Wie Fabio Giacobello Wiens berühmtesten Nobelitaliener Fabios gründete
Beim Wort Nobelitaliener kommt Fabio Giacobelli das Grauen. „Was soll das sein, ein Nobelitaliener?“, fragt der heißblütige Szenegastronom gereizt. Dass er keine Antwort erwartet, versteht sich von selbst. „Nobel, das sind für mich eine gute Salami und ein Glas Rotwein am Meer.“ Was er damit sagen will: Sein berühmt-berüchtigtes Restaurant Fabios an der Wiener Tuchlauben ist mitnichten das schnöselige Chichi-Restaurant, als das es regelmäßig in den Medien dargestellt wird.
Beim Wort Nobelitaliener kommt Fabio Giacobelli das Grauen. „Was soll das sein, ein Nobelitaliener?“, fragt der heißblütige Szenegastronom gereizt. Dass er keine Antwort erwartet, versteht sich von selbst. „Nobel, das sind für mich eine gute Salami und ein Glas Rotwein am Meer.“ Was er damit sagen will: Sein berühmt-berüchtigtes Restaurant Fabios an der Wiener Tuchlauben ist mitnichten das schnöselige Chichi-Restaurant, als das es regelmäßig in den Medien dargestellt wird.
„Alles nur in den Köpfen“, ist Giacobello überzeugt. „Wir sind ein schönes Restaurant mit weißen Tischdecken.“ So ganz kann sich der gebürtige Mailänder ein Augenzwinkern bei diesem Satz nicht verkneifen. Aber er wird schon irgendwie recht haben. Denn mit italienischer Noblesse allein hält man in der österreichischen Bundeshauptstadt nicht 19 Jahre lang die gastronomische Poleposition als „bester Italiener der Stadt“.
Und auch wenn sich im Fabios die Wiener High Society die Klinke in die Hand drückt: In erster Linie geht es hier, so banal das auch klingen mag, um „gutes Essen und guten Service“. Der
Hausherr hätte hinzufügen können, dass auch die architektonische Ästhetik seines Ladens entscheidend zum Erfolg verhalf. Wer Fabio Giacobello kennt, kann sich das aber auch selbst zusammenreimen.
Als Broker broke
Denn angefangen hat alles mit einem Architekturstudium. „Mit Architektur kann man sein Ich herüberbringen“, erklärt sich Giacobello seinen Entschluss, in Mailand die hohe Kunst des Bauens zu pauken. „Architektur verbindet man außerdem mit schönen Dingen, die einem persönlich gefallen. Und dass man mit Zeichnungen Großes bewirken kann, hat mich am allermeisten fasziniert.“ Klingt alles sehr erhaben, nur einen Haken hatte das Ganze: Ohne Fleiß und Disziplin ist ein Architekturstudium nicht machbar. „Ich war damals weder ein lernfähiger noch ein disziplinierter Mensch“, erinnert sich Giacobello. „Stattdessen habe ich die ganze Zeit dem Schönen gefrönt. Den Partys, den Frauen. Da habe ich dann etwas den Faden verloren.“
Sein Vater, ein Generaldirektor, goutierte den wilden Lebenswandel seines Sohnes gar nicht – und schmiss ihn mir nichts, dir nichts aus seiner Mailänder Wohnung. Der wilde Fabio ging nach Meran, wo er als Scheidungskind die Jugendjahre bei seiner Mutter verbracht und die Hotelfachschule gemacht hatte. In Meran bildete sich der ehemalige Student ein, Broker werden zu wollen. „Das war damals schick, wegen des ganzen Hypes um die Wall Street und so. Ich habe mit Versicherungen angefangen, dabei aber kläglich versagt.“ Also fing er an, drei Mal die Woche in einer Diskothek in Bozen zu kellnern. Aber auch das ging schief, „da wurde ich bald wieder vor die Tür gesetzt“. Also tat Giacobello das, was viele Südtiroler und Österreicher tun, wenn sie im eigenen Land vor dem Nichts stehen: Sie gehen – um nicht zu sagen: sie flüchten – nach Deutschland.
Gastronomisches Niemandsland
Für den gelernten Hotelfachmann stand jetzt fest: Er versucht es in der Gastronomie. In München arbeitete er unter anderem in Eckart Witzigmanns Aubergine, im Park Café, der Osteria, bevor er nach Hamburg ging und von dort wiederum nach Frankfurt. Bis er 30 war, eröffnete er dort mehrere Restaurants, meist Italiener oder, um das Wort trotz allem unterzubringen, Nobelitaliener, verdiente zum ersten Mal eine Menge Geld.
