Sepp Schellhorn: Der widerspenstige Gastronom
Sepp, was machst du?“ Eine Frage, die Sepp Schellhorn wohl am häufigsten gestellt wird. Ist sie doch die Tagline jener Social Media Clips, die den Salzburger Gastronomen bekannt gemacht haben. Noch bekannter. Denn der Name Sepp Schellhorn war schon vor dessen Reels auf TikTok, YouTube und Instagram weit über Salzburgs Grenzen hinaus ein Begriff.
Sepp, was machst du?“ Eine Frage, die Sepp Schellhorn wohl am häufigsten gestellt wird. Ist sie doch die Tagline jener Social Media Clips, die den Salzburger Gastronomen bekannt gemacht haben. Noch bekannter. Denn der Name Sepp Schellhorn war schon vor dessen Reels auf TikTok, YouTube und Instagram weit über Salzburgs Grenzen hinaus ein Begriff.
Mit dem Seehof im beschaulichen Goldegg, den er vor rund drei Jahrzehnten von den Eltern übernommen hatte, hat sich der heute 57-Jährige nicht nur als Hotelier etabliert. So gelang es dem erklärten Kunstliebhaber, in seinem Haus Kulinarik mit Kultur zu verbinden. Mit Gemälden an den Wänden, mit Literaturfestivals, mit philosophischen Salongesprächen. Er machte aus dem Seehof eine „Verzauberungsanstalt“, wie er es nennt, in der „das Nichtstun perfektioniert“ wurde.
Gastgeber zu sein, bedeutet für Sepp Schellhorn eben mehr als Menschen Essen zu servieren und einen Schlafplatz zur Verfügung zu stellen: „Wir haben so viele Leute zusammengebracht, daraus hat sich so viel Neues entwickelt. Das macht mir eine große Freude.“
Politische Forderungen
Freude macht Sepp Schellhorn aber noch mehr. Seit jeher setzt er sich für die Interessen seiner Zunft ein, zehn Jahre lang etwa als Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung. Und als Abgeordneter, der für die NEOS im österreichischen Nationalrat sitzt. „Goschert“ wie er ist, wurde er in der Öffentlichkeit nach seiner Angelobung 2014 schnell zum Inbegriff eines Politikers, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt, der Tacheles redet.
Eines von Schellhorns Hauptanliegen: Der Kampf gegen den Fachkräftemangel. „Gerade in Österreich ist er zu einem großen Teil hausgemacht, weil die Mitarbeiter zu viel kosten und zu wenig verdienen. Es ist mein politisches Ziel, dass sie zehn Prozent mehr bekommen. Netto. Arbeit muss dramatisch entlastet werden.“
Zudem müssten „Inaktivitätsfallen“ beseitigt werden, wie beispielsweise die zu geringen Zuverdienstgrenzen für Menschen in Rente. Auch hätten sich die Lebensumstände sehr verändert: „Es gibt immer mehr Alleinerziehende mit Kindern. Wir brauchen daher eine flächendeckende, ganztägige Kinderbetreuung. Sieben Tage in der Woche“, sagt er.
Warum eigentlich noch Gastro?
Bleibt die Frage: Warum tut man sich zeitintensives politisches Engagement neben mehreren Gastro-Betrieben – Schellhorn führt auch den Bierführer in Goldegg, das Salzburger M32, das Angertal 1180 in Bad Hofgastein sowie das Skirestaurant Weitblick in Sportgastein – eigentlich an?
Die Antwort fällt, ganz Schellhorn-like, deutlich aus: „Weil ich verdammt nochmal die Verpflichtung verspüre, einen Beitrag dazu zu leisten, dass es in unserer Gesellschaft besser wird. Es ist sehr einfach, auf die Politik und das System zu schimpfen, mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu meinen, die sollen es doch machen. Jeder von uns kann aber einen Beitrag dazu leisten. Jeder. Und wenn er nur zur Wahl geht. Außerdem tue ich es für meine Mitarbeiter. Ich kann meinen Praxisbezug einbringen; es ist wichtig, dass der Nationalrat auch beim Berufsbild Diversität abbildet.“
JOSEF „SEPP“ SCHELLHORN
Der gebürtige Salzburger (Jahrgang 1967) übernahm mit 29, nach absolvierter Hotelfachschule und diversen Auslandsaufenthalten, den elterlichen Seehof in der Gemeinde Goldegg im Pongau, den er 2023 wiederum seinem Sohn Felix übergab. Weiter betreibt Schellhorn das M32 auf dem Salzburger Mönchsberg, das Angertal 1180 in Bad Hofgastein, das Skirestaurant Weitblick in Sportgastein sowie seit 2021 das Gasthaus zum Bierführer in seiner Heimat Goldegg. Von 2003 bis 2013 war Schellhorn Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung, seit 2014 ist er – mit Unterbrechung – Nationalratsabgeordneter der liberalen Fraktion NEOS. Für die österreichische Nationalratswahl 2024 führt er die Salzburger Landesliste der Partei als Spitzenkandidat an.
