltern waren sich einig: Das muss anders gehen“. Was ein ganzes Land wie Bhutan kann, das kann ein Hotel dann wohl auch.
Von Ungewaschenen im Leinensack
Die erste Mission – die Umstellung auf Bio. Gemeinsam fuhren die Kesslers vor über 30 Jahren im Tal von Hof zu Hof und erklärten den Bauern, was bio überhaupt ist und motivierten sie, auf bio umzustellen. Bio, das war damals nur ein Bauer. Bio, das waren Ungewaschene im Jutesack. Dann war da noch der damalige Küchenchef Bernhard Schneider. Ohne ihn hätte das nicht funktioniert. Im Tal wird er „Mister Bio“ genannt. „Jeder andere Koch wäre sofort davongelaufen, wenn ihm jemand gesagt hätte, dass er zukünftig von 25 kleinen Lieferanten bestellen muss“, erinnert sich die Junior-Chefin.
Blenden wir in die Gegenwart: Seit 17 Jahren ist das Chesa Valisa – das Haus der Walser – schon zu 100 Prozent bio. In 28 Bauetappen wurde aus dem urigen Walsergasthaus – das Stammhaus ist ein halbes Jahrtausend alt – und den Kuhställen ein ökologisch durchdachtes Wellnesshotel mit Spa für 120 Gäste, „die immer mehr so ticken wie wir selbst“, sagt Magdalena. Mit dem Architekten Hermann Kaufmann, der für seine nachhaltigen Holzbauten einen Architekturpreis nach dem anderen abräumt, entstand im Kleinwalsertal das erste klimaneutrale Bio-Hotel Vorarlbergs.
So wird beim Klimaschutz angepackt
An sinnvollem Umweltschutz und Klimagerechtigkeit müsse man aktiv mitarbeiten, meint Magdalena Kessler. Wie es ein Haus wie ihres schafft, klimaneutral zu sein, ist kurz erklärt: Es wird angepackt. Erst den CO2-Fußabdruck und alle Emissionen, die beim Hotelbetrieb entstehen, erfassen – von Energie über Einkauf bis hin zum Arbeitsweg der Mitarbeiter. Ökologische Bauweise, Fernwärme, Photovoltaik, Reinigen mit effektiven Mikroorganismen, eigene Permakultur und ein sorgsamst getrennter Müll – das Chesa Valisa hat jeden einzelnen Ablauf im Hotel genau durchdacht.
„Einen Teil der Küchenabfälle fressen die Schweine, mit einem anderen befüllen wir unseren Bokashi Eimer.“ Dort wird er zu Humus und Dünger, nur ein kleiner Rest wird noch professionell entsorgt. 40 Kilogramm CO2 verursacht eine Person pro Übernachtung im Durchschnitt, im Chesa Valisa sind es nur 2,3 Kilogramm. Klimaneutral zu sein heißt null Tonnen. Die Differenz gleicht das Hotel durch Zahlungen an Klimaschutzprojekte aus.
Mein Vater wollte in Hirschegg einen Ort schaffen, der nur so viele Touristen akzeptiert, wie er verträgt.
Magdalena Kessler über die Ur-Vision des heutigen Vorzeigebetriebs
Bio sein ist wie schwanger sein. Den Spruch kennt Magdalena von ihrem Vater. Man kann nicht „a bissle“ schwanger sein. Genauso wenig kann man „a bissle“ bio sein. Das spüren die Gäste beim Grünen Tag. Die Idee dazu kam vom Küchenteam selbst, darunter einige Vegetarierinnen und Veganer: „Einen Tag die Woche verbannen wir Fleisch und Fisch komplett aus der Küche“, erzählt Magdalena von einer immer noch umstrittenen Entscheidung. „David und ich haben es irgendwann einfach ausprobiert. Jeden Tag gibt es auch ein vegetarisches und ein ayurvedisches Menü. Küchenchef Andi Ziep musste in dem Küchenteam erst einmal sein gewohntes Konzept anpassen: Im Chesa Valisa braucht er die meisten Mitarbeiter auf dem Gemüseposten.
Wie die Gäste darauf reagiert haben? „Wenn zehn Gäste es toll finden und einer sich beschwert, hörst du den einen und lässt dich verunsichern. Aber wir ziehen das durch“, beschreibt Magdalena die Reaktionen. „Vegane und vegetarische Gerichte sind für uns schon lange eine Selbstverständlichkeit.“ Die Gäste würden schätzen, dass vegetarische Gerichte die kreative Chance für die Küche sind – nicht nur eine müde Variation der Beilage. „Wenn Paare zu uns kommen und die Frau gebucht hat, haben manche Männer Angst, dass sie im Biohotel den ganzen Tag Karotten essen müssen. Am Ende sind sie dafür dann umso mehr begeistert“, erzählt Magdalena Kessler. Für Leitungswasser wird seit zwei Jahren ein symbolischer Euro pro Tag von den Gästen an die Organisation „EinDollarBrille“ gespendet, die Brillen in den ärmsten Regionen der Welt herstellt und verteilt. „Wasser ist etwas Wertvolles, und das kann man so bewusst machen.“ Wenn der Betrag für etwas Sinnvolles gespendet wird, gibt es auch keine Diskussionen über Leitungswasser.
Was soll Work-Life-Balance sein?
Gemeinsam mit ihrem Bruder David hat Magdalena eine Initiative für flexiblere Arbeitszeiten gestartet. „Vielleicht ist jemand gerade in Pension gegangen und hat noch Lust, ein wenig zu arbeiten? Oder eine Mutter mit kleinen Kindern hat nur an bestimmten Tagen Zeit. Wir schauen, ob es im Chesa Valisa eine Position gibt, die zu diesen Bedürfnissen passt, und eine Aufgabe, die zu den Talenten passt. Meine Assistentin ist zum Beispiel nur zwei Tage die Woche da.“ Nur vom Jammern hält sie nichts. „Das hat noch nie etwas geändert. Alles ist in Bewegung, man sollte nicht in starren Vorstellungen verharren“, meint sie. „Work-Life-Balance, was bitte soll denn das sein? Die Arbeit sollte doch ein schöner Teil vom Leben sein – und nicht die Alternative dazu“, ist Magdalena Kessler überzeugt.
Zufriedenheit und Achtsamkeit sind moderne Schlagwörter, die man schon nicht mehr hören kann. Im Chesa Valisa sind sie schon seit 40 Jahren gelebte Unternehmenskultur – jetzt noch dazu in den neuen Mitarbeiter-Lodges.
Change Maker Hotels
Das Chesa Valisa ist Teil der Change Maker Hotel -Kollektion. Gegründet von den Journalisten Petra -Percher-Kropf und Robert Kropf erzählen hier die Visionäre der Hotelbranche über ihren Weg hin zu Pionieren des nachhaltigen Tourismus. Zielgruppe ist die wachsende Zahl an Reisenden, die Angebote für achtsamen und nachhaltigen Urlaub suchen. Zusätzlich dient die Kollektion als Netzwerk für Touristiker, die sich auf Augenhöhe zum Thema Nachhaltigkeit austauschen und nach besseren Lösungen im Tourismus suchen. Alle Infos: www.changemakerhotels.com