Herr Fehling bittet zu Tisch!
Es ist der Heilige Gral der Spitzengastronomie, der feuchte Traum jedes Restaurateurs und ähnlich vorstellbar wie ein TV-Auftritt von Gordon Ramsay ohne das Wort f***: Geld verdienen mit 3-Sterne-Küche. Also nicht eben so knapp an Peter Zwegats realen Kollegen vorbeischrammen, die Kohle mit veritablen TV-Gastauftritten zu lukrieren oder als umwegsrentabler Appendix eines Hotelkonzerns ein finanzielles Schattendasein führen. Sondern souverän Geld verdienen in einem Ausmaß, dass Angestellte, der Verpächter, die Lieferanten und schlussendlich der Chef selbst auch am Ende des Monats ausbezahlt werden können.
Da das aber bis dato eben noch der Heilige Gral ist, also eine nicht bewiesene Tatsache, gleicht die Aussage von Kevin Fehling auf den ersten Blick einem Kreuzzug des Don Quijote gegen die Windmühlen: „Mit The Table werde ich konzeptionelle Maßstäbe für Deutschland setzen: Ein wirtschaftlich rentables Restaurant leiten mit dem Ziel, wieder drei Sterne zu führen.“ Ja, klein können andere. Fehling, Baujahr 1977, ballert gerne markige Sprüche raus – und meint sie vollkommen ernst. Früher war da mal vielleicht auch ein bisschen jugendlicher Leichtsinn dafür verantwortlich, aber schon immer das eher unumstößliche Selbstvertrauen des gebürtigen Delmenhorsters. Mit 17 Jahren verlautbarte er, eines Tages den Stern vom Guide Michelin haben zu werden. In die Hose gemacht hat er sich trotzdem, dass es nicht funktionieren könnte. Geglaubt hat er aber immer daran. Heute sind es drei.
Und seit dem 1. August dieses Jahres will Fehling sich selbst – und, wie man annehmen darf, jenen, die an ihm zweifeln – etwas beweisen. Der Jüngste aus der Gilde der elf Höchstbesternten Deutschlands will zeigen, dass Sternegastronomie nicht In-Schönheit-Sterben sein muss, sondern durchwegs wirtschaftlich sinnvoll laufen kann. Fehling als der Heilsbringer der modernen Sternegastronomie im deutschsprachigen Raum. Kann das funktionieren?
Gastro, Geld und Gerüchte
Das Gourmetrestaurant La Belle Epoque im Columbia Hotel Casino Travemünde war in den vergangenen zehn Jahren die Wirkungsstätte von Kevin Fehling. Die Küche, in der er seine Kompetenzen als Kreativgenie, als feingeistiger Künstler am Teller ausprobieren und -leben konnte. Drei bis vier Stunden am Tag verbrachte er damit an neuen Rezepten zu feilen – wenn man bedenkt, dass eines seiner Gerichte mitunter mehr als 20 Einzelrezepte benötigt, erklärt sich diese Zeit von selbst. Es war der Ort, der ihm erlaubte, an seiner Handschrift zu verfeinern, bis er in die höchsten Weihen der Guides aufgestiegen war. Es war aber auch der Ort, der ihm erlaubte, die monetäre Seite des Business weitgehend auszublenden.
In der Sendung von Spiegel-TV im Juni mit dem Titel „Spitzenköche zwischen Genie und Pleite“ erklärt der Hoteldirektor des Hotels Columbia in Travemünde, Fehlings früherer Arbeitgeber, dass das La Belle Epoque im Jahr ein Minus in sechsstelliger Höhe mache. Mit seinem eigenen Restaurant The Table in der Hamburger Hafencity soll die Trendwende folgen und gleichzeitig ein zukunftsweisendes Ideal der landesweiten Gourmetschiene entstehen. Ohne reichen Investor in Gestalt eines hanseatischen Reeders. Fehling stemmt alle Investitionen alleine. Klassisch eben.
