Walter Eselböck – Verliebt in Kochen, Harmonie und Klarheit

Taubenkobel-Chef im Interview: Obwohl Walter Eselböck 1957 in Wien geboren ist, fühlt er sich als Burgenländer aus Überzeugung. Nach seinem Schulabschluss jobbte er als Barman, als Cafétier und Disc-Jockey, bis er 1981 einen Heurigen in Rust eröffnete. Seinem Drang nach Kreativität ist es zuzuschreiben, dass Walter gemeinsam mit seiner Frau Evelyne im verschlafenen Dorf Schützen am Gebirge ein Restaurant eröffnete, das urtümliches burgenländisches Lebensgefühl mit avantgardistischen Ideen verknüpfen sollte.
November 13, 2015

Walter Eselböck sitzend und erklärend

Obwohl Walter Eselböck 1957 in Wien geboren ist, fühlt er sich als Burgenländer aus Überzeugung. Nach seinem Schulabschluss jobbte er als Barman, als Cafétier und Disc-Jockey, bis er 1981 einen Heurigen in Rust eröffnete. Seinem Drang nach Kreativität ist es zuzuschreiben, dass Walter gemeinsam mit seiner Frau Evelyne im verschlafenen Dorf Schützen am Gebirge ein Restaurant eröffnete, das urtümliches burgenländisches Lebensgefühl mit avantgardistischen Ideen verknüpfen sollte.

Der „Taubenkobel“ wurde 1984 eröffnet und entwickelte sich sehr rasch zu einem der wichtigsten und besten Restaurants des ganzen Landes. Walter Eselböck kocht unkonventionell bis unbekümmert. Vielleicht auch, weil er nie eine klassische Kochausbildung absolviert hat. Eselböck kocht auf den Teller nieder, was vorher in seinem Kopf entstanden ist. Er verdichtet

Walter Eselböck sitzend und erklärend

Obwohl Walter Eselböck 1957 in Wien geboren ist, fühlt er sich als Burgenländer aus Überzeugung. Nach seinem Schulabschluss jobbte er als Barman, als Cafétier und Disc-Jockey, bis er 1981 einen Heurigen in Rust eröffnete. Seinem Drang nach Kreativität ist es zuzuschreiben, dass Walter gemeinsam mit seiner Frau Evelyne im verschlafenen Dorf Schützen am Gebirge ein Restaurant eröffnete, das urtümliches burgenländisches Lebensgefühl mit avantgardistischen Ideen verknüpfen sollte.

Der „Taubenkobel“ wurde 1984 eröffnet und entwickelte sich sehr rasch zu einem der wichtigsten und besten Restaurants des ganzen Landes. Walter Eselböck kocht unkonventionell bis unbekümmert. Vielleicht auch, weil er nie eine klassische Kochausbildung absolviert hat. Eselböck kocht auf den Teller nieder, was vorher in seinem Kopf entstanden ist. Er verdichtet kräftige Grundprodukte – vor allem aus dem See und von den umliegenden Wiesen – zu einem Geschmacks- und Aromenkonzentrat, stellt diesem sublime Düfte von wilden Kräutern zur Seite und würzt mit einem Hauch altösterreichischer Italianitá.
Das Restaurant Taubenkobel wurde zum Stammwirtshaus vieler, die beim Essen Gaumen und Geist verwöhnen wollen.

walter eselböck im interview

RP: Wie sehen Sie als einer der Parade-gastronomen in Österreich die Aufgabe der Gastronomie?

WE: Ich möchte keine generelle Empfehlung abgeben. Das muss jeder für sich beantworten, weil jede Situation und jede Region anders ist. Das heißt, man wird im tiefen Kärnten ganz anders reagieren müssen als beispielsweise in Wien, in der Stadt und in Südburgenland anders als in Graz. Deswegen lässt sich diese Frage auch nicht mit einer Antwort beantworten. Ich finde es wichtig, dass sich die Regionen unterscheiden, dass es einen Grund gibt in die eine oder andere Region zu fahren um zu essen und zu trinken, dass es Restaurants mit Persönlichkeit gibt halte ich für einen wesentlichen Punkt. Genießen hat sehr viel mit Emotion zu tun und mit Menschen, die den Genuss – in gastronomischer Hinsicht – ermöglichen. Dabei spielen sehr viele Faktoren eine Rolle – einerseits
die Restaurants und Hotels, andererseits die Kultur, der Weinbau, das Freizeitangebot, das Klima – viele Faktoren machen eine Region erst aus, einer alleine kann da kaum etwas ausrichten.

