Jörg Krause: Star zwischen drei Sternen
Ins Münchner Tantris kommt man nicht rein zufällig. Der Weg ins Maison Culinaire Tantris in Schwabing bedarf einer geplanten Reise in die Welt der modernen Haute Cuisine. Dennoch ist es einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass Jörg Krause im Oktober als Barchef genau dorthin gewandert ist.
Ins Münchner Tantris kommt man nicht rein zufällig. Der Weg ins Maison Culinaire Tantris in Schwabing bedarf einer geplanten Reise in die Welt der modernen Haute Cuisine. Dennoch ist es einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass Jörg Krause im Oktober als Barchef genau dorthin gewandert ist.
„Ein Ex-Kollege von der Goldenen Bar arbeitet jetzt am Weingut Salicutti in der Toskana. Der hat mich angerufen und schon wurde ich engagiert“, erzählt der Neo- Chef der Tantris Bar. Zur Erklärung: Das Weingut Salicutti und der Tantris-Gourmet- Komplex haben den gleichen Besitzer. Die Bar ist nun, nach zehnmonatiger Renovierung der Tantris-Welt, direkt vor dem Menü-Restaurant Tantris und dem À-la-Carte-Restaurant Tantris DNA sozusagen das noble Aperitif-Entrée in die kulinarische Institution.
Zufällig zum Star-Mixologen
Einem Zufall verdankt Jörg Krause auch seine Karriere als Mixologe. „An einem Abend in einem der Gourmet-Restaurants in meiner Laufbahn ist es passiert. Ich war als Demichef de Rang tätig, als der Barkeeper an der Cocktailbar ausfiel. Da bin ich eingesprungen. Und gleich in diesem interessanten Metier geblieben“, erinnert sich der gelernte Restaurantfachmann, der auch genetisch durch den elterlichen Betrieb im Thüringischen Hirschberg vorbelastet ist, zurück.
Wo wir gerade beim Familienstammbaun sind: Nein, an eine Übernahme des elterlichen Betriebs hat Krause nie gedacht. „Ich musste raus, das Dörfchen war mir zu eng!“, gibt er deutlich zu Protokoll. Dieses Credo nahm der junge Jörg Krause offenbar bierernst: Eine erfolgreiche, aber von vielen Weggabelungen geprägte Reise mit Stationen in der Schweiz, England und renommierten Münchener Bars, wie dem „Julep’s“ oder dem „Pacific Times“ waren die Folge. Bis Krause schließlich an jenem Ort landete, wo er für sein Handwerk den wichtigsten Feinschliff bekam. In der legendären „Schumann’s Bar“.
Auf großes Tamtam wollen wir verzichten.
Jörg Krause, Barchef, über seine Vision an der Tantris Bar
„Charles Schumann ist ein Sir, dort habe ich nicht nur seine legendäre Arbeitsweise, sondern auch den perfekten Umgang mit den Gästen gelernt“, erinnert er sich. Ganze acht Jahre schliff die Barlegende am Musterschüler, bevor Krause innerhalb Münchens weiterzog. Die Kempinski-Bar, die „Goldene Bar“ und die „Bar Gabányi“ standen auf seinem Speisezettel. Zwischendurch erfüllte sich der Multigastronom mit dem Food Truck „Herr Krause“ auch noch einen Jugendtraum. „Im alten Citroen H Kastenwagen habe ich bei Events als Caterer neben meinem Barjob aufgekocht. Eine lustige Zeit, die durch die Pandemie beendet wurde.“ Der Truck ist verkauft und Vergangenheit.
Jetzt heißt es für Krause „die Vollkommenheit im Tantris erreichen!“ Diesmal jedenfalls langfristig, wie er betont. „Mag sein, dass mein Lebenslauf von vielen kurzen Stationen geprägt ist. Aber ich hatte immer das Gefühl, meinen Horizont erweitern zu müssen. Nun kommt es mir vor, als wäre ich angekommen!“
Universum der Vollkommenheit
Als finale Heimat kann man sich wohl auch kein besseres Universum als das des Tantris vorstellen. Umstrahlt von drei Michelin-Sternen — dem Neo-Küchenchef Benjamin Chmura vom Menü-Restaurant Tantris wurden kürzlich zwei Sterne, Virginie Protat vom À-la-carte-Restaurant Tantris DNA ein Stern verliehen — verwöhnt der Barprofi nun sein anspruchsvolles Publikum mixologisch. Ein besonderes Unterfangen, denn: „Der Tantris-Gast verlangt nach Perfektion. Es sind Stammgäste, die schon mit ihren Eltern hier zum Lunch oder Dinner waren. Ein junges Publikum drängt nach, das unser kulinarisches Universum nach dem Umbau neu entdecken möchte. Auf Oper mit riesigem Tamtam wollen wir allerdings verzichten“, beschreibt Krause die wohlig-edle Atmosphäre unter dem Soundteppich von sanften Chansons und schummrigem Barjazz.
