Herr der kühlen Blonden
Fotos: Monika Reiter, Thomas Schauer, Heinz Stephan Tesarek / www.heinztesarek.com, Prof. Eric Holan
Wie eine Heerschar von Bienen im Hopfenfeld schwirren die Kellner zielgerichtet von einem Tisch zum anderen. Beobachtet man das hektische Treiben der Angestellten im Schweizerhaus, kann einem beinahe schwindlig werden. Nur einer scheint im Stelzen- und Bier-Eldorado die Ruhe in Person zu bleiben: Chef Karl Kolarik. Sir der Wiener Gastroszene und innovativer Schanigärtner der Superlative.
Seit 1986 ist er Geschäftsführer im kultigsten Biergarten Österreichs und konnte bis dato die bereits beachtlichen Leistungen des Herrn Papas noch steigern. In welchem Ausmaß er das geschafft hat, zeigt alleine die Steigerung der Mitarbeiterzahlen von 80 auf 140. Doch bereits 1920 übernahmen die Kolariks im Schweizerhaus das Ruder. Karl Kolarik sen. erwarb damals als 19-Jähriger mit viel Optimismus und noch mehr Schulden die traditionsreiche Gastronomiestätte. Mit seiner positiven Einstellung und seinem unermüdlichen Engagement machte er das Schweizerhaus zur Wiener Institution. Die beeindruckenden Fakten gleich zu Beginn: Knapp 750 Sitzplätze im Gasthaus sowie 1400 Plätze im Garten stehen für die Gäste täglich von 11 bis 23 Uhr zur Verfügung. „Wir haben 40.000 potenzielle Gäste in unserem Einzugsgebiet…
Fotos: Monika Reiter, Thomas Schauer, Heinz Stephan Tesarek / www.heinztesarek.com, Prof. Eric Holan
Wie eine Heerschar von Bienen im Hopfenfeld schwirren die Kellner zielgerichtet von einem Tisch zum anderen. Beobachtet man das hektische Treiben der Angestellten im Schweizerhaus, kann einem beinahe schwindlig werden. Nur einer scheint im Stelzen- und Bier-Eldorado die Ruhe in Person zu bleiben: Chef Karl Kolarik. Sir der Wiener Gastroszene und innovativer Schanigärtner der Superlative.
Seit 1986 ist er Geschäftsführer im kultigsten Biergarten Österreichs und konnte bis dato die bereits beachtlichen Leistungen des Herrn Papas noch steigern. In welchem Ausmaß er das geschafft hat, zeigt alleine die Steigerung der Mitarbeiterzahlen von 80 auf 140. Doch bereits 1920 übernahmen die Kolariks im Schweizerhaus das Ruder. Karl Kolarik sen. erwarb damals als 19-Jähriger mit viel Optimismus und noch mehr Schulden die traditionsreiche Gastronomiestätte. Mit seiner positiven Einstellung und seinem unermüdlichen Engagement machte er das Schweizerhaus zur Wiener Institution. Die beeindruckenden Fakten gleich zu Beginn: Knapp 750 Sitzplätze im Gasthaus sowie 1400 Plätze im Garten stehen für die Gäste täglich von 11 bis 23 Uhr zur Verfügung. „Wir haben 40.000 potenzielle Gäste in unserem Einzugsgebiet, die zu Fuß in einer Viertelstunde da sein könnten“, erklärt Karl Kolarik, warum zu Spitzenzeiten bis zu 3000 Leute am Tag zu Besuch sind. „Der Wiener hat ja keinen Garten und den stellen wir gerne zur Verfügung!“