Restaurant Taubenkobel von aussen in der dämmerung

„Gastronomie muss authentisch und mit der Region verbunden sein“

RP: Wie war für Sie der Zugang zur Küche bzw. zum Beruf des Koches? Sie sind ja ein klassischer Quereinsteiger?

WE: Ich bin eigentlich über den Genuss zum Kochen gekommen. Ich bin mindestens so gerne ein Esser, wie ein Koch. Es geht dabei um ein Glücksgefühl, welches ich als Inbegriff oder als Ziel in der Gastronomie sehe. Oft sind es die einfachsten Sachen. Tendenz zur Klarheit und zum Purismus begeistert mich zur Zeit am meisten. Aber dieses „am Punkt erstklassig zu sein“ ist wahrscheinlich auch das Schwierigste. Dieser Art von Küche, die zur Zeit eher in der zweiten oder dritten Reihe steht, tut man sehr unrecht und man wird sie verlieren, wenn man sie nicht vor den Vorhang bittet. Damit meine ich dieses klassische Kochen in den Regionen.

RP: Sie bilden auch junge Arbeitskräfte aus?

WE: Man ist letztendlich verpflichtet junge Menschen heranzuführen und ihnen zumindest die Leidenschaft zu vermitteln, was ja ein wesentlicher Punkt unserer Branche ist. Man muss gerne und bewusst in einem anderen Rhythmus leben. Denken Sie nur an die Wochenendarbeit, Arbeit am Abend, Montag, Dienstag frei – der Freundeskreis verändert sich zwangsläufig.

walter eselböck grinsend

RP: Welche Kriterien sind für Sie persönlich maßgebend bei der Aufnahme neuer Mitarbeiter?

WE: Für mich zählt Ausdauer, Leidenschaft, Hang zur Perfektion, Genauigkeit und Pünktlichkeit sowieso. Eine gewisse Form an Selbstkritik muss ebenso vorhanden sein. Menschen, die von sich aus motiviert sind und wissen was sie wollen, passen am besten in unser Team. Es ist unmöglich Mitarbeitern etwas beizubringen, wenn von vornherein eine gewisse Aversion zum Beruf da ist.

walter eselböck am tisch sitzend und stark gestikulierend

„Leihverträge für junge Köche“

RP: Wie halten Sie es mit Referenzen in den Lebensläufen?

WE: Ich habe aufgehört mir Zeugnisse anzuschauen. Im Gegenteil, wenn jemand innerhalb kürzester Zeit viele Betriebe – und seien es die besten – wechselt, ist das ein Zeichen von innerer Unausgeglichenheit. Ich glaube, dass man heute durch Interesse und Leidenschaft viel weiter kommen kann als durch Erfahrung in unterschiedlichen Betrieben. Ich bin letztendlich ja selbst ein Beispiel dafür. Ich möchte nichts schmälern, aber um ein wirklich guter Koch zu sein, genügen zwei oder drei Betriebe. Heutzutage kämpfen und bemühen sich die meisten Menschen viel zu wenig um wichtige Sachen. Dies gilt nicht nur für berufliche Belange, sondern auch für Beziehungen und im Privatbereich. Jene, die kämpfen, sind aber letztendlich die Besten. Wir leben in einer immer schnelllebigeren Zeit. [schmunzelnd] Vergleichen wir das mit dem Fußball: Leihverträge für junge Köche hätten schon etwas für sich.

RP: Leidenschaft und Perfektion dürfte aber nicht nur die Erwartungshaltung von Ihnen gegenüber Ihren Mitarbeitern sein, sondern Sie und Ihre Frau sind – sowohl privat als auch beruflich – ein leuchtendes Beispiel dafür.

