Sind sie Linientreu, van Oostenbrugge?
Die große Klassik aus Frankreich. Was hat sie Großes bewirkt in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts! Tja, das ist nun allerdings auch schon einige Dekaden her und seitdem sind jede Menge Vakuumsäckchen den Sous-vide-Strom hinuntergeschwommen und Rentier-Flechten an die Teller gewachsen. Auch wenn sie nach wie vor als Basis der gehobenen europäischen Küche gilt, kaum ein Koch – und hier lassen wir Monsieur Paul aus Collonges-au-Mont-d’Or außen vor – nennt die klassisch französische Küche als seine ureigene Kochphilosophie. Fast. Denn in einer von einem Wassergraben umgebenen Burg im Herzen von Amsterdam thront einer, der genau diesen Stil zu seiner Politik gemacht hat. Das Hotel De L’Europe gegenüber dem Muntplein direkt an der Amstel ist sein Königreich, in dem Richard van Oostenbrugge als Executive Chef zwei Restaurants, die Loungebereiche, die Private-Dining-Rooms und den herausragenden 24-Stunden-Service betreut. Gemeinsam mit seinem Stab, der dabei ungewohnt für eine aktuelle Gourmetküche wenig tätowiert ist, regiert auch sein eigenes gallisches Dorf mit dem Namen Bord’Eau. Konsequent strebt er in dem mit mittlerweile zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurant die absolutistisch beste Version der französischen Klassik an. Wer nun aber denkt, dass es sich dabei um dick im Blätterteigmantel in Fischform Überbackenes handelt, der sollte sich van Oostenbrugges Staatsstaturen zu Gemüte führen. Denn diese hat der Gastkoch des Restaurants Ikarus im Hangar-7 anders aufgestellt: Er pocht nicht auf die sture Umsetzung der damaligen Gerichte, sondern auf die wahrhaftige Einstellung, die sich die damaligen Speerspitzen der Gastronomie zu eigen gemacht haben: harte Arbeit, Perfektion und der Wunsch, jedem Produkt seinen individuell angefertigten Rahmen zu bieten, in dem es glänzen kann.
Gastkoch-Souvenir
Seezunge
Vorkommen: Die am besten schmeckende Seezunge behält gerne einen kühlen Kopf, kommt für Kenner daher aus den Fischereigebieten der Nordsee und wird als „Dover Sole“ angeboten. Im Mittel- und Südatlantik sowie im Süßwasser ist sie allerdings auch vertreten.
Charakteristika: Das augenscheinlichste Merkmal des bis zu 60 bis 70 Zentimeter langen Plattfisches ist sein „Gesicht“. Das nämlich morpht nach etwa einem Monat: Erst ein normales Fischchen mit 14 Millimetern, verwandelt sich das Jungtier zu einem am Grund lebenden Plattfisch mit einem um 90 Grad gewanderten Mund und einem linken Auge, das auf die rechte Seite wandert. Die „blinde“ Seite ist nun der Bauch und damit lässt es sich hervorragend grundeln.
Geschmack: Seezungen gelten als die edelsten Speisefische überhaupt und sind wegen ihres feinen, aber festen Fleisches mit nussig lieblichem und dezent würzigem Geschmack beliebt.
Verwendung: Seezungen lassen viele Zubereitungsarten zu. Die von Richard van Oostenbrugge ist Garen, das er für sein Gericht „Seezunge, Champignon und Gänseleber“ einsetzt.
Das Gericht zum Produkt – exklusiv aus dem Hangar-7-Gastkochmenü im September
Seezunge
Champignon und Gänseleber
Dass das nicht immer die günstigste Herangehensweise ist, wird alleine beim Blick auf die Karte und das Hangar-7-Menü deutlich: Seezunge, Gänseleber und bretonischer Hummer. Doch van Oostenbrugges Genie liegt nicht in der Verwendung hochwertiger Produkte, sondern in deren Verarbeitung. Vor allem vor einer zieht Martin Klein, der Executive Chef des Hangar-7, den Hut. Nämlich der Tomatenvinaigrette, die Richard van Oostenbrugge für „Makrele, Tomatenbouillon, Quinoa und Estragon“ ansetzt. Vollreife Tomaten werden gemeinsam mit Basilikum und ein wenig Tomatenessig püriert und das abgetropfte Tomatenwasser mit Kerbel, Knoblauch, Minze und Honig-Cocktailtomaten aufgemixt. Erneut wird abgehangen und, nein, auch jetzt ist diese Essenz nicht die Endausbaustufe. Für das perfekte Mundgefühl wird nun Xanthan beigemengt, für das intensiv-frische Aroma zudem halb getrocknete Oliventomaten, Sherryessig, Zitronensaft und reife Erdbeeren. Erst dann ist die Vinaigrette in den Augen von van Oostenbrugge würdig, in seinem Gericht eine Rolle zu spielen. Und auch wenn die Zubereitung schon einiges an Zeit kostet, bis sie an den Punkt kommt, an dem das Rezept auch wirklich zur Anwendung kommt. Manches Mal vergehen nicht nur Tage, sondern Wochen. Doch alles andere wäre in dem französischen Sonnenstaat Ketzerei.
Den Weg zu der französischen Küche fand der gebürtige Niederländer aber nicht im Mutterland des Roquefort, den er gemeinsam mit Manjari-Schokolade und Kaffee als originelles Pre Dessert in seiner harmonischen Tonalität von herb und süß serviert. Nein, die Klassik hat in der Schweiz sein kulinarisches Herz erobert und in harten Lektionen hat van Oostenbrugge gelernt, sie einzufangen und für sich zu gewinnen. Mittlerweile sind die beiden eine eingeschworene, dicht-aromatische Allianz, die trotz der Linientreue gegenüber den Vorvätern immer durch moderne Ansätze, subtile Umstellungen und innovative Genussmomente überrascht. Eine Audienz bei dem Frankreich-Botschafter ist im September in Salzburg einfach durch eine passende Reservierung zu bekommen.
Next Chef
Die Philosophie des Essens bringt keiner besser rüber als Christopher Kostow: Denn der hat das studiert, verlegte sich dann aufs autodidaktische Kochen und hat nun drei Michelin-Sterne. Das ist der American Way of Life!
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