Das Geheimnis der Naturweine
Das stinkt doch wie Most! Das ist kein Wein, das ist gekippter Traubensaft! Es sind Aussagen wie diese, die den sogenannten Naturwein begleiten, seitdem er in unserer gelernt supersauberen Weinwelt Einzug gehalten hat. Und es sind Aussagen, die oft von erfahrenen Sommeliers oder von renommierten Winzern getroffen werden. Und trotzdem hat sich in den vergangenen zehn Jahren rund um diese oft so abfällig beschriebenen Weine ein regelrechter Kult gebildet.
Das stinkt doch wie Most! Das ist kein Wein, das ist gekippter Traubensaft! Es sind Aussagen wie diese, die den sogenannten Naturwein begleiten, seitdem er in unserer gelernt supersauberen Weinwelt Einzug gehalten hat. Und es sind Aussagen, die oft von erfahrenen Sommeliers oder von renommierten Winzern getroffen werden. Und trotzdem hat sich in den vergangenen zehn Jahren rund um diese oft so abfällig beschriebenen Weine ein regelrechter Kult gebildet.
Längst sind Naturweine Stammgäste in den Weinkellern der besten Restaurants der Welt. Man kann also getrost behaupten: Was von den meisten Fachleuten einst als lästiges Phänomen oder bestenfalls als irritierender Trend abgetan wurde, hat sich manifestiert. Aber was ist das Geheimnis hinter den Tropfen, die erst keiner wollte und die jetzt überall aufschlagen, wo beste Weine Thema sind?
Was ist überhaupt Naturwein?
Bevor man sich einer möglichen Antwort auf diese Frage überhaupt ernsthaft nähern kann, müssen wir zuerst einmal wissen, was denn Naturwein überhaupt ist. Ein Aspekt, bei dem das Dilemma auch schon beginnt: Es gibt keine offizielle Definition von Naturwein! Weder in Österreich noch in Deutschland konnte man sich bis dato zu einer solchen durchringen.
Das bedeutet, Winzer, Sommeliers und Enthusiasten haben in den vergangenen Jahren selbst eine Art Kategorisierung vorgenommen, die sich wiederum in viele Unterkategorien teilt. Aber in der Regel spricht man dann von Naturwein, wenn dessen Entstehung – also alles zwischen Weingarten und Flasche – mit so wenig menschlichem Zutun wie möglich geschehen ist.
Wichtig dabei zu wissen: Das hat rein gar nichts mit orange- oder maischevergorenem Weinen zu tun. „Das ist eines der größten Missverständnisse“, sagt etwa Matthias Pitra. Er gilt in Österreich als einer der Pioniere in Sachen Naturwein. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Steve Breitzke hat er vor fünf Jahren das Restaurant MAST in Wien eröffnet – seit jeher ein Mekka für Naturweinfans. Er erklärt weiter: „Orangewein ist auf Maische vergorener Wein.
Der Begriff Naturwein ist irreführend. Keine Traube würde von ganz allein zu Wein werden.
Steve Breitzke, Sommelier und gastronomischer „Bionier“
Und das kann ich auch als konventioneller Winzer machen.“ Umgekehrt aber kann ein Naturwein komplett klar und ohne überraschende Nase aus der Flasche ins Glas kommen. Sprich: Sehr viele Vorurteile, die man mit dem Begriff verbindet, sind schlichtweg falsch.
Hinzu kommt, dass die Bezeichnung Naturwein auch keine sonderlich glückliche ist, wie Pitras Kollege Breitzke betont. „Dieser Begriff ist irreführend, da keine Traube von selbst zu Wein werden würde“, so seine logische Herleitung. Es bedarf immer einer gewissen menschlichen Einflussnahme, um Wein zu bekommen. Daher spricht er lieber von „Low Intervention Wines“.
Permakultur im Weingarten: Geht das?
Aber ganz egal, wie man dazu auch sagt, am Ende geht es keineswegs nur um die Arbeit im Weinkeller, sondern um jene im Weingarten. Das betont mit Franz Strohmeier ein Naturwein-Winzer der ersten Stunde. Seine unterschiedlichen Weine werden heute in 40 Länder exportiert, sind im Noma in Kopenhagen genauso gelistet wie bei Gaggan in Bangkok oder im L’Effervescence in Tokyo.