Eine Frau im Weinkeller auf der Suche nach der richtigen Flasche

WE: Bei uns ist alles abgesprochen. Es gibt kaum eine Situation in der einer alleine entscheidet. Wir brauchen den Blick des anderen, der quasi als „Kritiker“ fungiert.

RP: War es auch eine gemeinsame Triebfeder, welche Sie in die Selbstständigkeit geführt hat?

WE: Ja, wir haben zu Hause einen Betrieb gehabt und hatten oft Differenzen. Und eines Tages – in der Früh um halb zwei oder drei – haben wir gemeinsam etwas ausgesprochen und das war die Selbstständigkeit. 1984 haben wir uns dazu entschlossen ein Restaurant für die Region in unserem Wohnhaus zu schaffen.

RP: Und nur wenige Jahre später waren Sie schon Gault Millau Newcomer des Jahres…

WE: Ja, das war 1989. Die ersten vier, fünf Jahre war ich nicht in der Küche, wir hatten einen Koch. Einem Gast von uns, Leiter einer Theateragentur in München, hat das Burgenland sehr gefallen. Er besuchte uns mit vielen bekannten deutschen Künstlern und Bekannten. Dieses Klientel war für uns der Eintritt in die internationale Welt. Es war damals ein wunderbares Restaurant, nur die Qualität des Essens war nicht ganz so, wie er es sich vorgestellt hat. Eines Tages – 1986/87 – besuchte ich ein Restaurant in München (Aubergine von Witzigmann) und das war für mich ein Schlüsselerlebnis. Ich habe erstmalig in der Gastronomie etwas gesehen, was mich fasziniert hat, da ich plötzlich eine Möglichkeit sah, sich selbst einzubringen, sich selbst zu identifizieren. Bislang war alles reduziert aufs Geldverdienen, es war keine emotionale Sache. Eine Philosophie in ein Unternehmen zu bringen, das habe ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht gekannt. Ich hatte Geschmack, aber keine Ahnung. Daher absolvierte ich mehrere Kochkurse,
z.B. bei Michael Reinartz. Ich war vom Ehrgeiz geplagt, habe mitgeschrieben, gefragt und aufgrund meiner fehlenden Grundkenntnisse die blödesten Fragen gestellt. Ich hatte eine Leidenschaft für das Kochen, die unheimlich war. Und bereits im Herbst 1989 haben wir die erste Haube bekommen und 1995 war ich Koch des Jahres.

eine köstliche Kreation der Küche aus dem Taubenkobel

„Ich hatte keine Grundkenntnisse, war aber vom Kochen
fasziniert und begeistert“

RP: Welche Tipps und Erkenntnisse können Sie an junge Menschen weitergeben?

WE: Was ich an junge Menschen weiter geben kann ist, dass letztendlich die Leidenschaft der einzig wirkliche Motor ist. Es nützt nichts, viel zu sehen, in tolle Betriebe zu gehen und sich dort hinterm Salat zu verstecken. Man muss Mut haben, sich trauen, aber auch Fehler machen, Lob einstecken und sich vor allem mit der Materie auseinander setzen.

RP: Spüren Sie die konjunkturell schwierige Zeit als Chef eines Spitzenbetriebes?

WE: Gott sei Dank nicht. Wir hatten voriges Jahr unser bislang bestes Jahr und können heuer daran anknüpfen. Und das ist nicht so selbstverständlich. Ich beobachte, dass Restaurants oder Gastronomiebetriebe, die unverwechselbar und einzigartig sind, das gleiche sagen wie wir.
Der Gast ist sehr sensibel. Er probiert gerne etwas anderes, aber er kommt nur zurück, wenn er nicht enttäuscht worden ist. Ein Gast erwartet ein Gesamterlebnis. Man darf nicht gierig sein und muss die Gastronomie langfristig sehen.

RP: Welche Ziele haben Sie noch?

