Gastronom über Trinkgeldpauschalen: „Es gehört dringend eine Entscheidung her!“

Der Hut brennt. Was jahrzehntelang als steuerfreies Extra galt, wird plötzlich zur Kostenfalle. Christof Widakovich fordert klare Kommunikation, Kulanz und eine Änderung der Regelung.
März 25, 2025 | Text: NZZ | Fotos: Shutterstock, Paul Stajan

Trinkgeld ist in Österreich von der Lohnsteuer ausgenommen – so weit, so klar. Für Angestellte – und auch Arbeitgeber – in der Gastronomie und Hotellerie war damit jahrzehntelang, sozusagen als ungeschriebenes Gesetz, klar: Trinkgeld ist nicht Teil des Gehalts.

Dass die Sache jedoch nicht ganz so einfach abzutun ist, haben einige Gastronomen seit Jahresbeginn am eigenen Leib erfahren. Denn plötzlich forderte die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) nach Betriebsprüfungen hohe Summen als Nachzahlungen – 100.000 Euro (!) zuletzt von einem Lokal in Salzburg. Denn: Ab Überschreitung der Trinkgeldpauschale in einer gewissen Höhe werden zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge fällig. Was die Sache noch unübersichtlicher macht: Die Trinkgeldpauschale ist in jedem Bundesland unterschiedlich festgesetzt – teilweise in jahrzehntealten Beschlüssen.

„Vor allem ist jetzt wichtig, dass wir wissen, was wirklich von uns als Unternehmer verlangt wird – und, dass vonseiten der Sozialpartner auch klar an Arbeitnehmer kommuniziert wird, dass Trinkgeld, nach der aktuellen Regelung, eben doch Teil des Gehalts ist“, sagt dazu der bekannte Grazer Chefkoch und Gastronom Christof Widakovich.

shutterstock_1780458068
Trinkgeld wird vermehrt via Kartenterminal gezahlt – und gerät dadurch ins Visier der Steuerprüfer – Foto: Shutterstock

Trinkgeld ist in Österreich von der Lohnsteuer ausgenommen – so weit, so klar. Für Angestellte – und auch Arbeitgeber – in der Gastronomie und Hotellerie war damit jahrzehntelang, sozusagen als ungeschriebenes Gesetz, klar: Trinkgeld ist nicht Teil des Gehalts.

Dass die Sache jedoch nicht ganz so einfach abzutun ist, haben einige Gastronomen seit Jahresbeginn am eigenen Leib erfahren. Denn plötzlich forderte die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) nach Betriebsprüfungen hohe Summen als Nachzahlungen – 100.000 Euro (!) zuletzt von einem Lokal in Salzburg. Denn: Ab Überschreitung der Trinkgeldpauschale in einer gewissen Höhe werden zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge fällig. Was die Sache noch unübersichtlicher macht: Die Trinkgeldpauschale ist in jedem Bundesland unterschiedlich festgesetzt – teilweise in jahrzehntealten Beschlüssen.

„Vor allem ist jetzt wichtig, dass wir wissen, was wirklich von uns als Unternehmer verlangt wird – und, dass vonseiten der Sozialpartner auch klar an Arbeitnehmer kommuniziert wird, dass Trinkgeld, nach der aktuellen Regelung, eben doch Teil des Gehalts ist“, sagt dazu der bekannte Grazer Chefkoch und Gastronom Christof Widakovich.

shutterstock_1780458068
Trinkgeld wird vermehrt via Kartenterminal gezahlt – und gerät dadurch ins Visier der Steuerprüfer – Foto: Shutterstock