Im Gleichklang mit einem kleinen Häufchen Gleichgesinnter hat er vor 20 Jahren seinen Betrieb in der Steiermark in Österreich auf ausschließlich biologische Interventionen umgestellt. „Damals hat eine Reise begonnen, auf der ich mich noch immer befinde“, sagt er. Das hat zum Einen damit zu tun, dass jedes Jahr von den Witterungsverhältnissen her anders ist und zum Anderen damit, dass man als Bio-Winzer einfach nie auslernen kann. „Die Natur ist so komplex, man kann nur versuchen, mit ihr in einem Austausch zu sein und darin immer besser zu werden“, sagt der „Bionier“.
„Weingärten als Permakultur zu verstehen, das ist mein Ziel als Naturwein-Winzer!“
Franz Strohmeier, Bio-Winzer der ersten Stunde
Seine wohl größte Erkenntnis ist, dass es stets darum geht, dem Weingarten nicht künstlich Energie in Form von Dünger zuzuführen, um mehr ernten zu können. „Wir müssen unseren Weingarten stattdessen so kultivieren, dass er selbst über die Kraft verfügt, ausreichend Ertrag zu erzielen“, so Strohmeier.
Aus diesem Grund wachsen in seinen Weingärten auch nicht bloß Weinreben. Stattdessen sind Obstbäume hier genauso zu finden wie Beerenstauden. Schließlich arbeitet der 53-Jährige konsequent daran, die Ideen der Permakultur in seine Weingärten zu bringen.
Also ein System zu erschaffen, das sich selbst gleichsam speist wie schützt. Die menschliche Einflussnahme würde sich dann bloß noch auf die Weinlese beschränken. Und natürlich auf die Arbeit im Weinkeller. Eine, für die gerade bei Naturwein besondere Arbeitsweisen notwendig sind. „Man muss einfach noch sauberer arbeiten“, sagt Strohmeier dazu lapidar. Und sticht damit in ein Wespennest.
Wie böse ist Schwefel wirklich?
Tatsächlich trennt sich gerade bei diesem Aspekt die Spreu vom Weizen. Salopp gesagt: Wer das nicht beherzigt, packt quasi auch Teile der Natur mit in das Fass, die man gar nicht haben will. Bakterien etwa, die am Ende dazu führen, dass die Weine nicht duften, sondern unangenehm mäuseln, wie man sagt, und nicht munden.
„In jeder Traube entsteht von Natur aus Schwefel. Das ist nichts Böses!“
Die deutsche Sommelière Carine Patricio versteht die Ablehnung von Schwefel bei Naturwein nur bedingt
Das moniert auch die deutsche Sommelière Carine Patricio. „Es ist oft ein Trauerspiel, dass viele Winzer das ganze Jahr über extrem aufwendig biodynamisch im Weingarten arbeiten und sich dann aber weigern, im Keller einen Hauch Schwefel zuzusetzen, um den Wein sauber in die Flasche zu bekommen“, sagt sie.
Dabei – und das sei aus ihrer Sicht besonderes absurd – entsteht Schwefel sogar in gewisser Menge von Natur aus in den Trauben. Patricio weiß: „Man hat die Erfahrung gemacht, dass Trauben aus biologisch bewirtschafteten Weingärten von selbst mehr Schwefel erzeugen als aus konventionellen Kulturen.“ In Maßen zugesetzt ist Schwefel also gar kein künstlicher Stoff, der zum Einsatz kommt.
„Aber“, moniert die international erfahrene Sommelière, „aus falsch verstandener Romantik wird oft darauf verzichtet. Und dann bekommt man Wein vorgesetzt, der nach Verjus oder Essig schmeckt und unangenehm riecht.“
Gleichzeitig aber betont Carine Patricio, dass man keinesfalls alle in einen Topf werfen dürfe. Ganz im Gegenteil: „Gerade unter den Biowinzern gibt es jene, die ausgesprochen präzise Naturweine auf den Tisch bringen, weil sie eben auch blitzsauber arbeiten.“
Das sind jene Weinbauern, die ihrer Meinung nach das Prädikat Naturwein auch wirklich als Statement vor sich hertragen sollten. Dafür, dass sie mit unserer einzigen Welt besonders achtsam umgehen – und beste Weine keltern.