WE: Ich habe mir damals das Ziel gesetzt der beste Koch des Burgenlands zu werden. Ich war dann bei Reisner in Forchtenstein, habe gegessen und mir gedacht: So gut koche ich nie! Das war ein Schlüsselerlebnis für mich. Es war schon ein sportlicher Anreiz für mich, die Herausforderung anzunehmen und mich selbst zum Spitzenkoch zu entwickeln.
Erfolg hat viele Bausteine und ist für mich ein sehr breit gefächertes Spektrum. Erfolg ist, wenn man Geld verdient, eine funktionierende Partnerschaft hat, Kinder hat, die in der Ausbildung und natürlich in ihrem späteren Leben etwas weiter bringen. Wenn ich auf irgendetwas verzichten müsste von dem, was ich hier aufgezählt habe, und dafür der beste Koch Europas sein dürfte, dann würde ich darauf verzichten. Erfolg auf vielen Ebenen ist entscheidend: Zufriedenheit, Gesundheit, usw. Vor zehn Jahren war es noch das Ziel der Beste zu sein, heute ist es das Ziel, harmonisch einen erstklassigen Betrieb zu führen. Wir haben seit drei Jahren so wenig Personalwechsel wie noch nie. Das ist für mich ein Hauptzeichen, dass es stimmt. Der Drang nach vorne um jeden Preis, das ist heute nicht mehr so – und das hat mit einer gewissen Selbstsicherheit und auch Eitelkeit zu tun. Jeder, der übertrieben ehrgeizig ist, ist im Grunde genommen krank.

reich verzierte tische des taubekobel in einem urigen weingewölbe in romantischer atmosphäre

RP: Wie sehen Sie die Zukunft von Taubenkobel? Sie haben ja zwei Töchter?

WE: Eine hat Klessheim absolviert und arbeitet im Moment bei uns. Die zweite besuchte die HTBLA für Kunst in Graz und studiert zur Zeit an der Ecole Hôteliére de Lausanne. Ein Generationenwechsel ist jedoch völlig offen.

walter eselböck der gastronom im gespräch

„Die exzessive Kreativität erschöpft sich, ich glaube an einen neuen Purismus“

RP: Sie erwecken für mich den Eindruck, der Marketing-Motor und -Stratege hinter dem Paradebetrieb „Taubenkobel“ zu sein. Täuscht dieser Eindruck?

WE: [schmunzelt] Manche versuchen
unseren Erfolg damit zu begründen, weil wir gut mit Medien umgehen und womöglich weil wir „fesch“ sind, was zugegebenerweise bestimmt eine Komponente des derzeitigen Zeitgeistes widerspiegelt. Das allein kann jedoch nicht der Grund sein. Wir setzen uns mit sehr vielen Dingen – auch artfremden – auseinander. Wir haben die Medien nie gesucht. Sie sind immer zu uns gekommen.
Wahrscheinlich war ich einer in der Branche, der immer etwas zu einem Thema, das gerade bewegt hat, auch etwas gesagt habe. Heute ist ein Koch herzeigbar geworden. Nicht erst seit Jamie Oliver wird der Koch selbst stärker ins Licht gerückt. Die Gastronomie als Dienstleistung sollte nicht nur als Diener verstauben.
Ich möchte als Mensch immer frei sein und bin nicht für Geld zu haben. Ich verzichte darauf Kochkurse zu machen oder Kochbücher zu schreiben.
Das spanische Kochwunder [Ferran Adriá] hat jegliche Kreativität ausgeschöpft und beantwortet. Das Wort „Kreativität“ gehört aus der Küche verbannt, gehört verboten. Und es dauert nicht mehr lange bis diese sogenannte Kreativität erschöpft ist und sich der Gast nach Geradlinigkeit sehnt. Ich glaube an die Rückkehr der Spezialisierung von Fischrestaurants, Grillrestaurants, von Backhendlstation usw. Das Puristische und Authentische wird von den Leuten honoriert.

terrrasse des taubenkobel restaurants im burgenland

Kontakt:

Restaurant Taubenkobel
Eveline und Walter Eselböck
Hauptstraße 33
A-7081 Schützen am Gebirge
Burgenland
Tel: +43/(0)2684 / 2297
Fax: +43/(0)2684 / 2297-18
Internet: www.taubenkobel.at
Email: restaurant@taubenkobel.at

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