So führte Hotelier Marco Nussbaum Prizeotels an die Spitze der deutschen Hotellerie
Vom Offizier zum Anarchotelier
Zufriedene Mitarbeiter, so das betriebswirtschaftliche Mantra unserer Zeit, sind das Fundament eines erfolgreichen Unternehmens. Doch wie es eben so ist mit Mantras: Je öfter sie wiederholt werden, umso mehr verkommen sie zu ausgehöhlten Lippenbekenntnissen. Dass es anders geht, bewies Marco Nussbaum mit seinen Prizeotels.
2009 eröffnete der charismatische Unternehmer den ersten Standort der aufstrebenden Economy-Design-Marke in Bremen – und machte in den folgenden Jahren vor, was in jedem BWL-Skriptum als Best-Practice-Beispiel Schule machen sollte: Steht der Mitarbeiter auch finanziell im Zentrum eines Unternehmens, wächst und gedeiht es irgendwie wie von selbst – gewinnbringend noch dazu. Unter Nussbaums Führung expandierte die Marke quer durch Deutschland, nach Österreich und in die Schweiz.
Da war für mich klar, dass ich mich nicht mehr für Dinge rechtfertigen will, die in meiner Welt selbstverständlich sind.
Im Jahr 2005 weiß Nussbaum: Da geht noch mehr. 2009 eröffnet schließlich das erste Prizeotel in Bremen
Vom Offizier zum Anarchotelier
Zufriedene Mitarbeiter, so das betriebswirtschaftliche Mantra unserer Zeit, sind das Fundament eines erfolgreichen Unternehmens. Doch wie es eben so ist mit Mantras: Je öfter sie wiederholt werden, umso mehr verkommen sie zu ausgehöhlten Lippenbekenntnissen. Dass es anders geht, bewies Marco Nussbaum mit seinen Prizeotels.
2009 eröffnete der charismatische Unternehmer den ersten Standort der aufstrebenden Economy-Design-Marke in Bremen – und machte in den folgenden Jahren vor, was in jedem BWL-Skriptum als Best-Practice-Beispiel Schule machen sollte: Steht der Mitarbeiter auch finanziell im Zentrum eines Unternehmens, wächst und gedeiht es irgendwie wie von selbst – gewinnbringend noch dazu. Unter Nussbaums Führung expandierte die Marke quer durch Deutschland, nach Österreich und in die Schweiz.
Da war für mich klar, dass ich mich nicht mehr für Dinge rechtfertigen will, die in meiner Welt selbstverständlich sind.
Im Jahr 2005 weiß Nussbaum: Da geht noch mehr. 2009 eröffnet schließlich das erste Prizeotel in Bremen
„People before Profit“, mit diesem Grundsatz mischte Marco Nussbaum das internationale Hotelbusiness ordentlich auf. Sager wie „Es kann nicht sein, dass die Hotellerie immer mehr Rekordjahre meldet und die Immobilien immer höher bewertet werden – und bei den Mitarbeitern kommt davon nichts an“ brachten ihm aber auch viel Kritik seiner Kollegen ein. Wer genau ist dieser Marco Nussbaum? Wie hat er es geschafft, eine Marke sowohl mit internem als auch externem Mehrwert zu etablieren? Und was kommt jetzt, nachdem er Ende des vergangenen Jahres Prizeotel verlassen hat – und neue Wege beschreitet?
Blockierende Strukturen
Angefangen hat alles in der Marine. Der gebürtige Bremer Marco Nussbaum wollte die Offizierslaufbahn einschlagen, hatte bereits die notwendigen Tests dafür absolviert. Doch die zwölf Jahre, für die er sich beim Unterschreiben des Dienstvertrags verpflichten sollte, engten den jungen Abiturienten dann doch zu sehr ein. Die Aversion gegen die Einengung autoritärer Strukturen wird Nussbaum von da an nicht nur ständig begleiten, sondern seinen späteren Lebens- und Karriereweg auch entscheidend prägen.
Wir hatten keine Meetings. wir brauchten auch keine Leute, die darauf aufpassen, dass sie irgendwelche Strukturen, Workflows und anderen Quatsch aufrechterhalten.
Auch in Sachen Mitarbeiterführung ging Prizeotel-Gründer Marco Nussbaum radikal neue Wege
Aber preschen wir nicht vor. Denn noch wählt der junge Marco den Mittelweg, entscheidet sich gegen die klassisch-strenge Offizierslaufbahn – und beginnt nach dem Grundwehrdienst als „Ordonnanz“ im Offizierscasino. „Da habe ich meine Liebe zur Hotellerie und Dienstleistung entdeckt“, erinnert sich der Hotelier. Es folgt eine Lehre als Hotelfachmann im Queens Hotel in Bremen, bei der Nussbaum durch Zufall in die Verkaufsabteilung schlittert – und damit ein erstes Gespür für Zahlen bekommt.
Bis er 34 ist, sammelt er quer durch die gesamte Bundesrepublik eine prestigeträchtige Erfahrung nach der anderen: Für Dieter Müllers Astron-Hotels lernte er die Welt der unerschöpflichen Hotellerie im Chiemgau, in München oder auch Frankfurt kennen. „Ich hatte das Glück“, so Nussbaum, „dass ich immer wunderbare Förderer hatte.