Gespart und dann mit diesem neuen Businessplan und dem Konzept zu The Table zur Bank und den Rest des Geldes auf Pump geholt. Glauben tun ihm das die wenigsten. Verständlich, in Anbetracht der gesamtdeutschen Situation: Kaum einer der spitzengerankten Köche hat keinen finanzstarken Mäzen. Keineswegs verwerflich, bedenkt man die Kosten, die ein Restaurant, das auf dem Level kocht, anhäuft. Thomas Bühner und Ex-RWE-Chef Jürgen Großmann sind seit Jahren Partner, Tantris-Gründer Fritz Eichbauer hält auch nicht hinterm Berg, wenn er meint, dass er sich mittlerweile von dem Geld, das er in das legendäre Restaurant gesteckt habe, ein Schloss hätte kaufen können.
Das amerikanisch-asiatische Prinzip einer Hotelkette, die sich ein Sternerestaurant als Fliegenfänger für potente und potenzielle Gäste hält, löst sich in letzter Zeit ebenfalls auf. Die A-Rosa-Gruppe verabschiedete sich erst im letzten Jahr von allen Sternerestaurants der Kette. Einzig die Althoff Collection und Heiner Finkbeiner mit der Traube Tonbach leisten sich diesen Luxus auf breiter Basis. Das Hauptargument für die Wegrationalisierung: Die Gäste bleiben aus, die wollen sich ein Essen für rund 200 Euro, ohne Weinbegleitung, versteht sich, nicht mehr leisten.
Was im krassen Gegensatz steht zu dem neuen Qualitätsbewusstsein und der höheren Preisflexibilität der Menschen gegenüber Nahrungsmitteln. Denn wer, wenn nicht die Elite der Köche, verwendet exzeptionelle Produkte von geprüften Herstellern und Lieferanten? Doch geht die Angst vor der Etikette in der Hipster-Bewegung um. Die Vorstellung eines mit drei Besteck-Sets eingedeckten weißen Tisches um die livrierte hochnäsige Maître scharwenzeln und bei jedem Lachen ihren Mund verziehen, hält sich hartnäckig. Single-Produkt-Retro-Läden hingegen scheinen den Zeitgeist zu treffen.
Plan B? Habe ich keinen. Ich verschwende keine Gedanken an Dinge, die nicht passieren werden.
Kevin Fehling auf die Frage nach einem möglichen Scheitern seines Restaurants
Und nun Kevin Fehling. Nimmt seine Eier in die Hand, proklamiert ein neues Zeitalter und eröffnet ein designiertes 3-Sterne-Restaurant. Weil er davon überzeugt ist, dass seine Idee keine Kopfgeburt ist. Das simple Prinzip des The Table: „Die Sterne liegen am Teller.“ Sprich, das, was den Gast umgibt, hat nichts mit Stock-im-Hintern zu tun. Kulinarisches Entertainment für den Gast in einer legeren Umgebung mit Servicepersonal unter der Führung eines Kalibers wie David Eitel, das um den namensgebenden Tisch agiert.
Die etwa sechs Meter hohen Wände des neu aufgezogenen Backstein-Eckhauses in der Shanghaiallee 15 blieben in Rohbeton-Optik, die Decke ist lediglich wegen der Akustik mit Rochenflügel-Lookalike-Filzquadraten in unterschiedlichen Abstufungen von Grau stellenweise bedeckt. Während diese meterhoch über den Gästen schweben, durchbrechen die schlichten schwarzen Leuchten die an moderne Kunst grenzende Schallmauer und beleuchten dimmbar den Tisch. Alles schlicht, unaufdringlich – aber mit Stil, der….
