Maguy Le Coze, Königin des Big Apple
Was willst du in New York?“, hatte Gilbert Le Coze seine Schwester gefragt. „Hier gibt es keine Kräuter, kein frisches Gemüse, nichts!“ Und er hatte recht, erinnert sich die heute 79-jährige Maguy Le Coze: „Diese Stadt war 1986 eigentlich noch nicht bereit für uns.“
Was willst du in New York?“, hatte Gilbert Le Coze seine Schwester gefragt. „Hier gibt es keine Kräuter, kein frisches Gemüse, nichts!“ Und er hatte recht, erinnert sich die heute 79-jährige Maguy Le Coze: „Diese Stadt war 1986 eigentlich noch nicht bereit für uns.“
Nachdem sie ihren kleinen Bruder dann doch von ihrem amerikanischen Traum überzeugt hatte, musste sie ihren bretonischen Charme aber auch bei den irritierten Gästen im Big Apple spielen lassen: „Mit Ausnahme einiger Sushi-Restaurants gab es damals nirgends rohen Fisch. Ich musste jeden Besucher einzeln einladen, unser Thunfisch-Carpaccio doch wenigstens zu probieren.“
Raus aus der Bretagne
Aber alles der Reihe nach. Eigentlich wollte Mademoiselle Le Coze, die in einem kleinen Hotelrestaurant in der Bretagne aufgewachsen ist, Stewardess werden: „Und Gilbert wollte auf großen Containerschiffen arbeiten. Wir wollten raus aus der Abgeschiedenheit und die Welt sehen.“ Stattdessen führte sie ihr Weg als Laufstegmodel nach Paris, ehe sie über Gelegenheitsjobs in die Gastronomie zurückkehrte.
Wir hatten keine Ahnung, wie man mit einem Restaurant Geld verdient.
Maguy Le Coze über ihre Anfänge in Paris
1972 eröffneten die Geschwister – Gilbert in der Küche, Maguy im Service – die erste Version des „Le Bernardin“ mit 25 Plätzen am Seine-Ufer, später übersiedelten sie in eine größere Location in der Nähe des Triumphbogens: „Wir hatten es uns wesentlich einfacher vorgestellt. Wir hatten keine Ahnung, wie man mit einem Restaurant Geld verdient“, erzählt Maguy Le Coze: „Das bisschen, das wir bei unseren Eltern gelernt haben, war zu wenig, um in Paris bestehen zu können.“
Doch der Mut wurde belohnt und das „Le Bernardin“ 1976 erstmals mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet: „Der Zeitpunkt war günstig. Mein Bruder hatte keine formale Ausbildung. Aber als Mitte der 1970er-Jahre die Nouvelle Cousine aufkam, waren plötzlich Köche mit kreativer Vorstellungskraft gefragt, die aus der traditionell so schweren französischen Küche ausbrechen konnten.“
Ihr Hunger nach der großen, weiten Welt war aber nicht gestillt. Die perfekte Gelegenheit ergab sich, als ein namhafter Versicherungskonzern in Midtown-Manhattan einen neuen Wolkenkratzer hochzog und dringend nach einer kulinarischen Attraktion suchte.
Denn die Gegend zwischen Broadway und Rockefeller Center war ein gefährliches Pflaster und galt, aus heutiger Sicht unvorstellbar, als kulinarische Wüste. „Sie haben sogar die Tische, Stühle, Teller und Gläser für uns gekauft, einfach alles.“ Lächelnder Nachsatz: „Die Wahrheit ist: Wir sind dort hingezogen, weil die Konditionen sehr gut waren.“
Ein Jahr lang betrieben sie zwei „Le Bernardins“ auf zwei Kontinenten parallel. Dann gab Gilbert seinen inneren Widerstand auf und verkaufte das Pariser Lokal an Guy Savoy. „Mein Bruder war der erste Koch, der jeden Morgen auf den Fulton Fish Market gegangen ist , um sich die schönsten Stücke auszusuchen.“
Du musst alles ändern! Nur der rohe Fisch bleibt auf der Karte.
Maguy Le Coze zu Chef Eric Ripert
Der Traum vom Meeresfrüchte-Paradies schien 1994 allerdings über Nacht zu platzen. Gilbert erlag mit nur 49 Jahren völlig überraschend einem Herzinfarkt. Doch Maguy Le Coze fackelte trotz großer Trauer nicht lange: Sie machte einen Mitarbeiter und Freund ihres Bruders, den gebürtigen Südfranzosen Eric Rupert, kurzerhand nicht nur zum Küchenchef, sondern auch zum Mitbesitzer des „Le Bernardin“. Mit einer entscheidenden Bedingung: „Anders als Gilbert ist Eric ein bestens ausgebildeter Koch. Ich habe ihm gesagt: ‚Wir müssen jetzt dein einzigartiges Talent in den Mittelpunkt rücken und nicht andauernd an Gilbert erinnern. Also musst du alles ändern. Nur der rohe Fisch, der bleibt auf der Karte!“
Geschmäcker werden anspruchsvoller
Als der Guide Michelin 2005 erstmals in den USA erschien, erhielt das New Yorker Fischrestaurant drei Sterne und konnte diese Auszeichnung bis heute durchgehend halten. La Liste führt das „Le Bernardin“ als bestes Restaurant der Welt. „Die Karte hat ihren Charakter nie verloren“, weiß Maguy Le Coze, die als Grande Dame der New Yorker Gastrowelt im Hintergrund immer noch die Fäden zieht.
Was sich geändert hat, sagt sie, ist der Anspruch der Besucher, die für ein viergängiges Menü rund 200 Euro bezahlen: „Der Geschmack der Gäste hat sich im Lauf der vergangenen 50 Jahre sehr stark weiterentwickelt.“
Das legendäre Thunfisch Carpaccio steht nach wie vor auf der Karte. Aber heute muss niemand mehr überredet werden, es zu probieren.
MAGUY LE COZE
Ihre Eltern betrieben das kleine „Hotel de Rhuys“ in der Bretagne, als Maguy Le Coze 1944 zur Welt kam. Gemeinsam mit ihrem eineinhalb Jahre jüngeren Bruder Gilbert als Küchenchef eröffnete sie 1972 in Paris die erste Version des „Le Bernardin“, 1986 übersiedelten die beiden ihr Meeresfrüchte-Paradies nach New York. Das Drei-Stern-Lokal wird von La Liste als bestes Restaurant der Welt geführt, die Französin wurde 2013 als erste Frau mit dem James-Beard-Award als „Herausragende Restaurantbesitzerin“ geehrt.