Wie ein unangenehmer Gast die Küchen-Philosophie von Josef Floh auf den Kopf stellte
Als Josef Floh 1994 das Gasthaus seiner Eltern übernahm, galt seine Priorität einer einzigen Sache: der Weinkarte. Das klingt erst einmal seltsam. Warum sollte ein Koch, der als Küchenchef den elterlichen Betrieb übernimmt, so viel auf eine Weinkarte geben? Gibt es in einer neuen Küche etwa nicht genug zu tun?
Als Josef Floh 1994 das Gasthaus seiner Eltern übernahm, galt seine Priorität einer einzigen Sache: der Weinkarte. Das klingt erst einmal seltsam. Warum sollte ein Koch, der als Küchenchef den elterlichen Betrieb übernimmt, so viel auf eine Weinkarte geben? Gibt es in einer neuen Küche etwa nicht genug zu tun?
Die Medien feierten uns! Und dann kam dieser eine Gast.
Josef Floh über den alles entscheidenden Moment seines Lebens
„Ich hatte davor in der Residenz Heinz Winkler gearbeitet“, erklärt Floh. „Dort habe ich unglaublich viel über Wein gelernt und meine Leidenschaft für die Arbeit der Winzer entdeckt. Für mich war klar: Wenn ich den Betrieb zu Hause übernehme, muss es auch ein Ort des Weines sein.“ Innerhalb weniger Monate nach der Eröffnung brilliert der Niederösterreicher mit über 300 Positionen auf der Weinkarte. „Die Medien haben das gefeiert und Gäste aus ganz Österreich kamen nur wegen der Weine zu uns!“, erinnert sich der heute 51-Jährige.
Bei aller Euphorie blieb jedoch die Küche völlig auf der Strecke. Während der ausgebildete Koch Weine nach strengsten Kriterien aussuchte, setzte er bei den Lebensmitteln auf Massenware. Ein Widerspruch, der ihm erst durch einen penetranten Gast bewusst wurde.
„Bei jedem Gericht fragte er ganz genau nach: ‚Wo kommt das her? Und das?‘ Dann sagte er: ‚Beim Wein weiß ich ja auch, wo er herkommt und was drinnensteckt!‘“ Floh begann nachzudenken. Und während er in den darauffolgenden Nächten keinen Schlaf fand, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Dieser Gast hat recht, für Lebensmittel muss genau dasselbe gelten wie für den Wein!
Groß(artig)e Küche
Erst langsam, dann immer begeisterter fing der Bekehrte an, Bio-Bauernhöfe aus der Region aufzusuchen – und baute sich so ein einzigartiges Lieferantennetzwerk auf. In einer Zeit, in der Regionalität und Saisonalität noch lange nicht zum guten Ton gehörten, wurde Floh damit zum absoluten Vorreiter nachhaltiger Spitzengastronomie.
„Ohne die unangenehmen Fragen dieses Gastes wäre ich sicher nicht da, wo ich heute bin“, sagt Floh über den so entscheidenden Moment seines Lebens. Nicht ohne hinzuzufügen: „Der Weinkarte sei Dank!“
JOSEF FLOH
Josef Floh gilt mit seiner Gastwirtschaft im niederösterreichischen Langenlebarn als absoluter Vorreiter nachhaltiger Gastronomie. Der Sohn eines Gastronomenpaars übernahm den elterlichen Betrieb Mitte der 1990er-Jahre. Davor hatte er das Kochhandwerk in mehreren Restaurants im In- und Ausland verfeinert. 2009 gab er seinem Nachhaltigkeitskonzept den Namen „Radius 66“, wonach der größte Teil der Lebensmittel nicht weiter als 66 Kilometer von seiner Gastwirtschaft entfernt wachsen oder produziert werden darf.