Das ist allerdings ein nettes Understatement vom Chef des Hauses, denn mittlerweile sind es nur mehr 25 Prozent, die aufgrund eines Praterbesuchs eher zufällig im Schweizerhaus landen. Stolze 75 Prozent kommen nur wegen der legendären Stelzen und Biere. Apropos Biere: Das Haus gilt als größte und beste Budweiser-Ausschank der Welt. Warum? Alleine die Art und Weise, wie hier Bier eingeschenkt wird, lässt jeden Hopfentee-Aficionado das Wasser im Munde zusammenlaufen. So wird gezapft: erst aus Zapfhähnen, die eher einen weißen Sprühregen als einen goldgelben Strahl ins Bierglas ergießen lassen, dann aus solchen, die weniger Schaum und mehr Bier ins Glas bringen, und schließlich das Finish, bei dem im letzten Zapfschritt die Schaumkrone prächtig aus dem Glas gehoben wird. Es ist, und da sind sich sämtliche Bierkritiker einig, das am schönsten gezapfte Bier Österreichs. Gerade so mild, dass keine groben Kohlensäure-Perlen stören und kein schaler Geschmack aufkommt. Es ist immer wieder schön mitzuerleben, wie beim ersten Schluck eines Schweizerhaus-Groupies die Mundwinkel bereits währenddessen zu einem genussvollen, breiten Grinsen nach oben wandern. Zahlen über die täglichen Mengen, die da über den Tresen wandern, rückt man allerdings nicht heraus: „Wir sind ein wetterabhängiger Betrieb und haben große Schwankungen. An einem schlechten Tag fällt man schon einmal auf 20 Prozent des normalen Umsatzes.“ Rückt man da einmal Zahlen heraus, dann muss man sie immer veröffentlichen. Und dann werde es laut Kolarik schwierig, ein Plus von 20 Prozent und im nächsten Jahr ein Minus von 30 Prozent zu erklären. „Das kann man ganz einfach nicht kommunizieren.“
Karl Kolarik sen. hat 1926 das Budweiser-Bier in Tschechien für sich und sein Schweizerhaus entdeckt und wurde so auch Budweiser-Generalimporteur für Österreich. Direkt aus der Brauerei Budweiser Budvar kommt es in den großen, kühlen Bierkeller des Schweizerhauses. Dort lagern bis zu 600 50-Liter-Fässer in aller Ruhe, was die ohnehin sehr hohe Qualität des Budweiser zusätzlich verbessert. „Ich war schon als Kind jeden Tag im Betrieb und bin daher so gesehen regelrecht hineingewachsen. Ich habe an der Bierschank gezapft und mir durch den Verkauf von Salzstangerln und Brezen das Taschengeld aufgebessert“, erinnert sich Kolarik an seine Anfänge im Business. Und so ist es auch heute noch. Es ist zu jeder Zeit Familie im Betrieb anwesend. „Das ist wahrscheinlich auch seit jeher unser Erfolgsgeheimnis.“ Zum einen spüre der Gast laut Kolarik den Familien-Spirit, aber auch die Mitarbeiter würden sich viel mehr ins Zeug legen. „Man arbeitet doch letztendlich mit Menschen und für Menschen. Ist man nicht da, spürt das auch der Gast!“
Das Imperium
Seit 1920 betreiben die Kolariks das Schweizerhaus als Familienbetrieb. Das Geschwisterpaar Lydia und Karl Jan sowie dessen Ehefrau Johanna Kolarik führen das Traditionsunternehmen heute in zweiter Generation. Seit 1986 ist Karl Jan Kolarik Geschäftsführer des Schweizerhauses. Er hält zwei Drittel und seine Schwester Lydia hält ein Drittel der Anteile am Schweizerhaus.
Neben dem Schweizerhaus ist Karl Jan Kolarik mit 26 Prozent am Getränkegroßhandel Kolarik & Leeb GmbH beteiligt. Nicht im Unternehmensbereich befindet sich die Kolariks Freizeitbetriebe GmbH. Diese gehört Elisabeth Kolarik, der jüngsten Schwester von Karl Jan und Lydia Kolarik. Tochter Regina und Sohn Karl Hans, die Kinder von Karl Jan und Johanna, sind bereits aktiv ins Unternehmen eingebunden und arbeiten als Next Generation im elterlichen Betrieb. Die älteste Tochter Katharina hat einen Weg abseits der Gastronomie eingeschlagen.
