Legenden: François-Pierre de la Varenne
Frankreich, 1651: Das Kochbuch „Le Cuisinier françois“ von einem Koch namens François-Pierre de La Varenne erscheint und entwickelt sich in kürzester Zeit zum gefeierten Bestseller. In einem Land, in dem die Gerichte und die Art zu kochen noch stark vom Mittelalter beeinflusst waren, revolutionierte dieser Mann die französische Cuisine. Sein Buch war der heilige Gral, eine Art Bibel für Köche und Feinschmecker seiner Zeit – und ist es heute noch. Aber alles auf Anfang.
Geboren um 1615, wahrscheinlich in Chalon-sur-Saône im Osten Frankreichs, lassen sich über die Anfänge von François-Pierre de La Varenne nur Vermutungen anstellen. Möglicherweise startete er seine Karriere als junger Mann in der Küche des königlichen Hofes in Paris. Aber sicher ist, dass er dort zu der Legende wurde, als die er bis in die Gegenwart verehrt wird.
Vordenker, Revoluzzer, Varenne
Dieser Mann prägte eine neue, einzigartige Art des Kochens. Der Grundsatz seiner Cuisine war, dass sich die Aromen der einzelnen Zutaten in den Gerichten ergänzen und harmonisch zusammenspielen sollen. Kein Geschmack soll in den Hintergrund gedrängt oder überdeckt werden. „Wenn ich Kohlsuppe esse, dann soll sie auch nach Kohl schmecken“, schrieb er in seinem Buch.
Er sprach sich auch für eine sparsame Verwendung von Gewürzen aus und fügte zu jeder Mahlzeit eine Portion Gemüse hinzu. Damit machte er einen entscheidenden Schritt weg von der Kochtradition des Mittelalters. Wenn man Erzählungen Glauben schenkt, ist auch die Kreation der allseits bekannten Béchamelsauce ihm zuzuschreiben. Vielleicht ist er nicht der Erfinder – über die Entstehung dieser Grundsauce der französischen Cuisine gibt es viele Theorien –, aber er ist es, der die Sauce aus Milch, Butter und Mehl groß gemacht hat.
Varenne hat diese neuen Maßstäbe in der französischen Kochkunst jedoch nicht alleine gesetzt, schon zu seiner Anfangszeit waren erste richtungsweisende Impulse vorhanden: Süß wurde von pikanten Geschmäcken getrennt, Gewürze wie Kardamom, Zimt und Muskat wurden von nun an für Süßspeisen verwendet. Die Zubereitung von Saucen erfolgte mit einer Mehlschwitze statt mit Bröseln.
„Le Cuisinier françois“ war die erste größere Rezeptsammlung seit über 100 Jahren. In dem Buch sind die Rezepte alphabetisch geordnet, nicht wie zuvor üblich nach Gang oder als Menüfolge. Die Texte waren im Vergleich zu anderen Kochbüchern jener Zeit charmant geschrieben und enthielten viele praktische Tipps und Tricks für die Zubereitung der Gerichte. Es war das erste Werk überhaupt, das genaue Anleitungen bot und nicht bloß eine Auflistung von Zutaten war. Das und sein zweites Buch, „Le Pâtissier françois“, zählen zu den erfolgreichsten Kochbüchern Frankreichs und sind bis heute in zahlreichen Sprachen erhältlich.
In einem Frankreich, wo die Saucen noch dünn waren und das Gemüse am Teller beiseitegeschoben wurde, legte François-Pierre de La Varenne das Fundament für die weitere Entwicklung der Haute Cuisine. So wie seine Kochkünste schon Legenden wie Marie-Antoine Carême und Auguste Escoffier inspirierten, so inspirieren sie bis heute Köche auf der ganzen Welt.