JOSÉ AVILLEZ: DER BOSS IN PORTUGAL
Mit seiner dunkelschwarzen Mähne, dem grau melierten Bart und den scharf geschnittenen Gesichtszügen erinnert José Avillez an einen dieser portugiesischen Seefahrer früherer Zeiten. Jene furchtlosen Männer, die am Wendepunkt zwischen Mittelalter und Neuzeit in See stachen, um die Welt zu umsegeln und ferne Länder zu entdecken. „Ohne sie wäre die heutige portugiesische Küche nicht das, was sie ist“, sagt Portugals berühmtester Koch, „auf ihren Galeonen brachten sie Gewürze, Kräuter und viele weitere exotische Lebensmittel mit nach Hause, die bis heute die Eckpfeiler unsere Küche bilden.“
Darunter und allen voran die wohl mit Abstand portugiesischste aller Zutaten, der Stockfisch. Dieser wird bekanntlich aus Kabeljau erzeugt, den man, so das lokale Verfahren, zuerst einsalzt und danach trocknet. Das Erstaunliche daran: Noch nie ist ein Kabeljau an der Küste Portugals vorbeigeschwommen. Was das Land zum vermutlich einzigen der Welt macht, dessen Nationalgericht auf einer nicht heimischen Zutat beruht. „Historiker sagen, dass bereits die allerersten Seefahrer, die ab dem frühen 16. Jahrhundert den Atlantik in Richtung Neufundland überquerten, mit Laderäumen voll mit getrocknetem Kabeljau in die Heimat zurückkehrten“, erzählt Avillez mit jenem Stolz in der Stimme, dem man bei Portugiesen so oft begegnet, wenn sie von ihren Seefahrern erzählen.
DIE PORTUGIESISCHE KÜCHE
Mit seiner dunkelschwarzen Mähne, dem grau melierten Bart und den scharf geschnittenen Gesichtszügen erinnert José Avillez an einen dieser portugiesischen Seefahrer früherer Zeiten. Jene furchtlosen Männer, die am Wendepunkt zwischen Mittelalter und Neuzeit in See stachen, um die Welt zu umsegeln und ferne Länder zu entdecken. „Ohne sie wäre die heutige portugiesische Küche nicht das, was sie ist“, sagt Portugals berühmtester Koch, „auf ihren Galeonen brachten sie Gewürze, Kräuter und viele weitere exotische Lebensmittel mit nach Hause, die bis heute die Eckpfeiler unsere Küche bilden.“
Darunter und allen voran die wohl mit Abstand portugiesischste aller Zutaten, der Stockfisch. Dieser wird bekanntlich aus Kabeljau erzeugt, den man, so das lokale Verfahren, zuerst einsalzt und danach trocknet. Das Erstaunliche daran: Noch nie ist ein Kabeljau an der Küste Portugals vorbeigeschwommen. Was das Land zum vermutlich einzigen der Welt macht, dessen Nationalgericht auf einer nicht heimischen Zutat beruht. „Historiker sagen, dass bereits die allerersten Seefahrer, die ab dem frühen 16. Jahrhundert den Atlantik in Richtung Neufundland überquerten, mit Laderäumen voll mit getrocknetem Kabeljau in die Heimat zurückkehrten“, erzählt Avillez mit jenem Stolz in der Stimme, dem man bei Portugiesen so oft begegnet, wenn sie von ihren Seefahrern erzählen.
Der Imperator
José Avillez ist heute zweifelsfrei das kulinarische Aushängeschuld Portugals. Sein Werdegang ist beeindruckend. Nach seinem Studium in Business Communication am Instituto Superior de Comunicação Empresarial arbeitete der Ausnahmechef bei kulinarischen Superstars wie Alain Ducasse, Éric Fréchon oder in Ferran Adriàs legendärem elBulli. 2009 holte Avillez seinen ersten eigenen Michelin-Stern im Restaurante Tavares – 2014 folgte der zweite. Zwischen 2011 und 2019 eröffnete er unfassbare18 Restaurants und beschäftigt aktuell über 600 Mitarbeiter.