Solche nämlich, die mit sich im Reinen waren und ihre Mitarbeiter nicht kleinhalten wollten, sondern mit ihnen ihr gesamtes Wissen teilten.“ Mit 26 wird er Hoteldirektor eines Astron-Standortes in Dortmund, und als Astron 2002 an NH-Hotels verkauft wird, begleitet Nussbaum noch das Rebranding. „Es war 2005, als ich bemerkt habe: Egal, wie hoch ich komme, ich bin immer wieder blockiert von Strukturen.
Da war für mich klar, dass ich mich nicht mehr für Dinge rechtfertigen will, die in meiner Welt selbstverständlich sind.“ Nussbaum geht zurück nach Bremen, kommt zur Ruhe. Macht sich Gedanken. Zusammen mit seinem Geschäftspartner eröffnet er dort am Valentinstag 2009 das erste Prizeotel.
Ein Unternehmen als Netzwerkorganisation
Erinnern wir uns: 2009 war ein Krisenjahr. Die wirtschaftlich angeschlagene Weltlage bot Nussbaums Idee eine Bühne, die zehn Jahre zuvor wohl um einiges kleiner gewesen wäre. „Der prozentuale Bereich der Budget-Hotellerie war damals noch gering. Und der klare Vorteil ist und war ja, dass die Baukosten gering sind und man Flächenoptimierung vornehmen kann.“
Mit Ibis und Motel one gab es zwar bereits Konzepte, die in diese Richtung gingen. Doch Nussbaum wollte eben ein Budget-Hotel mit dem gewissen Chic haben – ein Budget-Design-Hotel also. Mit dem Designer Karim Rashid hatte er den perfekten Kreativpartner an seiner Seite, der, wie Nussbaum sagt, das Hotel „von oben bis unten durchdesignte“. Es sollte eben ein bisschen mehr sein als ein ausgefallener Stuhl, der da in der Lobby herumsteht. Mit zum Erfolg der Prizeotels dürfte die Harmonie, ja geradezu die Deckungsgleichheit zwischen Form und Inhalt beitragen.
Denn nicht nur die ästhetische Atmosphäre des Hotels war geprägt von unorthodoxer, vorwärtspreschender Kreativität. Genau diese wurde auch intern, also als Firmenkultur, gelebt. „Wir haben nie ein Budget geschrieben. Sondern immer aus unserem Cashflow gearbeitet. Wir hatten kaum Meetings. Nur am Anfang haben wir ab und zu gewisse Dinge während des Mittagessens besprochen. Wir wollten diese ganzen konventionellen Strukturen nicht. Wir brauchen keine Leute, die darauf aufpassen, dass sie Strukturen und irgendwelche Workflows aufrechterhalten.
Was habe ich von einem Mitarbeiter, der sich nur ein WG-Zimmer am Stadtrand leisten kann und morgens um 4.45 Uhr aufstehen muss, um quer durch Hamburg zu fahren und dann völlig erschöpft den Arbeitstag zu beginnen? Das ist doch ein Irrsinn!
Deswegen erhöhte Marco Nussbaum für alle Prizeotel-Azubis die Löhne – und erntete dafür von seinen Kollegen nicht nur Sympathie
Wir brauchen aber Leute, die das Produkt und die Qualität ihrer Dienstleistung in den Mittelpunkt stellen. Und nicht diesen ganzen anderen Quatsch.“ Nussbaum spricht von „einzelnen Fachbereichen, die auf horizontaler Ebene miteinander verbunden sind“, und nennt die Prizeotels unter seiner Führung eine „Netzwerkorganisation, in der man voneinander lernt und wo wir uns auch immer selbst infrage stellen“.
Das führte mitunter auch so weit, dass Lehrlinge ihrem CEO vorrechneten, dass sie von ihrem Gehalt nur mit großen Einschränkungen leben können. Nussbaum verdoppelte daraufhin den Lohn für alle Azubis, denn: „Was habe ich von einem Mitarbeiter, der sich nur ein WG-Zimmer am Stadtrand leisten kann und morgens um 4.45 Uhr aufstehen muss, um quer durch Hamburg zu fahren und dann völlig erschöpft den Arbeitstag zu beginnen? Das ist doch ein Irrsinn! Da ging’s mir nicht um PR, sondern um den Menschen.“
Im Oktober 2019 kaufte der Hotelkonzern Radisson alle verbliebenen Anteile von Prizeotel auf, nachdem er drei Jahre zuvor bereits 49 Prozent davon erworben hatte. Beide Verkaufsstufen bereut Nussbaum bis heute nicht. Denn für die Marke und die Expansion sei es wichtig, vielleicht auch fast schon notwendig gewesen. Doch der Freiheitsliebende, der sich eben für nichts rechtfertigen will, was für ihn selbstverständlich ist, fühlte sich dadurch eben doch wieder eingeschränkt – und ging den einzigen logischen Schritt.
Seit Ende 2020 ist er draußen. An der Ostsee hat Nussbaum eine kleine Pension gekauft, die er gerade umbaut. „Das ist schön, das macht mir Spaß.“ Und doch: Für die Zukunft kann er nicht anders, als Großes vorzuhaben. Von kleinen, individuellen Boutiquehotels ist da die Rede. „Ich kann ja eine Hotelbrand aufbauen, ohne dass alles durchstandardisiert ist“, so Nussbaum noch etwas kryptisch. Ob an der Ostsee oder anderswo: Frischer Wind wird mit Marco Nussbaum auch nach Prizeotel durch die deutsche Hotelbranche wehen.