Wie schmecken Chinesische Weine?

Alarmstufe Rotwein? Nicht nur, dass in Europa der Weinkonsum zurückgeht, haben die Chinesen beschlossen, selbst Weine in bester Bordeaux-Qualität zu keltern. Werden wir also bald von Rebensaft made in China überschwemmt?
September 19, 2024 | Text: Johannes Stühlinger | Fotos: Shutterstock, privat

Es war eigentlich nur ein Nebensatz. Doch die Worte, die Chinas Präsident Xi Jinping 2020 bei seinem Besuch der Provinz Ningxia, einem der wichtigsten Weinanbaugebiete des Landes, aussprach, hallen heute lauter denn je: „In wenigen Jahren wird Wein aus China die Welt erstaunen!“

Heute, nur vier Jahre später, ist zumindest die Weinwelt in Aufruhr. „Ist der chinesische Wein eine Gefahr für den österreichischen?“ titelte kürzlich die Tageszeitung Der Standard. Und die Süddeutsche Zeitung legte mit der Line „Alarmstufe Rotwein“ noch ein Scherflein nach. Hintergrund der ganzen Aufregung: Die Chinesen wollen keineswegs eigene Weinstilistiken entwickeln, sondern vielmehr europäische kopieren – und verbessern.

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Lieber süßlich, ohne Säure. So wollen die Chinesen ihren Rotwein trinken. Doch immer mehr chinesische Winzer produzieren ihre Weine anders. Um Europa zu erobern?

Es war eigentlich nur ein Nebensatz. Doch die Worte, die Chinas Präsident Xi Jinping 2020 bei seinem Besuch der Provinz Ningxia, einem der wichtigsten Weinanbaugebiete des Landes, aussprach, hallen heute lauter denn je: „In wenigen Jahren wird Wein aus China die Welt erstaunen!“

Heute, nur vier Jahre später, ist zumindest die Weinwelt in Aufruhr. „Ist der chinesische Wein eine Gefahr für den österreichischen?“ titelte kürzlich die Tageszeitung Der Standard. Und die Süddeutsche Zeitung legte mit der Line „Alarmstufe Rotwein“ noch ein Scherflein nach. Hintergrund der ganzen Aufregung: Die Chinesen wollen keineswegs eigene Weinstilistiken entwickeln, sondern vielmehr europäische kopieren – und verbessern.

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Lieber süßlich, ohne Säure. So wollen die Chinesen ihren Rotwein trinken. Doch immer mehr chinesische Winzer produzieren ihre Weine anders. Um Europa zu erobern?

Vor allem Bor­deaux steht hier im chinesischen Fokus. Besonders pikant: Ausgerechnet europäische Winzer sollen im Reich der Mitte für derartige Qualitäten sorgen. Aber ist diese Entwicklung wirklich auch eine Bedrohung? Verbirgt sich darin gar eine neue Chance oder ist sie einfach nicht real, also als bloße Panikmache einzustufen?

Wie schmeckt Wein made in China?

Einer, der seit vielen Jahren regelmäßig von Berufs wegen Weine aus China kostet, ist Bernd Demmerer. Der Weinexperte und Berater wurde schon vor über zehn Jahren auf das Thema aufmerksam. Der Österreicher sagt mit dem Brustton der Überzeugung: „Da dürfen wir uns bald ganz schön anhalten, die Befürchtungen sind durchaus berechtigt.“

Heißt konkret: Seiner Wahrnehmung nach wird Wein aus China innerhalb der kommenden zehn Jahre auch bei uns aufschlagen. „Zwar vielleicht nicht gleich in Form von vielen Flaschen, sehr wohl aber dadurch, dass Exportmärkte kleiner werden oder gar ganz verschwinden“, sagt er.

Tatsächlich würde schon heute Südkorea weit weniger Wein aus Europa importieren als noch vor ein paar Jahren. „Dafür wird dort aber schon heute viel Wein aus China getrunken.“

Apropos trinken: Wie schmecken die Weine aus dem Land, das bloß für Reiswein bekannt ist, eigentlich? Demmerer: „Die Qualität verbessert sich von Jahr zu Jahr. Zuletzt konnte man deutlich erkennen, dass die Rebstöcke inzwischen ein Alter erreicht haben, das es ihnen erlaubt, mit den dortigen klimatischen Bedingungen immer besser umzugehen.“

Allein das mache diese exotischen Weine schon um ein paar Klassen besser. „Hinzu kommt“, so Demmerer, „dass die Chinesen keine halben Sachen machen, sondern die Top-Geräte kaufen und die besten verfügbaren Köpfe aus Europa suchen und anwerben.“

Dieser Prozess ist in seinen Augen schon seit vielen Jahren im Gange. „In Mitteleuropa hat man bis dato nur den Kopf geschüttelt, wenn ein Winzer von Deutschland, Frankreich, Italien oder Österreich nach China gegangen ist, um dort nicht nur gutes Geld zu verdienen, sondern auch ernsthaft Wein zu keltern“, erinnert sich der Fachmann. Nachsatz: „Heute sollten wir uns gut überlegen, ob uns nicht bald das Lachen im Hals stecken bleibt …“

Exot unter Exoten

Demzufolge müsste dann Lenz Maria Moser leicht lachen haben. Nach dem wirtschaftlichen Niedergang des berühmten Familienbetriebs Lenz Moser – die Weinkellerei Lenz Moser ist heute im Besitz der Weinkellerei Lenz Moser Aktiengesellschaft und hat mit der Familie nichts mehr zu tun – ergriff der Österreicher seine Chance und ging als Winemaker zu Chinas ältester und größter Weinkellerei namens Changyu.

