ROLLING PIN AWARDS 2019: JOACHIM WISSLER

Als Erster löst Joachim Wissler die deutsche Küche von der französischen Haute Cuisine, seit 19 Jahren verkörpert er das Vendôme. Der Ausnahme-Koch wird zum Vorbild einer ganzen Generation.
April 15, 2019 | Text: Alexandra Polič | Fotos: Raphael Gabauer, Vendôme, Helge Kirchberger / Red Bull Hangar-7, beigestellt
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Joachim Wissler, seit 19 Jahren Patron des Vendôme, ist Koch des Jahres.

Nur langsam dringen die Sonnenstrahlen bis ins Tal vor. Erst streifen sie die Schlösser und Burgen auf den Spitzen der Hügel, dann werfen auch die Bäume kurze Schatten. Ihre Blätter bewegen sich mit dem Wind, der den Duft von Heu und das Zwitschern der Lerchen in die Wälder trägt. Auf der Schwäbischen Alb bricht der Tag an.

Historiker handeln das Mittelgebirge als Wiege der Kultur der Menschheit. Dass Joachim Wissler hier aufgewachsen ist, kann kein Zufall sein. Auf dem Engelhof, dem landwirtschaftlichen Anwesen seiner Eltern, setzt er seine ersten Schritte in die Gastronomie. Wenig ahnte er von dem, was noch kommen würde.

WISSLER: LEHRMEISTER IM VENDÔME

Er wird die Erlebnisse, Gerüche, Düfte und Farben seiner Kindheit später nutzen, um als Küchenchef Geschichte zu schreiben: „Mein Stil verknüpft die Herkunft mit allem, was ich gelernt habe.“ Er wird mit seinem Wechsel ins Vendôme im Jahr 2000 eine Jahrtausendwende in der Gastronomie einleiten. Und er wird unzählige Talente hervorbringen. Der Aufsteiger und der Pâtissier des Jahres etwa, Christoph Kunz und Marco D’Andrea – sie beide durchliefen die Schule des Meisters.

Mein Stil verknüpft Herkunft mit Erlerntem.

Joachim Wissler über seine Küchenlinie

Ein Auszug aus den Leitsätzen des Joachim Wissler: Erfahrung als der wertvollste Lohn der Arbeit und die Grundlage für Neues; Provokation als wohlkalkulierter Versuch, Menschen ihrer gewohnten Geschmackswelt zu entreißen; Purismus als das Bestreben, mit möglichst wenig eine Aussage zu treffen, die keine Frage offen lässt. Eine Frage aber drängt sich auf: Wo hat der Lehrer selbst sein Fach gelernt?

Schirmherr

Joachim Wissler wächst mit Tradition auf: in den 60ern, auf dem landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern auf der Schwäbischen Alb. Die Ausbildung zum Koch absolviert er im Kurhotel Traube im Schwarzwald. Danach wechselt er ins Hotel Weißes Rössle, später in Brenners Parkhotel nach Baden-Baden. Ab 1991 regiert er die Küche des Marcobrunn im Schloss Reinhartshausen. Vier Jahre später verleiht Michelin Wisslers Brigade den ersten Stern, kurz darauf den zweiten. Mit dem neuen Jahrtausend wird Wissler Küchenchef im Vendôme –

und zum unangefochtenen Patron des Sternehauses. Für sein Schaffen ehrt ihn Gault Millau 2003 mit dem Titel „Koch des Jahres“. Seit Jahren hält das Restaurant durchwegs Höchstwertungen: 19,5 Gault-Millau-Punkte und drei Michelin-Sterne kann sich Wissler auf die Kochfahnen heften. Das Vendôme, das mittlerweile seine Aura trägt, ist definitiv eine Reise wert.