Gesamtkunstwerk mit viel Wermut
Auch nach der behutsamen Renovierung hat sich am zeitlos modernen Stil kaum etwas geändert. Hat das denkmalgeschützte Architekturjuwel nichts an Charme und Originalität eingebüßt: Das gedämpfte Lobster-Red beherrscht seit über einem halben Jahrhundert die Farbgebung des Ambientes. Die schillernde Spiegeldecke vervielfältigte bereits im Öffnungsjahr 1971 den legendären Gunter Sachs und auch in den 1970ern und 1980ern kam viel Prominenz: Spieler vom FC Bayern, Niki Lauda, Bernd Eichinger oder der Milliardär Friedrich Karl Flick, der stets unter dem Kürzel „FK“ reservieren ließ, sowie der legendäre Modeschöpfer Rudolph Moshammer trugen sich in der imaginären Gästeliste ein.
Jörg Krause sieht seinen neuen Arbeitsplatz dementsprechend als „Gesamtkunstwerk“ und den Sterne-Status des Tantris als neue Herausforderung, „diese Vollkommenheit wird nicht nur beim Lunch oder Dinner umgesetzt, sondern auch in der Bar als eigenständige Destination.“ Nobler Minimalismus und nachhaltige Kreativität beherrschen demnach auch seine Cocktail-Philosophie. „Wenig Dekoration, keine Spießchen oder Plastik-Äffchen. Eine Scheibe getrocknete Blutorange am Glas genügt — das kommt beim Gast auch besser an.“ Der klassische „Singapore Sling“ mit unverzichtbaren Ananas ist der einzige Cocktail, der nicht aus lokalen, frischen oder getrockneten Zutaten bereitet wird.
Die Strohhalme sind aus Glas, Untersetzer aus Leder, Müll fällt somit beim Mixen kaum an. Spezialität des Hauses ist der „Tantroni“, eine Krause-Variation des „Negroni“ mit rotem Wermut, Orangenlikör und Gin, ganz ohne Eis auf Zitronen-Zeste serviert. Vier der Tantris- Signatures werden mit dem hauseigenen Wermut Salicutti gemixt, wobei Krause für den Sommer auch einen eindeutigen Trend in Richtung Portwein, Mescal und Rum sieht.
„Highballs und alkoholarme Cocktails sehe ich ganz stark im Kommen.“ Dem Uralt-Motto aus den 1970ern, „ Affendurst und Schlummertrunk“, welches in satten Lettern über dem Bareingang prangt, muss er jedenfalls voll und ganz gerecht werden. Heißt übersetzt: Wer an seiner Bar sitzt, darf alles erwarten, was es am Barhimmel so gibt. Kein Wunder, ist das Tantris doch jener Ort, an dem Eckart Witzigmann zum Jahrhundertkoch reifte. Und Jörg Krause nun vielleicht als Jahrhundert-Mixologe in die Bargeschichte eingehen wird. Aber das steht noch in den Sternen.
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JÖRG KRAUSE
Den elterlichen Betrieb Thüringer Hof in Hirschberg wollte der gelernte Restaurantfachmann nicht übernehmen. Eine Berufs-Odyssee folgte ab 1989: Hotel Sonnenalp Ofterschwang, Hotel Excelsior Arosa, Schweiz, Copthorne Hotel Slough-Windsor, in München: Palais am Lenbachplatz, Julep’s, Pacific Times, Schumann’s Bar, Hotel Vier Jahreszeiten, Goldene Bar, Marks Feinkost, Bar Gabányi, Food Truck „Herr Krause“, Mercedes Showroom am Odeonsplatz, seit Oktober 2021 ist er Tantris-Barchef.