AVILLEZ, DER WELTENBUMMLER
Und tatsächlich haben deren Reisen nicht nur die portugiesische Küche, sondern etliche Küchen dieser Welt geprägt. Portugiesische Seefahrer und Händler waren es, die die südamerikanische Chili-Schote quer über den Erdball verbreiteten und zum beliebtesten Gewürz der Welt machten. Portugiesen waren es, die die Technik des Frittierens nach Japan brachten, wo daraus das Gericht Tempura entstand, dessen Namen sich vom lateinischen Tempora ableitet, welches wiederum auf die katholische Fastenzeit verweist. Und Portugiesen waren es erneut, die in Indien ihr Fleisch gerne in Wein und Knoblauch marinierten. Eine Zubereitung, die sie „carne em vinha de alhos“ nannten. Und aus der das indische Gericht Vindaloo hervorging.
Vieles von dem, was heute als integraler Bestandteil einer nationalen Küche gilt, stammt eigentlich von ganz woanders.
José Avillez über die Illusion von Regionalität
Mit all diesem historischen Gepäck am Rücken ist es kein Wunder, dass Avillez einen etwas anderen Bezug zu lokalen Lebensmitteln pflegt, als das die meisten seiner Kollegen in den Spitzenrestaurants dieser Welt tun. „Vieles von dem, was heute als integraler Bestandteil einer nationalen Küche gilt, stammt eigentlich von ganz woanders“, sagt der 39-Jährige, „und das betrifft bei Weitem nicht nur die portugiesische Küche. Man denke nur an eine italienische Küche ohne Tomaten, oder an eine französische ohne Kartoffeln, beides Lebensmittel, die erst nach der Entdeckung Amerikas zu uns kamen. Aber bei uns sind die Einflüsse aus Afrika, Südamerika und Asien einfach noch deutlicher.“
Und tatsächlich finden sich in der portugiesischen Küche Elemente, die anderen Europäern ziemlich exotisch erscheinen können. Wie zum Beispiel der häufige Einsatz von Chili, den man hierzulande Piri-Piri nennt. Oder die unzähligen Gerichte mit Reis, der wohl nirgendwo in Europa so alltäglich ist wie hier, mit Ausnahme von Norditalien, wo er jedoch so gut wie ausschließlich als Risotto vorkommt und nicht, wie in Portugal, in Wasser gekocht. Und vor allem der intensive Duft und Geschmack des frischen Korianders, der in anderen europäischen Küchen völlig fehlt, hier aber an den überraschendsten Orten auftaucht, wie etwa in Gerichten mit Meeresfrüchten.
DER BOSS IN PORTUGAL
Wenn die portugiesische Küche heute so stark im Trend liegt, dann ist das, so sind sich die meisten Portugiesen einig, zu einem großen Teil Avillez und seinem auch international viel beachteten Erfolg zu verdanken. Der Küchenchef selbst spielt seine Rolle dabei allerdings etwas herunter. „Wir hatten vor allem enormes Glück, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein“, sagt der Unternehmer, der inzwischen ganze 18 Lokale managt und die imposante Zahl von 620 Personen beschäftigt. „Als wir im Jahr 2011 das Restaurant Belcanto im Zentrum Lissabons eröffneten, hatte die Wirtschaftskrise in Portugal erst begonnen.
In den letzten jahren hat sich Lissabon wie ganz Portugal radikal verändert.
José Avillez über den wirtschaflichen Aufschwung seines Landes
Der Zeitpunkt für ein Fine-Dining-Restaurant schien also denkbar ungünstig. Andererseits sperrten rund um uns herum Lokale zu, viele standen zum Verkauf und wir packten die Gelegenheiten beim Schopf.“ In nur wenigen Jahren entstand im Altstadtviertel Chiado und nur wenige Schritte entfernt vom Stammhaus Belcanto – dem mit seinen zwei Sternen nach Auffassung des Guide Michelin besten Restaurant der Hauptstadt – das sogenannte Bairro Avillez. Bairro bedeutet Viertel.
Der Name ist gut gewählt, denn tatsächlich geht es um eine ganze Aneinanderreihung von Lokalen, die alle zum Reich des populären Kochs gehören. Darunter etwa ein Delikatessengeschäft, in dem man auch speisen kann. Eine Taverna, in der man einfache und urtypisch Lissaboner Gerichte wie etwa Stockfisch-Kroketten bestellt. Ein Fisch- und Meeresfrüchte-Lokal namens Pateo, wo die ganze Fülle der portugiesischen Fischküche zelebriert wird. Außerdem das Beco, eine Art Kabarett mit Live-Show und Küche. Und auch das modern peruanische Cantina Peruana, das Avillez gemeinsam mit dem peruanischen Starkoch Diego Muñoz betreibt.