Und er ergänzt: „Meinem Beruf kann ich nachgehen, wenn ich Politikpause habe, an den Wochenenden und in den Ferienzeiten.“
Was nach einem ausgefüllten, abwechslungsreichen Leben klingt, hat allerdings seine Schattenseiten. 2021 musste Sepp Schellhorn sein politisches Mandat aus Krankheitsgründen zurücklegen. „Weil ich in der Corona-Zeit ausgebrannt bin, weil ich fertig war. Ich hatte Existenzängste. Ich wollte meine Mitarbeiter schützen, die ebenfalls aus Existenzängsten total verunsichert waren.“
„Ich bin eine Rampensau. Aber Small Talk kann ich nicht.“
Der Diagnose Burnout folgten Depressionen. Es sei 18 Monate lang „ein wilder Ritt“ gewesen, so Schellhorn. Er habe aber schließlich gelernt, „die Stellschrauben in meinem Hirn“ neu zu justieren. „Ich kann jetzt Zeichen früher erkennen, bin sensibler geworden, weiß darauf zu reagieren. Weiß meine Ressourcen anders einzusetzen.“ Dazu gehörte auch die Übergabe des Seehofs an Sohn Felix.
Ein Prozess, der zwei Jahre gedauert hat, bis er im März 2023 abgeschlossen war. Er wollte das geordnet über die Bühne bringen, erzählt Schellhorn – insbesondere mit Blick auf seine eigene Übernahme des elterlichen Betriebs vor 30 Jahren. „Mein Vater fühlte sich hinausgedrängt. Was folgte, waren zehn Jahre Generationskonflikt mit ihm. Den Fehler wollte ich bei der Übergabe an den Felix unbedingt vermeiden.“
Schutzpatron der Gasthäuser
Seit Februar 2024 sitzt Sepp Schellhorn wieder im Nationalrat. Dennoch kocht er nach wie vor selbst professionell auf. Von Donnerstag bis Sonntag steht der 57-Jährige im Gasthaus zum Bierführer, keine 100 Meter vom Seehof entfernt, in der Küche. „Ich fahre immer meine Runden. In der Früh im Winter nach Gastein, im Sommer nach Salzburg ins M32. Und am Abend bin ich dann im Bierführer.“ Ein Rhythmus, den die Saisonalität der Lokale bestimmt: „30 Prozent des Jahresumsatzes vom M32 machen wir in den Sommermonaten während der Salzburger Festspiele.
Das Weitblick und das Angertal wiederum sind klassische Winterbetriebe, der Bierführer schließlich ist ein kleines Gasthaus. Das ist eher Liebhaberei. In Zeiten der Teuerung mache ich mir nämlich große Sorgen um die Gasthäuser. Und ich bezeichne mich selbst gern als Schutzpatron der Wirtschaft.“ Nur logisch, dass Sepp Schellhorn auch käuflich ist: Man kann ihn für ein privates Dinner mieten.