Es ist der Heilige Gral der Spitzengastronomie, der feuchte Traum jedes Restaurateurs und ähnlich vorstellbar wie ein TV-Auftritt von Gordon Ramsay ohne das Wort f***: Geld verdienen mit 3-Sterne-Küche. Also nicht eben so knapp an Peter Zwegats realen Kollegen vorbeischrammen, die Kohle mit veritablen TV-Gastauftritten zu lukrieren oder als umwegsrentabler Appendix eines Hotelkonzerns ein finanzielles Schattendasein führen. Sondern souverän Geld verdienen in einem Ausmaß, dass Angestellte, der Verpächter, die Lieferanten und schlussendlich der Chef selbst auch am Ende des Monats ausbezahlt werden können.
Da das aber bis dato eben noch der Heilige Gral ist, also eine nicht bewiesene Tatsache, gleicht die Aussage von Kevin Fehling auf den ersten Blick einem Kreuzzug des Don Quijote gegen die Windmühlen: „Mit The Table werde ich konzeptionelle Maßstäbe für Deutschland setzen: Ein wirtschaftlich rentables Restaurant leiten mit dem Ziel, wieder drei Sterne zu führen.“ Ja, klein können andere. Fehling, Baujahr 1977, ballert gerne markige Sprüche raus – und meint sie vollkommen ernst. Früher war da mal vielleicht auch ein bisschen jugendlicher Leichtsinn dafür verantwortlich, aber schon immer das eher unumstößliche Selbstvertrauen des gebürtigen Delmenhorsters. Mit 17 Jahren verlautbarte er, eines Tages den Stern vom Guide Michelin haben zu werden. In die Hose gemacht hat er sich trotzdem, dass es nicht funktionieren könnte. Geglaubt hat er aber immer daran. Heute sind es drei.
Und seit dem 1. August dieses Jahres will Fehling sich selbst – und, wie man annehmen darf, jenen, die an ihm zweifeln – etwas beweisen. Der Jüngste aus der Gilde der elf Höchstbesternten Deutschlands will zeigen, dass Sternegastronomie nicht In-Schönheit-Sterben sein muss, sondern durchwegs wirtschaftlich sinnvoll laufen kann. Fehling als der Heilsbringer der modernen Sternegastronomie im deutschsprachigen Raum. Kann das funktionieren?
Gastro, Geld und Gerüchte
Das Gourmetrestaurant La Belle Epoque im Columbia Hotel Casino Travemünde war in den vergangenen zehn Jahren die Wirkungsstätte von Kevin Fehling. Die Küche, in der er seine Kompetenzen als Kreativgenie, als feingeistiger Künstler am Teller ausprobieren und -leben konnte. Drei bis vier Stunden am Tag verbrachte er damit an neuen Rezepten zu feilen – wenn man bedenkt, dass eines seiner Gerichte mitunter mehr als 20 Einzelrezepte benötigt, erklärt sich diese Zeit von selbst. Es war der Ort, der ihm erlaubte, an seiner Handschrift zu verfeinern, bis er in die höchsten Weihen der Guides aufgestiegen war. Es war aber auch der Ort, der ihm erlaubte, die monetäre Seite des Business weitgehend auszublenden.
In der Sendung von Spiegel-TV im Juni mit dem Titel „Spitzenköche zwischen Genie und Pleite“ erklärt der Hoteldirektor des Hotels Columbia in Travemünde, Fehlings früherer Arbeitgeber, dass das La Belle Epoque im Jahr ein Minus in sechsstelliger Höhe mache. Mit seinem eigenen Restaurant The Table in der Hamburger Hafencity soll die Trendwende folgen und gleichzeitig ein zukunftsweisendes Ideal der landesweiten Gourmetschiene entstehen. Ohne reichen Investor in Gestalt eines hanseatischen Reeders. Fehling stemmt alle Investitionen alleine. Klassisch eben.
