Das ist die Magie großer Disruption!

Was hat es mit Democratizing Deliciousness auf sich? Wofür steht NoLo? Und warum ist plötzlich Umami wieder Thema? Dem Motto „Breaking Walls“ folgend, wurden auf der Rolling Pin.Convention Austria die großen Themen aufgeworfen, neue Trends definiert und – unfassbar viele magische Momente gesammelt.
Juni 15, 2023 | Text: Johannes Stühlinger | Fotos: Moving Stills

Ob es ihm gefallen hat? Die Antwort lieferte Wolfgang Puck am zweiten Tage der Rolling Pin.Convention Austria mit Taten: Nachdem er am Eröffnungstag auf der Bühne aus dem Nähkästchen geplaudert hatte, stand er völlig unvermutet einen Tag später schon wieder da. Unangekündigt. „Mir hat das gestern hier so gut gefallen, aber ich hatte keine Zeit, mich umzusehen und nach neuen Produkten oder Innovationen für meine Betriebe zu suchen“, sagte er. Und holte eben das nach.

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Dem Motto „Breaking Walls“ folgend, wurden auf der Rolling Pin.Convention Austria die großen Themen aufgeworfen

Klar, das ging bei Jürgen Pichler, CEO von Rolling Pin und geistiger Vater der Rolling Pin.Conventions, runter wie Öl. „Schön, wenn unsere großen Anstrengungen von einem so erfahrenen und in den USA lebenden Unternehmer und Chef so geschätzt werden“, sagt er fast demütig. Schließlich würde man sogar Neurowissenschaftler und Bühnenbildner von der Oper engagieren und eine Technikfirma, die normalerweise mit internationalen Rockbands arbeitet.

Nachsatz: „Schließlich wollen wir mit einer perfekt dosierten Mischung aus Education und Entertainment eine Komposition schaffen, die wir als Edutainment bezeichnen. Eine magische Welt, in die man eintaucht und darin versinkt.“ Dass das nicht nur bei Mister Wolfgang Puck gelungen ist, unterstreicht der gigantische Besucheransturm: 9.500 Teilnehmer ließen sich die zwei Tage voller Inspirationen, Innovationen und unfassbar viel Wissenstransfer nicht nehmen.

Woher kommt Democratizing Deliciousness?

Tatsächlich hatte man das Gefühl, die ganze Halle wäre mit einer besonderen Energie aufgeladen. „Es ist unglaublich hier, ich habe weiche Knie“, sagte zwischenzeitlich mit Lucki Maurer einer, den wahrlich nichts so leicht umhaut. Und tatsächlich: Erstmals, seit die Corona-Pandemie hinter uns liegt, versprühten sowohl Chefköche also auch Sommeliers, Barkeeper und HR-Experten wieder den diese Branche so auszeichnenden unbändigen Siegeswillen.

„Man hat das Gefühl, alle, die hier sind, sind Sieger“, stellte mit Nick Bril einer fest, der selbst schon viel erlebt hat. Was jedenfalls auffiel: Gejammert wurde weder bei den Top-Produzenten und -Lieferanten auf der beeindruckenden Expo, noch auf den vielen unterschiedlichen Bühnen. Überall wurde das Motto der diesjährigen Rolling Pin.Conventions – sei es bewusst oder unbewusst – zelebriert: Breaking Walls.

Ich erlebe es als persönliche Erfüllung, für alle Landsleute zu kochen und nicht nur für die Reichen!
Mitsuharu Tsumura über den Grund, warum ihm Democratizing Deliciousness selbst guttut

Das manifestierte sich natürlich nicht bloß in der Stimmung vor Ort, sondern auch bei den wahrlich disruptiven Inhalten. Wer etwa dem faszinierenden Chef Mitsuharu Tsumura aus Peru lauschte, wurde von einer besonderen Geschichte inspiriert: Der Begründer der Nikkei-Küche offenbarte seinen ganz persönlichen Zugang zur sogenannten „Demokratisierung des guten Geschmacks“ – im Fachjargon als Democratizing Deliciousness bezeichnet.