Sepp@home nennt sich das Angebot, das unter dem Motto „Gaumen-Aquaplaning“ buchbar ist. Und das er launig anpreist: „Zwölfmal im Jahr komme ich zu dir nach Hause und koche für maximal 14 Personen. Du brauchst dich um nichts kümmern, weder ums Geschirr noch ums Tischtuch noch um die Gläser. Wir nehmen alles mit – und ich serviere mein Dreigangmenü.“ Nachsatz: „Und ich habe noch nie negatives Feedback bekommen.“
Social Media Star
Auch an anderer Stelle, bei der Sepp Schellhorn höchstpersönlich hinter dem Herd oder der Theke steht, passt das Feedback: In seinen Social Media Reels. 400.000 Follower allein auf Instagram wollen regelmäßig die Antwort auf die Frage „Sepp, was machst du?“ sehen. Mehr als 1000 Clips hat Pepsch, wie ein weiterer Spitzname des Gastronomen lautet, mittlerweile produziert. Clips, in denen er keine Haubenmenüs vorexerziert, sondern in wenigen Sekunden die einfachsten Rezepte erläutert – von der Eierspeis über den Kaiserschmarrn bis hin zum Espresso.
„Koch ist doch nicht geometrisch Zeichnen!“
Und das mit relativ geringem Aufwand: „Ein Freelancer kommt an einem Tag in der Woche, da machen wir dann 16 bis 20 Reels. Und eine Agentur übernimmt das Posten zum richtigen Zeitpunkt. Mehr ist da nicht.“ Statt einem Michelin-Stern halt ein Social Media Star? „Ich bin schon eine Rampensau. Aber ich hab Angst vor Menschen. Vor der Kamera, da kann ich schmähführen, das ist authentisch, so bin ich in der Küche. Aber ich bin nicht so, wenn ich im Restaurant mit 320 Leuten smalltalken muss. Small Talk kann ich nicht.“
Dass die „Rampensau“ in Social Media funktioniert, beweisen insgesamt 300 Millionen Klicks auf die „Was machst du?“-Reels – die 2022 einer Notsituation entsprungen sind: der Suche nach Mitarbeitern. Um die Reichweite zu erhöhen, entstand das erste Video, in dem er gefragt wurde, was er denn gerade mache. „Es war ein Jagatee, eigentlich als Scherz gedacht. Wir hatten dann über Nacht 1000 neue Follower, da haben wir gemerkt: das funktioniert. Seitdem habe ich keine Probleme mehr, Mitarbeiter zu finden.“ Es sei ihm wichtig, neben dem Spaß an der Arbeit die Menschen neben ihm zu zeigen. „Weil ohne meine Mitarbeiter wäre ich ein relatives Würschtl.“
Würstl. Ein Synonym dafür, wofür Sepp Schellhorn steht: Einfache Gerichte, fernab der „Streberteller“, wie er „geometrisch gezeichnete“ Speisen nennt. „Für mich schaut Gastlichkeit ganz anders aus. Sie ist für mich Wohlfühlen, Wolllust. Wie in dem Film ‚Das große Fressen‘.“ Wobei sich dort ganz viel um Fleisch dreht – ist das auch bei Schellhorn so? Sind vegane Speisen auf der Karte etwas für „Streber“? „Nein, ich habe mich da total geändert. Ich habe natürlich auch viel Fleisch gegessen.
„Aber wenn ich sehe, welche Krankheitsauswüchse täglicher Fleischkonsum bewirkt, was das mit unserer Ernährungskette aufführt, dann mache ich da freiwillig mit und biete fleischlose Speisen an.“ Die Wolllust kommt dabei keineswegs zu kurz, „man muss es nur mit Liebe, mit Herzblut machen, dann kriegt man es genau so hin, dass es schmeckt.“ Auch in Sepp Schellhorns jüngstem Kochbuch mit dem wohl wenig überraschenden Titel „Sepp, was machst du?“ finden sich Rezepte für falsche Ente oder falschen Thunfisch. „Und das hat sich immerhin schon 58.000 Mal verkauft, das ist schon ein Erfolg.“
Ein Erfolg, der so wie alle anderen auf Sepps Lebensmotto basiert: „Geht nicht gibt’s nicht. Ich habe immer alles probiert und es ist alles aufgegangen. Wenn man der Überzeugung ist, das Richtige zu tun, braucht man keine Angst zu haben.“
Was aber wäre aus Sepp Schellhorn mit dieser Einstellung geworden, wenn sein Leben ihn nicht in die Gastronomie geführt hätte? Auch darauf gibt es, wie üblich, eine klare Antwort: „Hubschrauberpilot in Kanada. Weil dort ist das Heliskiing besonders großartig.“ Ob er dann eben dort eine Skihütte aufgesperrt hätte? Er hätte es uns vermutlich über Social Media wissen lassen …