Der Chiado und sein Bairro Avillez sind die Ausgehzone Nummer eins in Lissabon. Allabendlich wimmelt es nur so von einheimischen wie ausländischen Besuchern. Von einer Wirtschaftskrise ist hier, zumindest gemessen am Gästeaufkommen, in so gut wie allen Lokalen des Viertels, kaum etwas zu bemerken. „In den letzten Jahren hat sich Lissabon wie ganz Portugal radikal verändert“, bestätigt Avillez, während er von einem seiner Lokale ins nächste hirscht und dabei Gäste und Personal begrüßt, „die Krise ist seit einigen Jahren vorbei, die Touristenzahlen steigen rasant und seit Jahren. Fast scheint es so, als hätte die ganze Welt unser Land, seine Kultur und seine Küche im selben Augenblick entdeckt.“
Tatsächlich steigen die Besucherzahlen derartig, dass sich viele Lissaboner schon beschweren und besorgt sind um die Zukunft ihrer Stadt. „Es stimmt natürlich, dass die Entwicklung manchmal bedenklich erscheint“, bestätigt Avillez, „beschweren möchte ich mich aber nicht darüber. Ohne die Touristen hätten wir es nie geschafft. Ich nicht, die Firma nicht und ganz Portugal nicht. Deswegen sollte man sich nicht beschweren, sondern schleunigst nach einem Weg suchen, um diese Touristenströme auf befriedigende Weise zu steuern.“ So bräuchte die Hauptstadt beispielsweise einen möglichst baldigen Ausbau des Flughafens, der öffentlichen Verkehrsmittel, der Übernachtungsmöglichkeiten.
Er selbst habe immer gewusst, auch damals in der Krise, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis Lissabon diesen Boom erleben würde. Weswegen er auch in den schwierigsten Zeiten niemals ans Aufgeben dachte, betont Avillez, der die Herkunft seiner ausländischen Gäste sowohl im Belcanto als auch in seinen restlichen Lokalen heutzutage auf über 50 Prozent schätzt.
EIN PORTUGIESE UND SEIN SPANISCHER MEISTER
„Ich war stets der Überzeugung, dass die portugiesische Küche durch ihre Vielfalt und Einzigartigkeit so wahnsinnig viel zu bieten hat, dass es gar nicht hätte anders kommen können“, fährt der Koch fort. Dass diese Küche in ihrer traditionellen Form eine eher bäuerliche und deftige ist, in der vermeintlich weniger noble Zutaten in vielen Fällen die Hauptrolle spielen, sieht er nicht als Problem, sondern vielmehr als Herausforderung. „Von Ferran Adrià habe ich gelernt, dass eine gute Sardine das weit bessere Produkt ist als ein schlechter Hummer“, sagt Avillez, der, bevor er sich selbstständig machte, mehrere Monate in Adriàs mythischem und inzwischen geschlossenem Restaurant elBulli arbeitete.
Außerdem habe er beim spanischen Meister gelernt, dass man eine Zutat nicht nur von einer, sondern von mehreren Seiten betrachten und sie unterschiedlich interpretieren könne. „Eine frische und reife Erdbeere beispielsweise ist eine wunderbare Sache. Mann kann sie einfach so essen, in Torten oder Eiscreme verarbeiten. Aber unreif kann sie auch wundervoll sein, wenn man sie etwa in dünne Scheiben schneidet und roh isst oder einlegt. Und sie erhält noch eine zusätzliche Dimension, wenn man sie fermentiert oder sonst irgendwie haltbar macht“, sagt Avillez.
Weswegen er nicht aufhören werde, die traditionellen Gerichte der portugiesischen Küche neu zu interpretieren, abzuändern und zu ergänzen. Da fühle er sich manchmal wie einer dieser Seefahrer aus früheren Zeiten, die von jeder ihrer Reisen neue Lebensmittel mit nach Hause brachten, um Portugals Küche durch bis dahin ungewohnte und neue Ingredienzien zu bereichern, sagt der Koch und lacht.
Aus dem Archiv: Wie José Avillez Portugal auf das kulinarische Radar manövrierte