Spitzenkoch Norbert Niederkofler: Drei Sterne sind ihm nicht genug!

Mit seinem „Cook the Mountain“-Regelwerk hat Norbert Niederkofler von Südtirol aus das Verständnis der gesamten alpinen Kulinarik revolu­tioniert und neu definiert. Nun erobert er damit als Multigastronom gleich noch den Rest der Welt.
Oktober 17, 2024 | Text: Lucas Palm | Fotos: Raphael Gabauer, Alex Moling, Paolo Riolzi, Luca dal Gesso, Christian Bazzo, Mattia Parodi

Nein, Norbert Niederkofler als Mann der Extreme zu bezeichnen, das wäre ein großes Missverständnis. Auch wenn das, was er in den vergangenen Jahren erreicht hat, extremer nicht sein könnte: Der gebürtige Luttacher holte 2011 als erster Koch Südtirols drei Sterne im Guide Michelin, etablierte mit seinem „Cook the Mountain“-Prinzip eine radikale Vision von regio-saisonaler Hochküche, die das weltweite Verständnis von alpiner Kulinarik neu definierte.

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Sieht die kargen Böden der dolomitischen Bergwelt als reichen Quell: Südtirols Drei-Sterne-Koch und mittlerweiliger Multigastronom Norbert Niederkofler

Nein, Norbert Niederkofler als Mann der Extreme zu bezeichnen, das wäre ein großes Missverständnis. Auch wenn das, was er in den vergangenen Jahren erreicht hat, extremer nicht sein könnte: Der gebürtige Luttacher holte 2011 als erster Koch Südtirols drei Sterne im Guide Michelin, etablierte mit seinem „Cook the Mountain“-Prinzip eine radikale Vision von regio-saisonaler Hochküche, die das weltweite Verständnis von alpiner Kulinarik neu definierte.

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Sieht die kargen Böden der dolomitischen Bergwelt als reichen Quell: Südtirols Drei-Sterne-Koch und mittlerweiliger Multigastronom Norbert Niederkofler

Und er brach im vergangenen Jahr den Rekord in der über 100-jährigen Geschichte des Guide Michelin: Nur vier Monate nach der Eröffnung bekam sein Restaurant „Atelier Moessmer“ auf Anhieb drei Sterne verliehen.

So was gab’s noch nie.

Die Sache ist aber die: Wäre Norbert Niederkofler ein Mann der Extreme, all das wäre so nie möglich gewesen. Seine Erfolge zeugen vielmehr von langem Atem. Von jahrelanger Arbeit. Von geduldiger Akribie. „Für mich war der Weg ab einem gewissen Zeitpunkt klar. Auch wenn zu Beginn viele Gäste, Journalisten und Restaurantführer eher skeptisch waren“, erinnert sich der heute 63-Jährige.

Im Jahr 2024 ist sein Ansatz aktueller denn je. So sehr, dass man von Norbert Niederkofler gar nicht mehr „nur“ von einem reinen Drei-Sterne-Koch sprechen kann. Sondern auch von einem Gastronomen, der wahrlich größere Kreise zieht.

Zitterpartie einer Neueröffnung

Und doch hat jeder Kreis einen Mittelpunkt. In Norbert Niederkoflers Falle ist dieser das bereits erwähnte Atelier Moessmer. Das ist der Kern seines Schaffens, hier brutzelt das, was man als DNA seines Tuns bezeichnen kann. Im Juli vergangenen Jahres eröffnete Niederkofler das Restaurant im malerischen Bruneck – das alleine ist eigentlich schon eine Leistung, an der manch anderer wohl gescheitert wäre.

Denn Niederkoflers ursprüngliche Heimstätte, das Restaurant St. Hubertus im Hotel Rosa Alpina in St. Kassian, wurde im März 2023 wegen Umbauarbeiten geschlossen. Quasi nahtlos ein neues Restaurant dieses Formats zu eröffnen, das verlangte selbst einem Profi wie Niederkofler einiges ab.

„Es war ein Prozess, der sich über fast zwei Jahre gezogen hat“, erinnert er sich. „Für mich war es vor allem wichtig, bis zum letzten Tag im St. Hubertus zu sein, damit ich die 29 Jahre, die ich dort gearbeitet habe, gut und sauber abschließen konnte. Das Halten der Mitarbeiter, die Koordination der Bauarbeiten, die im Oktober 2022 begonnen hatten, all das wollten wir in Ruhe über die Bühne bringen, ohne großes Aufsehen in der Presse zu erregen.

„Es gibt kein Ich. Es gibt nur ein Wir!“

Und doch war uns wichtig, den Michelin-Führer von Anfang an in diesen Prozess einzubinden, um alles klar und korrekt mit ihm abzustimmen und zu koordinieren.“ Dass Niederkofler in der ehemaligen Executive Villa der international renommierten Tuchfabrik Moessmer nun seine „Cook the Mountain“-Philosophie genauso erfolgreich wie im St. Hubertus – sprich: mit drei Sternen – weiterführt, liegt, wie er betont, „am eingespielten, dynamischen Team. Ohne das geht gar nichts.“ Überhaupt fällt im Gespräch auf: Niederkofler sagt sehr selten „ich“. Er sagt meistens „wir“. 

Mit diesem „Wir“ meint er, vereinfacht gesagt, die Mo-Food GmbH. „Das ist unsere Holding Gesellschaft, mit der wir alle unsere Projekte, Events und Restaurants steuern“, sagt Niederkofler. Da wäre beispielsweise das AlpiNN Food Space & Restaurant am Gipfel des Skigebiets Kronplatz.

