Einfach ehrlich, einfach Erfort
Fotos: Florian Trettenbach / Red Bull Hangar-7, Helge Kirchberger / Red Bull Hangar-7
Klaus hat voll versagt. Auf ganzer Linie. Sein Plan war, mit einem Michelin-Stern und 16 oder 17 Punkten im Gault Millau genüsslich vor sich hin zu kochen. Und das hat so was von nicht geklappt. Jetzt hat er drei Sterne und 19,5 Punkte und wird beides wohl auch so schnell nicht wieder los. Pech gehabt, Junge. Das passiert eben, wenn man sich einmal an eine Lebensweisheit hält: Sei einfach du selbst. Und Klaus scheint da in der Talent- und Genlotterie ins Schwarze getroffen zu haben.
Nachdem er als Küchenchef und bereits besterntes Haupt die Nase voll hatte von Meetingterror bei gleichzeitiger Nicht-Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen, haute er den Hut auf seinen Job als Küchenchef im Gourmet-Restaurant Imperial Schlosshotel Bühlerhöhe in Baden-Baden, fuhr einmal durchs Elsass und sperrte sein GästeHaus in Saarbrücken auf. Und war plötzlich selbstständig, ohne…
Fotos: Florian Trettenbach / Red Bull Hangar-7, Helge Kirchberger / Red Bull Hangar-7
Klaus hat voll versagt. Auf ganzer Linie. Sein Plan war, mit einem Michelin-Stern und 16 oder 17 Punkten im Gault Millau genüsslich vor sich hin zu kochen. Und das hat so was von nicht geklappt. Jetzt hat er drei Sterne und 19,5 Punkte und wird beides wohl auch so schnell nicht wieder los. Pech gehabt, Junge. Das passiert eben, wenn man sich einmal an eine Lebensweisheit hält: Sei einfach du selbst. Und Klaus scheint da in der Talent- und Genlotterie ins Schwarze getroffen zu haben.
Nachdem er als Küchenchef und bereits besterntes Haupt die Nase voll hatte von Meetingterror bei gleichzeitiger Nicht-Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen, haute er den Hut auf seinen Job als Küchenchef im Gourmet-Restaurant Imperial Schlosshotel Bühlerhöhe in Baden-Baden, fuhr einmal durchs Elsass und sperrte sein GästeHaus in Saarbrücken auf. Und war plötzlich selbstständig, ohne Investor und auf einmal mit allen Freiheiten, die man sich deswegen leisten und eben nicht leisten kann. Und bis dato hätte sich auch keiner gemeldet, der sich um diese Stelle verdungen hätte. Nur für das Ego kochen zum Beispiel ist nicht drin in der Kiste, seinen eigenen Stil und seine Vorstellungen von einem entspannten Restaurantbesuch umsetzen aber schon.
Das Mantra, das über Erfort und seinem durchaus kleinen, aber schlagkräftigen Team kreist: Essen muss Spaß machen, ehrlich sein und, wenn möglich, bitte auch sinnlich. Außerdem macht Erfort laut Eigenaussage das alles für den Gast, also das Kochen, und stolziert deswegen auch nicht pfauengleich durch sein Restaurant und plustert sich auch nicht durch TV-Shows oder anderen medienwirksamen Kram auf, sondern steht am Pass. Sein Part des Entertainments: seine Gerichte. Den Rest hat der Service zu übernehmen. Das mit dem Abholen und diese Wohlfühlatmosphäre zu kreieren, in der man ganz entspannt einfach mal sein kann.
Das ist nach der Erfort’schen Definition nämlich der neue Luxus. Silberbesteck haben seine Gäste selbst zu Hause im Schrank, das ist nichts Besonderes für die. Aber wer sich wohlfühlt und den Stecken mal aus seinem Hintern und in die Ecke stellen darf, der ist auch bereit, Geld auszugeben. Einfach und findig und umsatzfördernd, dieser Ansatz. Da war ja dann die Wahl des Restaurantnamens eine durchaus passende: GästeHaus Klaus Erfort. Was sich im Inneren der Gründerzeitvilla abspielt – abgesehen von der gerade über die Bühne gegangenen Renovierung in eine weniger elitäre denn legere Richtung –, ist leicht zu erklären: Erfort hat sich diese neue Einfachheit genommen, sie mit einer Portion Entspanntheit und einem modernen, aber nicht überkandidelten Stil in den Topf geschmissen.