Der klare Auftrag seiner gut betuchten Arbeitgeber: Langfristig den besten Rotwein der Welt zu fabrizieren. Im Interview mit Der Standard gab Moser zuletzt zu Protokoll: „Ich habe damals gesagt, ich mache Wein nur, wenn ich mit einem weißen Blatt Papier beginnen kann.“

Die Bedingungen wurden erfüllt, seither produziert er unter dem Namen Château Changyu Moser XV in der Region Ningxia vorwiegend Cabernet Sauvignon. 500.000 Flaschen pro Jahr. Zum Vergleich: Das international berühmte österreichische Weingut Bründlmayer keltert jährlich gerade einmal 350.000 Flaschen.

„Ich habe von meinen Auftraggebern den klaren Auftrag, den besten Wein der Welt zu machen. Hier in China.“

Lenz Maria Moser füllt schon heute jährlich 500.000 Flaschen China-Wein ab. Er sucht
seit über zehn Jahren das Rezept für den
besten Rotwein Chinas

Ein Vergleich, der schon eine gewisse Vorahnung zulässt. Wenngleich Lenz Maria Moser betont, dass man in Österreich keine Sorgen zu haben braucht. Schließlich sei Chinawein jedenfalls noch bis in ferne Zukunft als „der Exot unter den Exoten“ zu verstehen. Allein, wer will schon in der eigenen Heimat Angst schüren und an seiner Stelle anderes behaupten?

He Lei, Fabrikmanager bei Great Wall, einer der ältesten und größten staatlichen Weinfirmen Chinas, ist diesbezüglich der vermutlich unbefangenere Ansprechpartner. Er erzählt von den 30 Lastern, die hier täglich vorfahren, um Trauben aus der Region abzuliefern.

Von 5000 Eichenfässern, die in den Kellern des Betriebs lagern und von 20 Millionen Flaschen Wein, die unter seiner Kontrolle jährlich abgefüllt werden. Die meisten sind für die Supermärkte in China bestimmt – 2013 konsumierten die Chinesen erstmals mehr Rotwein als die Franzosen. Ergebnis: Seit 2019 füllt Lafite seinen eigenen Luxuswein made in China ab und verlangt dafür von gut betuchten Asiaten pro Flasche 400 Euro.

Tatsächlich scheint es aktuell so, als ginge es gar nicht darum, den europäischen Markt mit Wein zu fluten, sondern stattdessen eigene Weine in Bordeaux-Qualität zu produzieren. „Das ist im Grunde der Hallstatt-Effekt“, sagt Demmerer. Bekanntlich wurde Hallstatt in China – wenn auch unabsichtlich spiegelverkehrt – 1:1 nachgebaut. Wenn man nun allerdings „Entwarnung!“ rufen will, hat man die Rechnung ohne den Wirt gemacht; dem allmächtigen Präsidenten Xi Jinping.

Politiker dürfen Schlucken

Der versteht das Thema Wein nämlich keineswegs als Genussmittel, sondern vielmehr als Schwungmasse im Spiel der weltpolitischen Märkte, wie Gerhard Retter betont.

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China-Wein als Schreck aller Sommeliers? Weinexperte Gerhard Retter sieht dem Thema gelassen entgegen

Der Mann ist nicht nur einer der renommiertesten Sommeliers im deutschen Sprachraum, er befasst sich vor allem seit Jahrzehnten mit dem internationalen Weinhandel. Und er sagt: „Chinesische Weine werden im Billigsegment eine Rolle spielen. Nach dem Motto: Wer nur saufen will, der wird billigere Weine aus China bekommen als aus Europa. Wer aber genießen will, wird niemals mit China-Wein in Berührung kommen.“

Sein Fazit: Die Angst vor dem Wein aus der Volksrepublik ist aus Sicht des Sommeliers gänzlich unbegründet. „Aber als Politiker hätte ich Respekt vor den finanziellen Mitteln, mit denen Massenwein aus China finanziert werden wird“, so Retter. Stichwort: E-Autos.

Der gleiche Effekt würde hier wohl bald schlagend werden. Und auch Demmerer betont: „Wir werden uns immer im Bereich von Qualität und dem Thema Nachhaltigkeit abheben.“ Hochwertig produzierende Winzer dürfen also weiterhin auf ihre Einmaligkeit anstoßen. Hoffen wir zumindest.

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