Es war das erste Projekt, mit dem Niederkofler seine im St. Hubertus gewachsene „Cook The Mountain“-Philosophie nach außen brachte. „Dafür haben wir mit dem Südtiroler Designer Martino Gamper zusammengearbeitet. Seine Aufgabe war es, durch das Design im Glashaus, das auf 2240 Metern thront, die Atmosphäre eines Wohnzimmers zu schaffen“, erklärt Niederkofler.

Heute gilt das AlpiNN als eines der spektakulärsten Restaurants – und zwar weltweit. Der Blick durch die Panoramafenster auf die Südtiroler Dolomiten und das Pustertal bilden mit Niederkoflers Küche eine dermaßen spektakuläre Symbiose, dass es nicht weiter verwundert, dass sich hier auch regelmäßig die besten Köche Europas einfinden, um mit dem Hausherrn selbst Four Hand Dinners zu veranstalten.

Womit wir auch bei einem wesentlichen Element des Gastronomen Norbert Niederkofler wären: dem Austausch, der Begegnung, der Vernetzung; aber auch der Förderung.

„Mailand ist eine der schmutzigsten Städte. Das hat mich gereizt!“

Ein grüner Stern – und Prioritäten

Beginnen wir mit dem Horto in Mailand. „Es ist ein Projekt, das uns von Anfang an gereizt hat“, erinnert sich Niederkofler.  Warum? „Weil Mailand eine der am stärksten verschmutzten Städte ist. Wir wollten hier ein wirklich nachhaltiges Küchenkonzept machen. Also haben wir die sogenannte ‚Ethische Stunde‘ entwickelt und den Einkaufsradius auf eineinhalb Stunden um Mailand herum beschränkt.“

Das Ergebnis: Nur zwei Jahre nach der Eröffnung verlieh der Guide Michelin nicht nur einen, sondern zusätzlich gleich auch den Grünen Stern. „Das war, ehrlich gesagt, eine riesengroße Genugtuung: In Mailand sind wir heute, neben einem vegetarischen Restaurant, das einzige Restaurant mit einem Grünen Stern!“

Natürlich: Hört man Niederkofler über die Vielzahl seiner Projekte sprechen, wirft das unweigerlich die Frage auf, ob einem das nicht irgendwann alles über den Kopf wächst. Anhand eines Beispiels zeigt der umtriebige Koch gern, dass er einen untrüglichen Sinn für Prioritäten hat: „Ich habe drei Jahre lang für die gesamte Aman Hotel-Gruppe mehrere Projekte betreut, darunter auch das Aman New York. Mit dem Atelier Moessmer in Bruneck stand für mich aber fest: Ich will mich ausschließlich um das Atelier kümmern, das brauchte meine volle Aufmerksamkeit. Deswegen wurde die Zusammenarbeit mit Aman dann auch nicht verlängert.“

Sprich: Der Mann versteht nicht nur etwas von Sterneküchen, sondern zumindest gleich viel von Management. Dazu gehört auch, dass für Niederkofler die Förderung des Nachwuchses immer schon höchste Priorität hatte. Und genau hier setzt er mit zwei Projekten wichtige Impulse. 

Neues aus der Wüste

Einerseits durch eine Zusammenarbeit mit der Universität Bozen, wo er mit seinem Team die praktische Ausbildung des Bachelorstudiengangs für Gastronomie und Önologie in Bergregionen übernimmt. Andererseits wäre da noch sein Engagement im saudi-arabischen Stadtprojekt namens NEOM.

„2023 startete ich gemeinsam mit NEOM eine Partnerschaft, die unter dem Namen NEOM-CARE’s bekannt ist. Dabei handelt es sich um ein globales Lebensmittelprojekt zur Förderung nachhaltiger Praktiken, zur Unterstützung von Innovationen und zur Entwicklung einer neuen Generation von kulinarischen Talenten im Königreich Saudi-Arabien. Bei diesem Projekt liegt mir besonders die Akademie am Herzen“, sagt er. „Sie umfasst ein Jahresprogramm, in das mittlerweile fast 100 saudische Köche integriert sind. Dort werden unterschiedliche Aktivitäten angeboten, damit sie sich im Bereich Nachhaltigkeit kulinarisch weiterbilden können: wie zum Beispiel Masterclasses, Chefs-Camps oder Praktika.“

Was Norbert Niederkofler also in den vergangenen 30 Jahren von den Bergen Südtirols gelernt hat, das will heute die ganze Welt wissen – und die reicht in diesem Fall bis in die Wüste nach Saudi-Arabien.

Ist das der Beginn einer internationalen Jetset-Karriere, die ihn nun an alle Ecken der Welt führen wird? Das bleibt abzuwarten. Denn es gibt da ein anderes Projekt, das Niederkofler angehen möchte: „Mehr Urlaub mit der Familie“, sagt er. „Ich ­glaube, das ist das schwierigste Projekt, das ich mir bis jetzt ­vorgenommen habe. Aber auch daran arbeite ich. Schritt für Schritt.“

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Norbert Niederkofler
Nach Lehr- und Wanderjahren bei Granden wie Jörg Müller, David Bouley oder Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann, wurde Norbert Niederkofler in seiner südtirolischen Heimat Küchenchef im St. Hubertus Gourmetrestaurant im Hotel Rosa Alpina in St. Kassian. Als erstes Restaurant Südtirols wurde es 2017 mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Niederkoflers „Cook the Mountain“-Philosophie hat indessen auch Einzug in andere Gastronomieprojekte gehalten – und das weit über die Grenzen Südtirols hinaus.

norbertniederkofler.com/de

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