Metaphorisch und wörtlich genommen. Wobei „geschmissen“ der Anrichteweise von Erfort auf der Schönheitsskala diametral gegenüberliegt. Kein Chichi oder Firlefanz auf dem Teller, sondern reduzierte, strukturierte Simpliziät. Wer jetzt aber in diesem Stil einen nordischen Abklatsch vermutet, liegt falsch. Es ist Erforts Stil – durchgezogen seit Jahren und immer wieder adaptiert auf seine kreativen Einfälle, die trendunabhängig in seinen Gedanken aufpoppen. Der Gast muss bei Erfort nicht vermuten, was da auf dem Teller liegen könnte. Er sieht es. Er schmeckt es. Auf der Homepage ist zu lesen: „Wie schmeckt eine Karotte? Wie ein Steinbutt? Wie Lamm?
Erfahren Sie Aromen neu.“ Erfort hält einfach mal nix davon, eine Traube in ihre Bestandteile zu zersetzen und sie dann mit Chemie und Pülverchen zu etwas zu machen, was sie nicht ist. Letztere hat er sowieso weitgehend aus seiner Küche verbannt. Aber nicht, ohne dass er sich gewisse Errungenschaften der Avantgardeküche zunutze gemacht hat. Ist ja auch kein Dummer, der Klaus. Sondern gewitzt. Sein Grundrezept: nie mehr als drei oder vier Produkte, die aufeinander abgestimmt sind. Die dafür in einer Top-Qualiät, wie sie Witzigmann proklamiert. Von einem 15-Komponenten-Wahnsinn hält er nicht viel, das würde das Geschmackserlebnis verwischen. Ein Beispiel aus seinem Gastkoch-Menü: „Dänische Garnelen mit Gänsestopfleber mit Limonenöl“.
Akkurat und schlicht liegen da drei fast rohe Garnelen auf einem Würfel geschichteter Foie gras, ein wenig Limonenöl über den Teller geträufelt und aus. Mehr ist da nicht und mehr braucht es nicht. Der Schmelz und der intensive Geschmack, die hinreißen, die Harmonie – um Einfachheit in dieser Form zelebrieren zu können, muss man wissen, was wichtig ist. Und das gelingt nur, wer die Klassik auch beherrscht. Auch hier ein fettes Häkchen für Erfort. Seine „Mieral-Taube-Bäckeöfe mit schwarzer Trüffel und Wurzelgemüse“ ist eine Hommage an die Bäckerszunft, die ihr Mittagessen – sprich die Resteln unter einer Brothaube versteckt – in der Früh in den Ofen schob und es zur Brotzeit wieder herauszog.
Gut, die Variante von Erfort ist weitaus sensibler zusammengestellt, mit hochwertigen Produkten und außerdem eine Show am Tisch, wenn die Haube heruntergeschnitten wird und sich der Trüffelduft breitmacht. Doch selbst dann kommen seine Retro-Geschichten nie so schwer rüber wie ihre kulinarischen Ahnen. Denn Fette hat er so gut wie gänzlich aus seinen Gerichten reduziert und die sind hoch modern, ohne zu überfordern. Und wieder ist man da bei der Ehrlichkeit angelangt. Das zieht sich bei Erfort einfach durch – durch sein Restaurant, seine Gerichte und durch sein ganzes Wesen. In Hysterie ist er noch nie ausgebrochen.
ein Koch von alter Güte.