Die aktuellen Nachzahlungsforderungen sind für viele Gastronomen und Hoteliers existenzbedrohend. Zudem werden sie aus Widakovichs Sicht mit gewisser Willkür eingetrieben. Die Tatsache, dass Unternehmer jetzt teilweise rückwirkend Abgaben für Trinkgeldeinnahmen für Mitarbeiter zahlen sollen, die schon seit Jahren nicht mehr im Betrieb sind, stößt bei ihm und vielen anderen Gastronomen, mit denen wir gesprochen haben, auf Unverständnis. Und außerdem: „Warum soll ein Unternehmer Sozialabgaben für das Trinkgeld zahlen, das sein Personal einnimmt? Denn die Höhe des Trinkgelds bestimmt ja der Gast! Das passt nicht zusammen.“

Schwer wiegt die Trinkgeldbesteuerung weiters auf die ohnehin schwierige Personalsituation. „Unsere Personalkosten belaufen sich schon jetzt auf rund 40 Prozent des Umsatzes“, klagt Widakovich. Die einfache Rechnung, die sich gerade Wirte im ganzen Land machen: Fällt das steuerfreie Trinkgeld als Anreiz weg, in der Gastronomie zu arbeiten, treibt es Bruttolöhne in nicht mehr leistbare Höhen.

geniesserei-0225-Christof-Widakovich-Alexander-Posch-©-Paul-Stajan-2-scaled
Christof Widakovich (li.) fordert schnelle Entscheidungen über die Trinkgeldpauschale  – hier abgebildet mit Genießerei-Chefkoch Alexander Posch (re.) – Foto: Paul Stajan

„Viele werden es nicht mehr schaffen, ihr Unternehmen weiterzuführen. Oder auch die Lust darauf verlieren“, prophezeit der kulinarische Patron der Grossauer-Gruppe.

Was jetzt?

Die Wirtschaftskammer hat bereits eine einheitliche Lösung für ganz Österreich gefordert, am vergangenen Freitag nahm auch die Österreichische Hotelvereinigung (ÖHV) klar Stellung: „Finger weg vom Trinkgeld unserer Beschäftigten! Das ist als Dankeschön für gutes Service gedacht und nicht zum Stopfen der Finanzlöcher der Sozialversicherungen“, so Präsident Walter Veit.

So sieht das auch Widakovich. „Es gehört eine flächendeckende Entscheidung her. Die Regierung muss für die Zukunft eine einheitliche Lösung finden, mit der wir alle leben, beziehungsweise überleben können.“ Und die bis jetzt eingeforderten Beträge? Hier hofft der Spitzenkoch auf Kulanz: „Kein Unternehmer hat das Geld für diese hohen Nachzahlungen.“

Wir haben zum Thema auch mit weiteren Branchenexperten gesprochen und genau erklärt, wie die aktuelle Lage aussieht. Was sagt ein Anwalt zur Thematik? Wie sehen die Erfahrungen und Sorgen eines Sternekochs aus? Hier geht es zu allen Beiträgen zum Thema #trinkgeldneu

Werde jetzt Member.
100% kostenlos.

Als Member kannst Du alle unsere Artikel kostenlos lesen und noch vieles mehr.
Melde dich jetzt mit wenigen Klicks an.
  • Du erhältst uneingeschränkten Zugriff auf alle unsere Artikel.
  • Du kannst jede Ausgabe unseres einzigartigen Magazin als E-Paper lesen. Vollkommen kostenlos.
  • Du erhältst uneingeschränkten Zugriff auf alle unsere Videos und Masterclasses.
  • Du erhältst 50% Rabatt auf Rolling Pin.Convention Tickets.
  • Du erfährst vor allen Anderen die heißesten News aus der Gastronomie und Hotellerie.
  • Deine Rolling Pin-Membership ist vollkommen kostenlos.
Alle Vorteile
Login für bestehende Member

Top Arbeitgeber


KOSTENLOS MEMBER WERDEN
UND UNZÄHLIGE VORTEILE genießen

  • Insights aus der Gastro-Szene, ganz ohne Bullshit.
  • Personalisierte Jobvorschläge & die besten Jobs aus der ganzen Welt
  • Alle Online-Artikel lesen & Zugriff auf das Rolling Pin-Archiv
  • VIP-Einladungen zu ROLLING PIN-Events und vieles mehr…