Er ist davon überzeugt, dass immer mehr Sterneköche auf den Boden der Tatsachen zurückkehren – und kulinarische Aromenspiele auf höchstem Niveau zu leistbaren Preisen offerieren werden. „Ich selbst erlebe es als Genugtuung und persönliche Erfüllung, für alle meine Landsleute zu kochen und nicht nur für die Reichen!“ Ein Trend, der in Anbetracht der aktuell finanziell angespannten Lage in unseren Breiten auch Nachhall finden könnte – und jedenfalls als Lösungsoption verstanden werden kann. Also, erneut: Von Jammern keine Spur! Breaking Wall eben.

Und was bitte bringt NoLo?

Apropos knalliges Convention-Motto: Selbst das nach wie vor sehr präsente Thema der Regionalisierung unserer Welt ordnete sich – durchaus überraschend – diesem unter. So erläuterte Vier-Hauben-Koch Harald Irka, dass Meeresfrüchte selbst in Österreich regional sind. Schließlich ist das Meer von seinem Pfarrhof näher als die Bundeshauptstadt Wien. Ins gleiche Horn stieß Antonia Klugmann. Wenn sie von ihren regional erzeugten Kräuterüberraschungen und Textur-Experimenten berichtet, heißt das keineswegs, dass die Rohstoffe dazu auf ihrem Bauernhof gedeihen müssen. „Ich spreche dann vom Alpenraum, also von Slowenien genauso wie von Südfrankreich“, postulierte sie.

Spannend auch, dass die Sicht auf unsere unmittelbar verfügbaren Ressourcen wieder den Scheinwerfer auf das bereits fertig behandelt scheinende Thema Umami wirft. Während internationale Chefs wie Bertus Basson offenbar während des Lockdowns daran gefeilt haben, den in ihren Landen – in diesem Fall Südafrika – heimischen Meerestieren durch Fermentation Umami-Eigenschaften zu verleihen, versprühte etwa Philip Rachinger auf der Main.Stage eine Prise Alpen-Umami: „Hört mir auf mit diesem ganzen Soja, um diesen Genuss zu erzeugen“, polterte er drauf los. „Eine richtig gut gemachte Rindssuppe bringt genauso viel Umami mit, wenn nicht sogar mehr!“ Und die besteht in der Regel ausschließlich aus Zutaten, die wir hier in Mitteleuropa griffbereit haben können.

Hör mir auf mit diesem Soja. Wir erzeugen hier ganz einfach Alpen-Umami!
Philip Rachinger sorgte auf der Main.Stage für clevere Pointen

Wo Negativ-Trends einfach abgesagt werden

Einen Ball, den die österreichischen Vertreter der hochdekorierten Wirtshausküche nur zu gern aufgriffen: Andreas Döllerer, Richard Rauch und Thomas Dorfer zogen bei ihren Talks konsequent an einem Strang, indem sie sich gegen den so gern prophezeiten Niedergang der mittelständischen Küche aussprachen. „Ganz im Gegenteil“, lautet ihr vereinfacht dargestelltes Fazit. Vielmehr würde gerade dieser Bereich gar zu einem neuen Höhenflug ansetzen! „Das“, so Dorfer, „würde auch das Feedback der ganz Jungen spiegeln, die sich derzeit als Nachwuchsköche unter seinen Fittichen scharen. „Hier ist ein großes Interesse an der authentischen Küche zu erkennen“, so der für seine Kaderschmiede längst berühmte Chef vom Landhaus Bacher.

Energieeeee! Und was ist jetzt NoLo?

Aber kommen wir zurück zu Lucki Maurers weichen Knien. Die spürte er nämlich während der Verleihung der Rolling Pin.Awards. Volles Haus vor der Bühne, große Gesten und große Worte auf der Bühne. Macht in Summe: Gänsehautstimmung pur! „Welch magischer Moment“, ergänzte Wine.Stage-Host Gerhard Retter. Und kurz danach strahlte André Drechsel: „Jetzt geht’s erst so richtig los!“ Gerade war er zum Sommelier des Jahres gekürt worden. Er meint damit: „Ich hab noch richtig viel vor!“ Erneut: Von wegen Jammern – Breaking Walls!