Ehrliche Freude über die verdienten Lorbeeren, der zweite Stern hat ihn mehr überrascht, denn dass er jemals darauf gewettet hätte. Und weil er wie erwähnt die Schnauze voll hatte von konzernhaftem Denken und einfach frei von der Seele weg kochen wollte, hat er auch nicht über sein Marketing nachgedacht. Was im Übrigen auch vermuten lässt, dass die schwammige Formulierung „aus frischen Zutaten, sorgsam ausgewählt, zaubern Klaus Erfort und seine Küchenbrigade für Sie unvergessliche Geschmackserlebnisse – stets mit Respekt vor den allerbesten Grundprodukten“ auf seiner Seite bloß dortsteht, damit was dortsteht.
Das erklärt nicht mal ansatzweise, wie großartig seine Küche in Wirklichkeit ist. Aber es ist halt auch schwer, „roh marinierte Jakobsmuscheln mit rosa Ingwer und Avocado“ auf der Seite zum Download anzubieten. Denn mehr als dieses Gericht braucht es nicht, um verstehen zu können. Um zu begreifen, wie simpel etwas grundauf Herrliches manchmal sein kann. Tja, das ist Klaus. Bleibt immer ganz nah bei sich selbst. Ein Bodenständiger bei den Überfliegern aus Salzburg. Ein sinnvoller Widerspruch …
AUFGEDECKT
Hangar-7-Know-how [Macadamianuss]
Freunderlwirtschaft
Wie die Ureinwohner die Macadamianuss knackten, bleibt ihr Geheimnis. Zumindest haben sie schon erkannt, dass die Früchte des Macadamiabaums, die damals noch „Kindal Kindal“ hießen, besonders nahrhaft sind und zudem köstlich schmecken. Der deutsche Botaniker Baron Ferdinand Jakob Heinrich von Mueller brachte sie aber unter die Leute: 1858 kategorisierte er die Nuss und benannte sie nach seinem Freund Dr. John Macadam. Die ersten Reinkulturen wurden allerdings erst 100 Jahre später angepflanzt und zum Exportschlager entwickelten sie sich in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Und weil dem bis heute so ist, kommt es manchmal sogar zu Lieferschwierigkeiten, da der Anbau nach wie vor sehr limitiert ist.
Fettbombe
Oh, Baby. Diese Nuss hat es in sich. Nicht nur geschmacklich, sondern auch wörtlich genommen jede Menge Fett. Aber das gute und bis zu 81 Prozent ungesättigt, wenn man so will. Studien belegen zudem, dass täglich zehn Macadamianüsse pro Tag den Blutcholesterinspiegel um zwölf Prozent senken. Dass man damit auch pro 100 Gramm 718 Kalorien zu sich nimmt, sei hier am Rande erwähnt, denn die 73 Gramm Fett machen die Sache für sich alleine schon sehr gewichtig.
Harte Umgangsformen
Mit einer Königin ist nicht zu spaßen. Und ihre Geheimnisse lässt sie sich auch nicht allzu leicht entlocken. Jep, genauso verhält es sich auch mit der Macadamianuss. Denn für die zwei bis drei Zentimeter großen runden Steinnüsse braucht es eigene Maschinen, um die Schale zu entfernen. Den Beinamen „Königin“ hat sie im Übrigen deswegen, weil der Anbau und die Verarbeitung von Macadamianüssen sehr aufwendig ist und sie somit das Rennen um die teuerste Nuss der Welt gewonnen hat. Nachdem die Nüsse nach nur sechs Monaten von den 15 Meter hohen immergrünen Bäumen fallen, wird die Ernte bei 32 bis 50 Grad auf 1,5 Prozent Feuchtigkeit getrocknet. Anschließend gelingt es nur durch rotierende Stahlzylinder, die extrem harten Schalen zu knacken. Nach der händischen Farb- und Größensortierung werden die Besten der Besten bei etwa 120 Grad Heißluft in speziellen Öfen für 20 Minuten geröstet. Eine Königin verlangt eben nach einer Sonderbehandlung …
Zuckerbombe
Ist man bis zum Kern der Macadamianuss durchgedrungen – in Europa kein Problem, da sie fast ausschließlich geschält und vakuumverpackt oder in Dosen auf den Markt kommt –, erkennt man das weiche Herz der Königin: Weich und cremefarben in der Optik, offenbart sie ein intensiv nussiges, leicht süßliches Aroma und zeigt zudem feine, buttrige Noten. Gehobelt wirkt es so, als ob sie auf der Zunge schmelzen würde.
