Heinz Reitbauer: Der große Mr. Understatement
Platz 15 der World’s 50 Best Restaurants, zwei Michelin-Sterne, 19 Gault-Millau-Punkte – Superlativen eines Mannes, der nicht gerne im Rampenlicht steht – und es wegen seiner Ausnahmestellung in der österreichischen Gastronomie um so mehr verdient hat. Heinz Reitbauer, der Steirereck-Sternekoch, über Talente, Leidenschaft und Veränderungsdrang.
Was gefällt Ihnen besser: Wenn man Sie als „Botschafter der Vielfalt“ oder als „Nummer eins in Österreich“ bezeichnet?
Heinz Reitbauer: Man macht im Leben immer das, was man gerne tut. Es ist auf der einen Seite schön, wenn es auch eine Anerkennung findet, aber viel wichtiger ist, dass man die Chance hat, viele Menschen zu erreichen. Uns geht es in unserer Küche und in unserer Philosophie in erster Linie darum, dass wir versuchen, die Kulinarik des Landes und die guten und wertvollen Dinge zu erhalten und weiter voranzutreiben. Deshalb ist mir die Vielfalt ein besonderes Anliegen.
Platz 15 der World’s 50 Best Restaurants, zwei Michelin-Sterne, 19 Gault-Millau-Punkte – Superlativen eines Mannes, der nicht gerne im Rampenlicht steht – und es wegen seiner Ausnahmestellung in der österreichischen Gastronomie um so mehr verdient hat. Heinz Reitbauer, der Steirereck-Sternekoch, über Talente, Leidenschaft und Veränderungsdrang.
Was gefällt Ihnen besser: Wenn man Sie als „Botschafter der Vielfalt“ oder als „Nummer eins in Österreich“ bezeichnet?
Heinz Reitbauer: Man macht im Leben immer das, was man gerne tut. Es ist auf der einen Seite schön, wenn es auch eine Anerkennung findet, aber viel wichtiger ist, dass man die Chance hat, viele Menschen zu erreichen. Uns geht es in unserer Küche und in unserer Philosophie in erster Linie darum, dass wir versuchen, die Kulinarik des Landes und die guten und wertvollen Dinge zu erhalten und weiter voranzutreiben. Deshalb ist mir die Vielfalt ein besonderes Anliegen.
Die Vielfalt stellen Sie über die Zusammenarbeit mit Produzenten sicher, im Kleinen, aber auch direkt im Steirereck. Wie sieht das aus?
Reitbauer: Wir sind bekannt für einen großen Kräutergarten auf dem Dach des Restaurants. Das war uns schon immer wichtig. Wir sind mittlerweile bei 140, 150 verschiedenen Sorten angelangt, großteils Kräuter, ein bisschen was Gemüseartiges ist auch dabei. Wir arbeiten mit der Arche Noah zusammen und holen uns da immer wieder neue Geschmäcke, neue Sorten, die die Arche Noah immer wieder über den Zyklus anbaut. Dieses riesige Sortenarchiv muss ja auch belebt und geschützt werden und dazu muss man die Sorten in einem Zyklus immer wieder auspflanzen, damit das Saatgut eine starke Vermehrungsfähigkeit behält und die Pflanzen sich an die Witterungsbedingungen der Ist-Zeit anpassen können. So lernen wir auch neue Geschmäcke und neue Produkte kennen. Nicht alles ist für uns immer gleich verwertbar, das ist aber gar nicht wichtig, es geht um eine Horizonterweiterung, um ein genaues Hinschauen und um den Bezug und den Respekt zur Landwirtschaft und darum, wie viel Arbeit es letztendlich ist, bis eine Kiste bei uns in der Küche landet.
Du musst die Sehnsucht nach dem Unerreichten, dem Perfekten in deinem Team und in dir selbst schüren.
Heinz Reitbauer über Leidenschaft und Veränderung
Viele tolle Köche sind durch Ihre Schule gegangen. Davon sind auch einige unter Austria’s 50 Best Chefs. Wen sollte man davon in Zukunft im Auge behalten?
Reitbauer: Da gibt es eine Menge. Der Lukas Nagl vom Bootshaus war bei uns im Team, der Philip Rachinger war auch lange Jahre bei mir, sowohl draußen in der Steiermark wie auch in Wien. Peter Troißinger in Hatzendorf, die bauen gerade in der Südoststeiermark bei der Riegersburg um. Das ist sicher ein Mann, von dem man viel hören wird in Zukunft. Ich glaub, die junge Generation, die da nachkommt, ist höchst fokussiert auf das, was sie tut, hat ziemlich klare Vorstellungen von einer Küche. Sie ist für mich wesentlich weiter, als ich es in dem Alter war. Gefällt mir sehr gut diese Entwicklung.
Manuel Ressi war auch über zehn Jahre bei Ihnen als Sous Chef. Wie gefällt Ihnen sein Konzept, das er in Hermagor umsetzt?
