Chicago Bull
Fotos: Lara Kastner
Mit 37 Jahren ist Grant Achatz an der Spitze des Koch-Olymps angekommen. Neben Legenden wie Ferran Adrià und Heston Blumenthal ist der Chicagoer Kult-Koch der leuchtende Stern über der Molekularküche. Sein erstes Restaurant Alinea erreichte in kürzester Zeit Kultstatus und wurde mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet.
Achatz’ zweites Restaurant Next war schon vor dessen Eröffnung für die nächsten Monate ausgebucht und das neueste Projekt, die Cocktailbar Aviary, verspricht ebenso, ein Kassenschlager zu werden. Dabei geht Achatz gerne…
Fotos: Lara Kastner
Mit 37 Jahren ist Grant Achatz an der Spitze des Koch-Olymps angekommen. Neben Legenden wie Ferran Adrià und Heston Blumenthal ist der Chicagoer Kult-Koch der leuchtende Stern über der Molekularküche. Sein erstes Restaurant Alinea erreichte in kürzester Zeit Kultstatus und wurde mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet.
Achatz’ zweites Restaurant Next war schon vor dessen Eröffnung für die nächsten Monate ausgebucht und das neueste Projekt, die Cocktailbar Aviary, verspricht ebenso, ein Kassenschlager zu werden. Dabei geht Achatz gerne neue Wege und überrascht die Branche und seine Gäste mit ausgefallenen Konzepten.
Do it like a Rockstar
Für Aufregung sorgte vor allem Achatz’ zweiter Coup, das Restaurant Next. Über zwei Millionen Euro investierte der amerikanische Kultkoch in die Grundausstattung des Gourmetrestaurants, das sich alle drei Monate einer neuen Epoche verschreibt. Die Reise führt vom Paris 1906 über das Sizilien der 1949er-Jahre bis in das Hongkong 2036.
Gekocht wird, soweit wie möglich, mit authentischen Gerätschaften, wie der antiken Enten-Presse. Das bedeutet aber auch, alle drei Monate neue Tischwäsche, Porzellan, Küchengerät und somit eine neuerliche Investition von mehreren Tausend Euro. „Ich habe eigene Mitarbeiter, die sich nur um die Beschaffung der authentischen Geräte und Gedecke kümmern und die Antiquitäten-Händler abklappern.
Der Gedanke hinter diesem Projekt war nun einmal, eine Zeitreise zu machen. Wir fragten uns: Wie schmeckt wohl das Paris zu Escoffiers Zeiten, was meinte er, wenn er von etwas Salz sprach? Unsere Idee für das Next war, auf eine historische Geschmackssuche zu gehen“, erklärt Achatz sein Konzept.
Neu ist auch, dass es im Next kein gewohntes Reservierungssystem gibt. Um den Kultkoch und sein Team erleben zu können, bedarf es eines Tickets, wie bei einem Rockkonzert. Die Karten werden über eine eigene Internetplattform vertrieben.
Je nach Zeit und Wochentag variieren die Preise, sodass an einem Mittwochabend das 9-gängige-Menü für 40 Euro zu haben ist, aber an einem Samstag um acht bereits 75 Euro bezahlt werden müssen.
15.000 Voranmeldungen verzeichnete das System bereits, bevor das Restaurant Next überhaupt eröffnet hatte. „Auf das Ticket-System bin ich besonders stolz. Zum einen brauche ich keine Mitarbeiter mehr, die einer Endlosschleife gleich sagen ‚Tut mir leid, aber wir sind ausgebucht‘ und zudem sprechen wir, durch die unterschiedliche Preisgestaltung, ein größeres Publikum an.
Gourmetküche ist nun nicht mehr von einer dicken Geldbörse abhängig, schmunzelt der 37-Jährige. Für seine Cocktailbar Aviary erwartet er sich eine ähnlichen Blitzkarriere.
Ohne Neider wäre es kein Erfolg
Doch wo Erfolg ist, werden auch bald Kritiken laut. Achatz muss sich vor allem den Vorwürfen stellen, dass das Alinea unter den weiteren Projekten leiden würde und er einen rasanten Absturz riskiert. "Das ist Blödsinn", stellt er fest. "Zum einen profitiert die Mannschaft im Alinea von den Erfahrungen im Next und umgekehrt und zum anderen arbeiten wir im Alinea mit einem ganz anderen Konzept."
Im Alinea wird Molekularküche in Reinform geboten. Überall in der Küche brodeln Reagenzgläser mit geleeartigen Massen und Trockeneis dampft aus den Behältern. Achatz versucht in seinen Kompositionen, Gefühle, Erinnerungen und Emotionen zu verpacken. "Dekonstruktion und Konstruktion", so lautet sein Credo.
Die Ergebnisse sind derart überwältigend, dass dem Chicagoer Koch nicht nur höchster Respekt von seinen Kollegen entgegengebracht wird, sondern ein Gast sogar zu weinen begonnen hat. 50 Mitarbeiter arbeiten im Alinea höchst konzentriert an den täglichen 1350 Gerichten, um den Gästen immer ein ultimatives Erlebnis zu bieten. Der Preis von umgerechnet 300 Euro für das 18-gängige Menü scheint die Leute nicht abzuschrecken. Das Restaurant, in dem 75 Gäste an sieben Tagen die Woche Platz finden, ist über Monate hinweg ausgebucht.
Achatz’ Ehrgeiz forderte jedoch einen hohen Tribut. Vor drei Jahren erkrankte der Starkoch an Zungenkrebs, Stufe 4. Eine Stufe 5 gibt es nicht. Die Ärzte rieten ihm, sich die Zunge entfernen zu lassen, um zumindest den Hauch einer Überlebenschance zu haben. Doch für den zweifachen Vater war dies nie eine Option.
1723 North Haltsted
US- 60614 Chicago, Illinois 1
Tel.: +1 (0) 312/67 01 10
Eine gewagte und aggressive Chemotherapie rettete Achatz schließlich seine Zunge und Leben, raubte ihm aber vorübergehend den Geschmackssinn. Trotz aller Torturen stand Achatz jeden Tag in seinem Restaurant. "Ans Aufhören habe ich nie gedacht. Das würde ja bedeuten, 20 Jahre meines Lebens wegzuwerfen. Ich bin Koch und werde es immer bleiben."
Und Achatz wäre nicht Achatz, hätte er nicht bereits eine neue Idee. „Wir arbeiten an einem virtuellen Kochbuch. Jeder kann sich neue Rezepte herunterladen oder vielleicht auch an welchen mitarbeiten. Gezahlt wird, was jeder für richtig hält.“ Erfolgsaussichten sind garantiert.
Zur Person
A Man of (no) Taste
Eine Erfolgsgeschichte.
Grant Achatz stammt aus einer Gastronomie-Familie und so stand schon in jungen Jahren fest, welchen Berufsweg der heutige Kultstar einschlagen wird. Nach der Ausbildung am Culinary Institute of America folgten verschiedene Stationen, unter anderem im prestigeträchtigen Restaurant The French Laundry bei Thomas Keller. Er wurde Achatz’ Mentor und enger Freund.
Vier Jahre lang erlernte er das Küchenhandwerk und stieg mit 25 Jahren zum Sous-Chef auf. Nachdem Achatz im Trio den fünften Mobile-Travel-Guide-Stern erkochte, war es Zeit für ein eigenes Restaurant: Zusammen mit seinem Geschäftspartner Nick Kokonas eröffnete er 2005 das Alinea. Das Restaurant Next und die Cocktailbar Aviary folgten Anfang dieses Jahres.