Gespart und dann mit diesem neuen Businessplan und dem Konzept zu The Table zur Bank und den Rest des Geldes auf Pump geholt. Glauben tun ihm das die wenigsten. Verständlich, in Anbetracht der gesamtdeutschen Situation: Kaum einer der spitzengerankten Köche hat keinen finanzstarken Mäzen. Keineswegs verwerflich, bedenkt man die Kosten, die ein Restaurant, das auf dem Level kocht, anhäuft. Thomas Bühner und Ex-RWE-Chef Jürgen Großmann sind seit Jahren Partner, Tantris-Gründer Fritz Eichbauer hält auch nicht hinterm Berg, wenn er meint, dass er sich mittlerweile von dem Geld, das er in das legendäre Restaurant gesteckt habe, ein Schloss hätte kaufen können.
Das amerikanisch-asiatische Prinzip einer Hotelkette, die sich ein Sternerestaurant als Fliegenfänger für potente und potenzielle Gäste hält, löst sich in letzter Zeit ebenfalls auf. Die A-Rosa-Gruppe verabschiedete sich erst im letzten Jahr von allen Sternerestaurants der Kette. Einzig die Althoff Collection und Heiner Finkbeiner mit der Traube Tonbach leisten sich diesen Luxus auf breiter Basis. Das Hauptargument für die Wegrationalisierung: Die Gäste bleiben aus, die wollen sich ein Essen für rund 200 Euro, ohne Weinbegleitung, versteht sich, nicht mehr leisten.
Was im krassen Gegensatz steht zu dem neuen Qualitätsbewusstsein und der höheren Preisflexibilität der Menschen gegenüber Nahrungsmitteln. Denn wer, wenn nicht die Elite der Köche, verwendet exzeptionelle Produkte von geprüften Herstellern und Lieferanten? Doch geht die Angst vor der Etikette in der Hipster-Bewegung um. Die Vorstellung eines mit drei Besteck-Sets eingedeckten weißen Tisches um die livrierte hochnäsige Maître scharwenzeln und bei jedem Lachen ihren Mund verziehen, hält sich hartnäckig. Single-Produkt-Retro-Läden hingegen scheinen den Zeitgeist zu treffen.
Plan B? Habe ich keinen. Ich verschwende keine Gedanken an Dinge, die nicht passieren werden.
Kevin Fehling auf die Frage nach einem möglichen Scheitern seines Restaurants
Und nun Kevin Fehling. Nimmt seine Eier in die Hand, proklamiert ein neues Zeitalter und eröffnet ein designiertes 3-Sterne-Restaurant. Weil er davon überzeugt ist, dass seine Idee keine Kopfgeburt ist. Das simple Prinzip des The Table: „Die Sterne liegen am Teller.“ Sprich, das, was den Gast umgibt, hat nichts mit Stock-im-Hintern zu tun. Kulinarisches Entertainment für den Gast in einer legeren Umgebung mit Servicepersonal unter der Führung eines Kalibers wie David Eitel, das um den namensgebenden Tisch agiert.
Die etwa sechs Meter hohen Wände des neu aufgezogenen Backstein-Eckhauses in der Shanghaiallee 15 blieben in Rohbeton-Optik, die Decke ist lediglich wegen der Akustik mit Rochenflügel-Lookalike-Filzquadraten in unterschiedlichen Abstufungen von Grau stellenweise bedeckt. Während diese meterhoch über den Gästen schweben, durchbrechen die schlichten schwarzen Leuchten die an moderne Kunst grenzende Schallmauer und beleuchten dimmbar den Tisch. Alles schlicht, unaufdringlich – aber mit Stil, der Understatement ausdrückt, ohne Underground zu sein.
Es sind die kleinen Dinge, die zählen, die sich im Endeffekt aber immens positiv auf die Kosten auswirken.