Den Gästen geht es immer weniger um den Rausch, dafür mehr ums Geschmackserlebnis!
Mixologin Stephanie Sieber über den Grund des boomenden NoLo-Trends

Sehr wörtlich hatte dieses Thema übrigens der zweifache Cocktail World Champion und Host der Bar.Days Mario Hofferer genommen. Er ließ eine grasgrüne Wand samt Glocke aufbauen und „Ring for the Cocktail“ draufschreiben. Wer läutete, dem wurde ein Drink gereicht – einfach durch die Wand hindurch! „Man muss immer überraschen“, schmunzelte er, darauf angesprochen, bloß. Und sorgte zusätzlich in seinem Bar-Revier für eine gehörige Portion Überraschung.

Während wie erwartet Mezcal und Tequila in den Masterclasses und Keynotes eine gewisse Rolle spielten, waren sie keineswegs die großen Bringer. Da stahl ihnen nämlich das Thema NoLo ganz klar die Show! Heißt im Klartext: Drinks mit wenig bis gar keinem Alkohol sind gerade so richtig im Kommen! „Die Menschen achten auf ihre Gesundheit, sie wollen am nächsten Tag keinen Kater haben und auch die geringen Kalorien spielen eine Rolle“, erläuterte Top-Mixologin Stephanie Sieber.

Und weiter: „Den Gästen geht es immer weniger um den Rausch und stattdessen immer mehr um das Geschmackserlebnis.“ Und – jetzt kommt’s – das sei, so die auf den Bar.Days kolportierte Meinung, ohne Alkohol weit vielfältiger möglich als mit. Liegt wohl daran, dass sich nicht alles um die immergleiche Geschmacksnote namens Alkohol dreht. Ein Trend, der übrigens keineswegs auf Cocktails beschränkt bleibt – auch auf der Wine.Stage sorgten dank Spitzen-Sommelier Alexander Koblinger  alkoholfreie Tropfen für Aufsehen.

Jetzt gibt’s wieder richtig Party

Endlich! Keineswegs alkoholfrei, dafür aber mit einer gehörigen Portion Bumms schaltete die diesjährige Rolling Pin.Convention Austria am ersten Abend in einen fulminanten Partymodus. „Was lange nicht möglich war, zelebrieren wir diesmal ganz besonders“, ließ Jürgen Pichler verlauten. Heißt: Mit dem Dom im Berg wurde eine der spektakulärsten Locations Österreich gerockt.

Und mit Nick Bril an den Turn Tables der wohl überraschendste DJ, den dieser Ort, tief unter der Erde des Grazer Schloßbergs, je gesehen hatte, aufgeboten. Der Zweisterne-Chef aus dem Jane in Antwerpen hat das DJ-Gen nämlich wahrlich intus und brachte die Crowd so richtig zum Kochen. „Breaking Walls hat es doch geheißen“, scherzte er schon weit nach Mitternacht und drehte die Regler noch einmal eine Stufe höher.

Nein, Jammern sieht wirklich anders aus. Und somit steht eines fest: Wenn die Rolling Pin.Convention Austria schon so ein magischer Kracher war, wie wird es dann erst am 25. und 26. September bei der Rolling Pin.Convention Germany abgehen? Zur Erinnerung: Der legendäre Ferran Adrià wird als Speaker zu Gast sein. Und der ebenso legendäre Jan Delay bei der Aftershowparty abrocken. Breaking Walls, sagen wir da nur …

Die Rolling Pin.Conventions

2012 gegründet, sind die Rolling Pin.Conventions -heute – nach der Fusion Madrid – das zweitgrößte Gastro-Symposium Europas. 65 Speaker aus 14 Nationen begeisterten jetzt bei der Rolling Pin.Convention Austria 9.500 Teilnehmer in den verschiedenen Welten (Chef.Days, Bar.Days, Wine.Days, HR.Days). Auf den verschiedenen Bühnen wurden unter dem Motto „Breaking Walls“ die neuesten Trends, Techniken und Innovationen präsentiert. Zudem galt es, auf der 4.000 m2 großen interaktiven Expo die spannendsten Produzenten und Lieferanten mit ihren Produkten zu erleben.

Die Rolling Pin.Convention Germany 2023 steht vor der Tür. 25.–26. September | Berlin

Jetzt Early Bird-Tickets sichern und 50 Prozent sparen. www.rollingpinconvention.de

 

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