www.gaestehaus-erfort.de
Next Chef
Bart de Pooter | De Pastorale/Belgien
Ein frivoles Kerlchen in der Küche soll er sein, der Bart de Pooter. In seinem Restaurant De Pastorale in Rumst, Reet hält er sich nicht mit Nebensächlichkeiten auf, sondern nimmt gleich die komplette Geschmackspalette.
www.hangar-7.com
www.facebook.com/hangar7
Macadamia, Ajo Blanco mit Miesmuscheln
Ajo Blanco Mousse
240 g Milch
70 g Macadamianusskerne, fein gerieben
1 Stk. Knoblauchzehe, fein geschnitten
3 Bl. Gelatine, eingeweicht
30 g „Sushi Seasoning“
60 g Olivenöl
Salz
reichlich fein geriebene Macadamianuss
Kerne zum Wenden
Grüner Muschelsud
500 g Miesmuscheln, frisch
300 g Tomatenwasser
2 Stk. Knoblauchzehe, fein geschnitten
20 g Petersilienblätter
50 g Olivenöl zum Abschmecken
Piment d’Espelette
frisch geriebene Zitronenschale
frisch gepresster Zitronensaft
Anrichten
einige Macadamianusskerne
etwas Petersilienkresse
Ajo Blanco Mousse
Die Milch, die mit Hilfe einer Microplane-Reibe fein geriebenen Macadamianusskerne, die fein geschnittene Knoblauchzehe und etwas Salz aufkochen. Die Mischung gut mixen, die ausgedrückte Blattgelatine zugeben und auflösen. Das »Sushi Seasoning« und das Olivenöl langsam untermixen, dann durch ein feines Sieb passieren und mit Salz abschmecken. Die Masse in eine Espumaflasche füllen und mindestens 6 Stunden in den Kühlschrank stellen. Vor dem Anrichten jeweils 1 EL gestockte Ajo Blanco Mousse in reichlich fein geriebenen Macadamianusskernen spritzen, behutsam wenden und mit den Macadamianussspänen ummanteln.
Grüner Muschelsud
Die Miesmuscheln sorgfältig verlesen, putzen, waschen und über einem Sieb abtropfen lassen. Das Tomatenwasser und die fein geschnittenen Knoblauchzehen in einem Topf aufkochen lassen. Die Miesmuscheln zugeben und den Topf mit einem Deckel schließen. Bei hoher Hitze kochen lassen, bis sich die Muscheln geöffnet haben. Die Muscheln sofort durch ein feines Sieb passieren, dabei den Muschelsud auffangen. Ungeöffnete Exemplare entsorgen. Die geöffneten Muscheln auslösen und rasch abkühlen lassen, dann säubern. Den Muschelsud mit den Petersilienblättern, den Basilikumblättern und dem Olivenöl aufmixen. Den grünen Muschelsud mit Salz abschmecken und kalt stellen. Das gesäuberte Muschelfleisch mit etwas Olivenöl, Piment d‘Espelette, frisch geriebener Zitronenschale und frisch gepresstem Zitronensaft abschmecken und kalt stellen.
Anrichten
Den kalten grünen Muschelsud auf tiefe Teller geben. Je 1-2 Nocken Ajo Blanco Mousse mittig in den Muschelsud setzen. Die marinierten Miesmuscheln, sowie einige Macadamianusskerne rundherum verteilen. Zum Schluß mit etwas Petersilienkresse garnieren.
Cuisine Int.
Druckfrisch aus dem Hangar-7: Aus Anlass des 10-jährigen Jubiläums versammelt dieser Band die besten Rezepte aller
115 Gastköche von 2003 bis 2013.
Erhältlich im Hangar-7 Merchandising Shop, Hangar-7 Online-Shop und im Buchhandel.
shop.hangar-7.com