Kevin Fehling über altbackene Stellschrauben im Restaurantbetrieb
Der Tisch, das Herzstück des Restaurants, ist eine Sonderanfertigung, die sich in dunklem Kirschholz gehalten vor der offenen Küche und den beiden Anrichtestationen dahinschlängelt. Statt Single-Product ein Single-Table-Konzept für bis zu 20 Personen. Wobei die Form des Tisches erlaubt, dass man als Paar oder Vierergruppe dennoch ungestört den Abend verbringen kann. Mehr Gäste pro Abend als Sessel am Tisch sind nicht vorgesehen. Die Auswahl der cremefarbenen Ledersessel in Barhockerhöhe war keine leichte.
Denn das Menü mit regulär sieben Gängen um 180 Euro, die Starter und Petits Fours miteingerechnet, können es um die 18 werden, verlangt mit einer Verweildauer von etwa dreieinhalb Stunden, dass der Hintern gerne sitzen bleibt. Ist der Stuhl nicht bequem, wird der Gast das nächste Mal lieber beim Orthopäden einen Termin buchen als bei Fehling. Deswegen mehrmaliges Probesitzen für den Neo-Gastronomen vor dem Kauf.
Das Seating erfolgt in zwei Etappen beziehungsweise in zwei Gästegruppen. Die erste um 19 Uhr, die zweite um 20 Uhr. Damit ist sichergestellt, dass sich die Küche komplett und gemeinsam auf jeden Gang konzentrieren kann. Jeder Posten arbeitet für dasselbe Gericht, und zwar zur selben Zeit. Ein bereits nach drei Tagen vollkommen eingespieltes und gleichgetaktetes Uhrwerk, das dadurch mit einer unvergleichbaren Präzision seine Aufgaben erledigt.
Was allerdings auch der Tatsache geschuldet ist, dass mit Fehling fast alle tragenden Säulen und Unterbauten der La-Belle-Epoque-Küche ins Hanseatische gewechselt haben. An den beiden Anrichtestationen in unmittelbarer Nähe der Gäste erfolgt die Assemblage, erklärt wird vom Serviceteam oder auch von einem der Köche, die das letzte Finish des Ganges direkt an den bereits eingestellten Tellern vornehmen.
Doch wo genau kann Fehling nun an Kosten einsparen, was er ja muss, um rentabel zu fahren? „Es sind mitunter Kleinigkeiten. Durch die Tatsache, dass wir nur am Tresen servieren, erspare ich mir eine Person im Service. Da die Laufwege kürzer sind und niemand zwei Stunden vor dem Service Tischdecken aufbügeln muss. Das Besteck ist aus speziell legiertem Kupfer, damit es nicht anläuft – das hat zur Folge, dass keine acht Stunden die Woche, also ein ganzer 1-Mann-Tag, Silber poliert wird.“ Weitere Kleinigkeiten: Die Teller und Gläser lagern in einem Schrank unter dem Tisch auf der küchenseitig gelegenen Hälfte. Spart Tellerstapeln und Gläsertabletts.
Auch betroffen von den Einsparungen: der Weinkeller. Weil erstens kein Platz und zweitens eine Investition von 150.000 Euro, die für Fehlings Konzept nicht vonnöten ist. Im Weinschrank an einer der Wände lagert die Weinreise von David Eitel, zudem weitere ausgesuchte Flaschen.
Mut kann man nicht kaufen
So weit der Surroundsound. Doch was bietet die eigentliche Küche? Fehling mit as much feeling as Fehling can do. Sprich, dieselbe Küche, die er auch schon in Travemünde gezeigt hat. „Deutsche Perfektion, französische Tradition, spanische Avantgarde, italienische Leidenschaft, japanische Demut“, so hat er diese Küche gegenüber dem Guide Michelin einmal erklärt. Dankbar darf man sein, dass er es mittlerweile auf das leichter merkbare und griffigere Wort „weltoffen“ reduziert hat. In den ersten Wochen wird auch dasselbe Menü serviert wie in Travemünde. „Klar, da gibt es Stimmen, die sich darüber aufgeregt haben.