VATER DER NEUEN DEUTSCHEN SCHULE

Den Grundstock legt das Kurhotel Traube in Baiersbronn, das Wissler in seiner Ausbildung zum ersten Mal auf die Probe stellt. An „sehr lange und harte Tage“ erinnert er sich: „Ich wusste nicht, worauf ich mich da einließ.“ Das war 1980. Eckart Witzigmann hat gerade das deutsche Küchenwunder vollbracht, der deutschen Hausmannskost den Krieg erklärt. Wissler hingegen verfeinert sein Wissen über genau diese, die traditionelle deutsche Küche – unter anderem im Hotel Weißes Rössle in Hinterzarten. Und er lernt, sie als Fundament für eine große Zukunft zu nutzen. 1995 erhält Wissler seinen ersten Titel: Der Guide Michelin verleiht dem Küchenchef den ersten Stern, nur ein Jahr später folgt der zweite.

Als die Jahreszahlen der Datumsanzeigen auf den Computern sich entgegen allen Erwartungen reibungslos von 1999 auf 2000 drehen, kommt auch für das Restaurant Vendôme im Grandhotel Schloss Bensberg die Jahrtausendwende. Joachim Wissler wird nicht nur die Leitfigur seiner Küche, sondern die einer ganzen Gastronomie-Generation. Sie nennen ihn den Vater der Neuen Deutschen Schule: Als Erster löst sich der Küchenchef von der französischen Haute Cuisine. In seinem 2010 erschienenen Kochbuch „JW4“ tauft er eine Kategorie „Neue Klassiker“. Seine Küche könnte man kaum treffender beschreiben: In originellen Kompositionen erweckt der Spitzenkoch traditionelle Produkte zu neuem Leben.

„Wenn du gut bist, kannst du Großartiges schaffen“, sagt Wissler. 2003 ernennt der Gault Millau ihn zum Koch des Jahres. Im November 2004 verleiht Michelin seiner Küche den dritten Stern. Zwei Mal führt er die Wertung der 50 BEST CHEFS Germany an. Der Koch gibt alles und noch mehr, die Branche prämiert das.

Nach 19 Jahren Arbeit strahlt das Vendôme meine Aura aus.

Joachim Wissler über seinen Einfluss als jahrzehntelanger Küchenchef

Was das Vendôme heute auszeichnet, sind Eigenschaften, die auch sein Küchenchef für sich beansprucht: Zuverlässig und beständig sei sein Restaurant. „Nach19 Jahren strahlt es meine Aura aus“, sagt er.

Der Küchenchef müsse seinem Restaurant eine Philosophie geben, eine Geschichte, einen gewissen Charakter, zitiert Frank Arnold den Spitzenkoch in seinem Buch „Der beste Rat, den ich je bekam“. Für Wissler war das übrigens: „Glück und Erfolg werden nicht über materielle Symbole wie teure Autos oder eine Villa definiert. Glück und Erfolg, das bedeutet, mitten im Leben zu stehen, mit all seinen Höhen und Tiefen.“ Er stammt von seinem Vater.

MEHR AUSDAUER UND BEHARRLICHKEIT

Erfolg, das bedeutet für den Küchenchef aber auch, Menschen mit dem, was er macht, zu bewegen und zu überzeugen. Im Vendôme trägt Wisslers Team aus Küche und Service dazu bei: „Für meine Arbeit sind das die wichtigsten Menschen. Ohne sie gäbe es keinen Erfolg. So einfach ist das.“ Seine Brigade scheint ihm Zuversicht zu geben, für das, was sich Wissler für die nächste Generation Köche wünscht. Mehr Ausdauer und Beharrlichkeit, mehr Bildung, mehr soziale Werte soll sie leben.

Der private Triumph, das sind Lebensfreude und „eine großartige Familie, die – trotz meiner Berufung – zu mir steht und mich liebt.“

Dieser Berufung möchte, ja muss der Meister aller Küchenchefs weiterhin folgen, die kulinarische Entwicklung der Gesellschaft begleiten. Dabei sei ihm seine Neugierde die größte Inspiration, denn: „Es wurde noch lange nicht alles entdeckt!“ Aber auch Erinnerungen kreieren auf Wisslers Speisekarte mitunter Gedichte. Vielleicht sind es jene aus der Kindheit auf der Schwäbischen Alb.

www.schlossbensberg.com

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