Fleißige Arbeitsbienen
Die Kellner im Schweizerhaus zählen zu einer ganz speziellen Sorte. Quasi Eier legende Wollmilchsäue am Fließband. Die herrlich Schmäh führenden Wunschträume eines jeden Gastronomen. Und Gastes, wohlgemerkt, denn noch bevor man hier bestellt hat, ahnen die Charmebolzen bereits,
wie viel man trinken wird.
Das simple, aber effektive Prinzip: Man fragt nicht, ob jemand ein Bier will. Man hat schon eines mit. Bis zu 20 Krügerl können die Kellner auf einem Tablett hochstemmen und ihre Last dann durch die dürstende Menge balancieren. Wer hier bestehen will, braucht die Kraft eines Gewichthebers und die Ausdauer eines Marathonläufers. Dafür ist die Entlohnung entsprechend hoch. Die Kellner bekommen 10,5 Prozent Bedienungsentgelt, wobei de facto 9,5 Prozent vom Nettoumsatz übrig bleiben. „Die sogenannte Garantie-Entlohnung wurde allerdings gerade jetzt im Wiener Kollektivvertrag für das Gastgewerbe per 1. Mai geändert. Auf etwas höhere Fixlöhne, aber ohne Bedienungsentgelt. Das betrifft natürlich auch unsere Kellner, aber wir werden auch in Zukunft unseren Mitarbeitern im Service einen zusätzlichen, umsatzabhängigen Bonus bieten“, ist Kolarik nach wie vor von seinem System überzeugt. Die Auswahl der Mitarbeiter überlässt Kolarik Abteilungs- und Restaurantleitern, meist ist aber jemand aus der Familie mit dabei. Nur Schlüsselpositionen rekrutiert er selbst.
Die Lagerfläche des Bierkellers umfasst 145 Quadratmeter.
Auch wenn es dem durchschnittlichen Gast nicht auffällt, Karl Kolarik steckt viel Zeit und Liebe fürs Detail in seinen Betrieb. So wurde beispielsweise über Jahre hinweg nach den richtigen Sitzgelegenheiten gesucht. „Sitzen ist nun einmal wichtig. Und die klassischen Biergartensessel waren mir ganz einfach zu unbequem.“ Darum machte sich Kolarik daran, einen eigenen Schweizerhaus-Sessel zu entwickeln. Auch die Sitzbänke im Innenbereich haben eine eigene geschwungene Form, die sich perfekt dem Kreuz anpasst. Der Gast merkt das vielleicht nicht direkt, aber er bekommt es unterbewusst mit. Ebenso wie die Speisekarte. Denn natürlich ordert der Großteil Stelze und Bier. Doch muss sich das restliche Angebot nicht verstecken. „Wir gehen vor allem in unserer Wochenkarte sehr auf die Saison ein. Es ist sogar zu so etwas wie einem Hobby von uns geworden, auch hier ein abwechslungsreiches Angebot zu schaffen“, sagt Kolarik über Variation abseits von Stelze und Co. Da manche Gäste vier Mal pro Woche vorbeischauen, macht diese Bandbreite auch durchaus Sinn.
Ob der umtriebige Gastronom ebenso wie Kolarik sen. bis 90 im Betrieb sein will? „Nein. Ich habe Gott sei Dank auch andere Interessen und meine Kinder stehen schon in den Startlöchern.“ Doch vorerst wartet noch ein anderes Projekt. Am Rand des Praters soll eine neue Gastronomie mit spannendem Konzept entstehen. Details verrät er noch keine, aber eines ist fix: „Es wird definitiv kein zweites Schweizerhaus werden. Das gibt’s nur einmal und funktioniert auch nur hier.“