Reitbauer: Der macht ja jetzt ein bisschen eine andere Art der Stilistik und Küche. Manuel hat sich einfach primär für diese Wirtshausschiene entschieden, die er großartig macht. Finde ich super, genau davon lebt unser Land, dass man was für die Region macht, in der man daheim ist und wo man die Leute kennt. Das zeichnet auch große Leute aus, dass sie das tun.
Wie schaffen Sie es, dass Sie die Leidenschaft für den Beruf trotz des hohen Pensums mit drei Betrieben erhalten?
Reitbauer: Wir versuchen, das hört sich sehr hochtrabend an, immer eine Veränderung herbeizuführen. Die Arbeit in der Gastronomie ist überall sehr intensiv, aber wenn es eine Bewegung, eine Veränderung, etwas Neues gibt, lässt sich alles etwas leichter ertragen. Es ist zwar hart, diese Veränderung herbeizuführen, weil jeder bequem ist und wenn mal was funktioniert, ist das klasse. Wir glauben aber, dass du gerade, wenn du erfolgreich bist, wieder was verändern solltest, nicht erst dann, wenn du das Gefühl hast: Na ja, das war schon mal erfolgreicher. Das ist risikobehaftet, vollkommen klar, lässt dich aber sich sehr intensiv mit den Dingen auseinandersetzen, weil du das nächste Ding nicht viel schlechter machen willst. Und das löst wieder neue Kräfte im gesamten Team. Ich glaube an diesen Spruch: „Wenn du übers Meer fahren willst, dann fang nicht an, ein Schiff zu bauen, sondern lehre deine Menschen die Sehnsucht nach dem endlos weiten Meer.“ Das ist schon die Wahrheit, nach der wir irgendwie streben, die Sehnsucht nach dem Unerreichten, nach dem Perfekten. Du musst das einfach in deinem Team und in dir selbst schüren.
Wie können solche Veränderungen aussehen?
Reitbauer: Das fängt beim kleinsten Gericht an, wenn dir das gelingt, dann hast du selbst die Motivation, das zu tun – in der Früh aufzustehen und nachts spät schlafen zu gehen. Wenn nur noch die Arbeit über bleibt, das ist die große Gefahr, wenn es um die monetäre Geschichte geht. Ich schau mir die Zahlen ganz genau an, das ist ganz wichtig. Da gibt es ein paar Phasen im Jahr, wo das richtig ist, aber die restliche Zeit, 325 Tage im Jahr, ist mir das ziemlich wurscht. Da muss das laufen, was wir uns vorgenommen haben, und dann konzentrieren wir uns nur auf die Qualität.
Wir haben nicht den wirtschaftlichen Ehrgeiz, höchstprofitabel zu sein, uns geht es um ein ganzheitliches Lebensbild.
Heinz Reitbauer über Wirtschaftlichkeit und Ideale
Wie groß ist dennoch der wirtschaftliche Druck mit drei Restaurants, dem Steirereck, der Meierei und dem Pogusch, und allein 90 Mitarbeitern in Wien?
Reitbauer: Das wirtschaftliche Fundament muss einfach funktionieren. Wir versuchen aber, dem nicht allzu viel Augenmerk zu schenken. Wir haben auch Strukturen, die nicht jeden Tag niedergerissen werden, und ein ziemlich klares Umfeld. Bevor wir das Steirereck umgebaut haben, haben wir uns sehr intensiv mit der Wirtschaftlichkeit beschäftigt. Was macht Sinn für uns? Was sind Investitionen für die Zukunft? Wir sind der Meinung, du kannst eh nur ein Brot am Tag essen, was brauchst du drei? Wir wollen davon vernünftig leben können, wir haben nicht den wirtschaftlichen Ehrgeiz, höchstprofitabel zu sein. Uns geht es um ein ganzheitliches Lebensbild, das wir selbst mit vollstem Einsatz leben. Wir wollen nichts geschenkt und sind bereit, als Gesamtfamilie dafür zu investieren, aber es ist nicht wirklich entscheidend, ob es mit einem oder drei Plus endet. Wesentlich entscheidender ist, dass man seine Freude nicht verliert. Was nützt es, wenn du drei Plus am Jahresende hast und im nächsten Jahr ausgepowert bist oder die Lust verlierst, weil alles der wirtschaftlichen Dominanz untergeordnet wird. Vor allem Stakeholder-geführte Unternehmen, finde ich, können nie lange gut gehen, weil Gastronomie andere Spielregeln hat. Da geht es in erster Linie um Leidenschaft. Wenn die bei dir selbst verloren geht, dann geht sie ganz sicher bei deinen Mitarbeitern verloren und das ist der Anfang vom Ende.
Ihr Vater ist für das Lebenswerk ausgezeichnet worden. Wenn man längerfristig denkt, wie wird es am Pogusch weitergehen, wenn Ihr Vater das mal nicht mehr machen kann? Denken Sie so weit?
Reitbauer: Mindestens so weit. Das war immer eine ganz klare Entscheidung, dass die Steiermark zu unserem Familienunternehmen gehört, wenn nicht überhaupt unser Herzenszentrum ist. Meine Frau und ich werden nicht in Wien alt werden. Das kann ich Ihnen sicher sagen.
www.steirereck.at