„Eines Tages kam plötzlich das Angebot eines Headhunters, die Cantinetta in Wien aufzusperren.“ Giacobello nimmt das Angebot – das zwar nicht berauschend, aber okay war – an, ist aber nach kurzer Zeit schon verstört. „Damals“, erinnert er sich, „war Österreich ja noch zwei Jahre vor dem EU-Beitritt, das war für mich Niemandsland. Deutschland war zu dieser Zeit gastronomisch noch einige Jahre weiter.“ Ob die Eröffnungsphase deswegen so anspruchsvoll war, sei dahingestellt. Sechs Monate lang arbeitete Giacobello sieben Tage die Woche von sechs Uhr morgens bis zwei Uhr nachts. „Geschlafen habe ich oft auf den Stühlen. Früher ging das noch.“
Das Konzept des aus Italien und der Schweiz kommenden Cantinetta schlug in Wien jedenfalls hohe Wellen: „Österreich kannte diesen Typ von Italiener damals noch nicht: Großzügig, viele Leute, das hat den Wienern schon gut gefallen.“ Die Disziplin, der Ehrgeiz, aber auch der Lernwille, der dem jugendlichen Giacobello wenige Jahre zuvor noch gefehlt hatte, bestimmten von nun an sein gesamtes Tun. So sehr, dass er sich daneben weiteren Italo-Projekten widmete, wie etwa dem A Tavola, dem Novelli oder auch dem Palais Kinsky. Für all die Intrigen und Streitereien, die damit verbunden waren, ist hier kein Platz. „Das war eine Hardcore-Zeit“, fasst Giacobello diese Jahre zusammen.
Damals herrschte ein regelrechter Wall-Street-hype. ich habe dann mit Versicherungen angefangen, aber kläglich versagt.
Fabio Giacobello über seinen Tiefpunkt, der ihn schließlich nach Deutschland führte
Aber es dürfte kein Zufall sein, dass Giacobello sich genau an den Moment erinnert, in dem er am Nachmittag des Weihnachtstages „kaputt und ausgelaugt“ auf einer Bank in den Tuchlauben sitzt, den Blick auf ein Reisebüro gerichtet, und zu seinem Freund sagt: „Das wäre doch die perfekte Ecke. Stell dir vor, hier einen Italiener zu machen. Mitten in der Wiener Innenstadt. Das wär’s.“
Letzte Zuflucht: Kühlzelle
Um vorzugreifen: Das war’s. Zwei Jahre später, nach einigem Hin und Her, bekommt Giacobello mit seinen Geschäftspartnern diese vielversprechende Räumlichkeit. Im Juni 2002 gibt es den ersten Probelauf des neu eröffneten Fabios. „Um 21 Uhr mussten wir den Laden zumachen, weil die Leute Schlange gestanden sind.“ Von Anfang an dabei: sein Küchenchef Christoph Brunnhuber.
„Ich erinnere mich, wie ein bekannter Gourmet-Kritiker ihn damals, am ersten Tag, kennenlernen wollte. Wir haben Christoph aber in der Küche nicht angetroffen. Schlussendlich war er in der Kühlzelle, stand dort mit einem Bier in der Hand und hat die Welt nicht mehr verstanden, so verrückt war das alles dort.“ Und was macht heute, nach fast 20 Jahren, den anhaltenden Erfolg des Fabios aus? Und was macht heute, nach fast 20 Jahren, den anhaltenden Erfolg des Fabios aus? „Die Zeiten sind vorbei, in denen man steif dasitzt und nur das Essen zelebriert, während man sich noch belehren lassen muss, warum zum Fisch kein Rotwein getrunken werden darf. Die Gäste sind außerdem kritischer geworden, reisen mehr, wissen, wie gute Küche im jeweiligen Land schmeckt.“
Design, gute Küche und guter Service – dass dieses Asset sich bewährt, versteht sich von selbst. Giacobello, der ehemalige Wilde und Undisziplinierte, weiß aber auch: „Wir haben uns nie auf den Lorbeeren ausgeruht. Wir sind auf dem Boden geblieben. Vielleicht sind wir deswegen immer noch ausgebucht.“