Julian Hofbauer: Der Herzblutige

Mit welchem Handicap der erst 24-jährige Shootingstar Julian Hofbauer den wohl kreativsten und härtesten Kochwettbewerb Europas gewonnen und gleichzeitig den Grundstein für die neuen JUNGEN WILDEN gelegt hat. Ein Porträt über das Posterchild der neuen Köche.
Feber 3, 2022 | Text: Lucas Palm & Johannes Stühlinger | Fotos: Julia Losbichler, Bobbys Agency, Gerd Tschebular

Überall Blut. Und zwar das von Julian Hofbauer. Und das ausgerechnet im Vor-Finale von Europas härtestem Kochwettbewerb. Da hat man doch eh nur vier Stunden Zeit, um zu beweisen, dass man der wahre JUNGE WILDE ist und dann scheint plötzlich alles aus.

Junge Wilde
Keine Zeit zu verlieren: Der 24-jährige Julian Hofbauer vom Landhaus Bacher in der Wachau ist der JUNGE WILDE 2021.

Überall Blut. Und zwar das von Julian Hofbauer. Und das ausgerechnet im Vor-Finale von Europas härtestem Kochwettbewerb. Da hat man doch eh nur vier Stunden Zeit, um zu beweisen, dass man der wahre JUNGE WILDE ist und dann scheint plötzlich alles aus.

Junge Wilde
Keine Zeit zu verlieren: Der 24-jährige Julian Hofbauer vom Landhaus Bacher in der Wachau ist der JUNGE WILDE 2021.

Drei Gänge soll der 24-Jährige doch in 240 Minuten der kritischsten Kochjury im deutschsprachigen Raum serviert haben. Und in seinem Kopf sind diese auch schon längst fix und fertig und wunderschön angerichtet: Seafood-Salat mit Algen und Tofu auf Passionsfrucht-vinaigrette. Roast Beef sous vide mit Donau-Flusskrebsen und Feigen. Schließlich als Dessert: violetten Kohlrabi mit Schokoladenkuchen, Mumbai-Curry und Kokos. Aber jetzt? Alles aus? Drama, Baby!

Mittlerweile ist ja jeder auf diesen Trip aufgestiegen und fermentiert irgendetwas.
Julian Hofbauers Begeisterung für den Nordic Cuisine-Trend hält sich in Grenzen

Was ist passiert? Man kann fast sagen, das Leben hat dem hochmotivierten Niederösterreicher auf besonders perfide Art und Weise den Mittelfinger gezeigt. Und zwar so: Fleisch. Messer. Hand dazwischen. Autsch! Ein böser, wirklich sehr böser Schnitt im linken Mittelfinger ließ den Jungkoch auf der Stelle erblassen – und setzte ob der heftigen Blutung gar die Rettungssanitäter eilig in Bewegung. Muss ein Arzt die Wunde nähen? Ist der Wettkampf schon vorbei, bevor er wirklich begonnen hat oder kann der Niederösterreicher doch weiterkochen? Eine Stunde vergeht plötzlich wie im Flug, dann entscheidet Julian Hofbauer tapfer: „Ich koch’ weiter!“

Später wird er sagen: „Das habe ich vor allem dem seelischen Beistand meines Kollegen Fabian Schasching zu verdanken.“ Der hatte sich mehr als nur kollegial um seinen Kochkumpel gekümmert. Der Rest ist heute schon Kochgeschichte: Julian qualifiziert sich trotz Handicaps für das große Finale tags darauf. Kocht dort ohne linken Mittelfinger sein Menü erneut. Beißt durch. Gibt alles. Und wird schließlich von der Jury rund um Spitzenkoch und TV-Star Stefan Marquard zum JUNGEN WILDEN 2021 gekürt. Applaus. Applaus. Aber: Wer ist dieser Julian Hofbauer, der da quasi im Blutrausch die Herzen der Jury erobert hat? Und wie hat er das gemacht? Aber alles der Reihe nach.

Von Tirol an die Algarve

Aufgewachsen ist der junge Mann in der idyllischen Marktgemeinde Mariataferl nahe Melk. Fußballbegeistert ist der Julian. Und Installateur will er werden. Also: Lehre. Aber irgendwie war dann alles anders als in seinen Träumen. Der Rasen bedeutete ihm bald nicht mehr die Welt. Und die dann doch eher ein- tönige Arbeit mit Schraubenzieher und Zange war auch nicht das Gelbe vom Ei. Da entsann sich der Halberwachsene seiner Großeltern. Die waren „sehr gute Köche“ erzählt er. Also wurde nicht lange gefackelt. Er tauschte Bohrer gegen Kochlöffel – und fing in seinem Heimatort im Hotel Schachner eine vierjährige Lehre als Koch und Kellner an. Es dauerte nicht lange, da loderte das Feuer nicht nur im Gasherd – sondern auch im Herzen des jungen Kochs.

Junge Wilde
Calamari-Buchteln mit Sauce bordelaise. Selbst jung und wild kochen? Hier lang!

Um möglichst schnell möglichst gut zu werden, war er bald auf auf Wintersaison im „Das Marent“ in Tirol. Ehe er es sich versah, stand er auch schon in der Vila Joya in Portugal in der Algarve. „In dem Zwei-Sterner kochen 27 Leute, einer besser als der andere“, schwärmt Hofbauer heute noch. Selbst brillierte er dort übrigens als Gardemanger. Doch seinem Höhenflug setzte schließlich die Pandemie ein vorläufiges Ende. Zurück nach Tirol. Hochmotiviert. Lockdown. Abwarten. Die Augen nach der nächsten Chance offenhalten. „Das war schon ermüdend“, sagt er rückblickend. Wenn er damals bloß gewusst hätte, …

Nix mit Nordic Cuisine

… dass seine nächste Station mit dem Landhaus Bacher in der Wachau eine legendäre Gourmet-Institution mit Kultstatus sein würde! „Es ist eine sehr stilsichere, aber genauso weltoffene Küche. Dort kann ich unheimlich viel lernen“, sagt Hofbauer über die Küche seines Mentors Thomas Dorfer. Genau darum geht es dem Mittzwanziger heute. Weder will er sich auf irgendwelche großen Zukunftspläne festnageln lassen, noch auf bestimmte Küchenlinien einschießen. Vielmehr möchte er von jedem Tag so viel wie möglich mitnehmen. Und das hört sich dann so an: „Diese Woche haben wir einen Pâté en croûte, also einePastete im Teigmantel, gemacht. Das war göttlich, ein echtes Meisterwerk!“ Was dabei auffällt: Die Faszination für die französische Klassik wird der Herdtüftler nicht so bald ablegen. „Nordic Cuisine finde ich natürlich cool, aber mir kommt vor, dass schon jeder auf diesen Trip aufgesprungen ist. Dass jeder irgendetwas fermentiert oder zumindest sein Fleisch in Koji-Reis einlegt.“

Übrigens: Die Sache mit der geschei- terten Fußballkarriere hat er freilich keine einzige Sekunde bereut. „Sportlich ist schließlich beides“, sagt der JUNGE WILDE und zwinkert schelmisch mit dem linken Auge. Und verletzen kann man sich auch in beiden Disziplinen, wie er nun nur zu gut weiß. Allein, Wechselspieler gibt’s in der Topküche keinen, da muss man eben durchbeißen. So wie er es getan hat, um ganz oben zu stehen.

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