Aber ich bin derselbe Koch, das Team ist bis auf meinen Sous Chef (Anm.: nun Dennis Ilies) dasselbe – warum sollte es das Menü nicht auch sein dürfen?“ Ein weiterer Grund dürfte auch sein, dass Fehling von sich und seiner Leistung nichts Geringeres erwartet als wieder drei Sterne vom Guide Michelin. Die Situation ist ähnlich der von Juan Amador, der in der Vergangenheit mit seinem Restaurant ebenfalls die Location gewechselt hat. Mit im Kochtopf die Fehling’sche Signature-Garnitur „LBE“, was für La Belle Epoque steht und deren Komponenten Erdbeere, Rhabarber und Waldmeister immer wieder neu texturiert und zusammenstellt, um dann mit Kaisergranat, Ente oder Gänseleber serviert zu werden.
Derweil dürfen sie sich mit einem Dreierlei von der Jakobsmuschel zusammentun: Als leicht angebratene Jakobsmuschel mit vanillisiertem Waldmeisterfond, Rhabarberkompott und Erdbeergel, als Carpaccio von der Jakobsmuschel mit gefrorenen Waldmeisterperlen, sous-vide-gegarten Rhabarberwürfeln, Erdbeergelee, Basilikumkresse und Mandelsplitter sowie als in einem Zylinder aus Erdbeerkrokant serviertes Jakobsmuscheltatar, das unter einer Haube Waldmeister-Hollandaise versteckt ist. Große Gaumenreise in die Welt der Gewürze, handwerkliche Perfektion und feine Abstimmung in Säure, Harmonie und Durchschlagskraft inklusive.
Bei dem Gericht „Oliven mit Martiniperlen, Mandelcreme, Holunderblüte und Estragoneis“ wandelt Fehling dann auf den Spuren der spanischen Avantgarde. Unter der ölig schimmernden Haut der Olive befindet sich weiße Schokoladen-Mandel-Ganache, deren stille Süße durch das Estragoneis und das umhüllende und hauchfeine Olivengelee aufgefangen wird. Das Holunderblütengel und die Mandelcreme tun ihr Übriges dazu, dieses Dessert zu einem der herausragendsten Gerichte des Menüs zu machen.
Das Essen ist der Hauptdarsteller. Der Wein der Souffleur.
David Eitel über die Rollenverteilung im The Table
Die Frage, die sich nun stellt und deren Antwort zurzeit offenbleibt: Funktioniert die Quadratur des Kreises? Kann eine legere Umlegung einer dem Burger-Hype diametral entgegengesetzten Küche ein Erfolg werden? Und hierbei geht es nicht um die Bewertung in den Gourmetführern, die vermutlich beim Letztjahresstand bleiben wird. Denn die bringen Fehling zwar den Lorbeerkranz, aber nicht das Geld. Das müssen die Gäste am Kirschholztisch liegen lassen. Ist The Table modern und ungezwungen genug, um eine junge und noch nicht gourmetbekehrte Szene, und arriviert genug, um treue Fans der Hochküche gleichermaßen anzusprechen? Die Buchungslage im Moment ist mehr als gut und vielversprechend, da Fehling für die kommenden zwei Monate ausgebucht ist.
Ein Hype, der sich durch den bereits erarbeiteten Namen des 3-Sterne-Kochs erklären lässt. Fakt ist, dass Fehling bereit ist, neue Wege einzuschlagen, und anstatt zu jammern, sich dem anscheinenden Diktat des Niedergangs der Fine-Dine-Szene wirkungsvoll widersetzt. Wird es Neider geben, Kollegen, die sich mokieren über so viel Wagemut und Chuzpe? Bestimmt. Aber wie das so ist mit den Dingen, die es vorher nicht gegeben hat. Es wird gesagt, es geht nicht, bis einer kommt, der es trotzdem macht. Und wie beginnt die Widmung von Eckart Witzigmann für Kevin Fehling bei der Eröffnung von The Table: „Mut kann man nicht kaufen.“ Aber ihn gewinnbringend einsetzen.