Pic ist Trumpf
Fotos: Jeff Nalin, Maison Pic
Es muss igendwann Anfang 1992 mitten im Tokioter Nobel-Distrikt Ginza gewesen sein. Der noch blutjungen Anne-Sophie Pic fällt es bei einer Schickimicki-Party wie Schuppen von den Augen: Sie muss wieder nach Hause. Jetzt. Am besten sofort. Sie hat genug Jahre im Ausland verbracht, um zu realisieren: Ihre Liebe gehört der Heimat Valence, ihre Leidenschaft liegt im Kochen und nicht im Luxus-Management. Sie kehrt voller Motivation nach Frankreich zurück, um in der Küche ihres 3-Sterne-Vaters mit der Ausbildung zu beginnen.
Doch noch im gleichen Jahr, am 19. September, zerstört ein Aorta-Riss abrupt die Hoffnung auf eine unbeschwerte, sanft übergleitende Transformation vom Familien-Azubi hin zur Küchenchefin. Ihr Vater Jacques stirbt mit 59 Jahren und die erst 23-Jährige ist auf sich alleine gestellt. Sie kümmert sich um alles, damit der Betrieb der Familie Pic weiterläuft. Sie spürt jedoch, dass ihre Zukunft auf einem anderen Gebiet liegt: in der Küche, so wie bei ihrem Vater.
David, ihr Mann, hilft ihr dabei, den Weg in die Küche zu ebnen und ebenfalls an einem Septembermorgen im Jahr 1997 stößt Anne-Sophie unterstützt von ihrer Mutter und zur allgemeinen Verwunderung der damaligen Küchenchefs diese Tür auf und beginnt, die Kontrolle des Restaurants zu übernehmen. Ohne Ausbildung.
Dass sie als Frau die Küche und den Betrieb führen könnte, hätte ihr damals weder…
Fotos: Jeff Nalin, Maison Pic
Es muss igendwann Anfang 1992 mitten im Tokioter Nobel-Distrikt Ginza gewesen sein. Der noch blutjungen Anne-Sophie Pic fällt es bei einer Schickimicki-Party wie Schuppen von den Augen: Sie muss wieder nach Hause. Jetzt. Am besten sofort. Sie hat genug Jahre im Ausland verbracht, um zu realisieren: Ihre Liebe gehört der Heimat Valence, ihre Leidenschaft liegt im Kochen und nicht im Luxus-Management. Sie kehrt voller Motivation nach Frankreich zurück, um in der Küche ihres 3-Sterne-Vaters mit der Ausbildung zu beginnen.
Doch noch im gleichen Jahr, am 19. September, zerstört ein Aorta-Riss abrupt die Hoffnung auf eine unbeschwerte, sanft übergleitende Transformation vom Familien-Azubi hin zur Küchenchefin. Ihr Vater Jacques stirbt mit 59 Jahren und die erst 23-Jährige ist auf sich alleine gestellt. Sie kümmert sich um alles, damit der Betrieb der Familie Pic weiterläuft. Sie spürt jedoch, dass ihre Zukunft auf einem anderen Gebiet liegt: in der Küche, so wie bei ihrem Vater.
David, ihr Mann, hilft ihr dabei, den Weg in die Küche zu ebnen und ebenfalls an einem Septembermorgen im Jahr 1997 stößt Anne-Sophie unterstützt von ihrer Mutter und zur allgemeinen Verwunderung der damaligen Küchenchefs diese Tür auf und beginnt, die Kontrolle des Restaurants zu übernehmen. Ohne Ausbildung.
Dass sie als Frau die Küche und den Betrieb führen könnte, hätte ihr damals weder die Küchenmannschaft noch die Service-Crew zugetraut. Nicht einmal die eigene Familie: „Ich habe als Frau in diesem Business jedoch nie Einschränkungen gespürt. Ich habe hart gearbeitet, um in der gastronomischen Welt respektiert und anerkannt zu werden. Es war extrem hart, gegen die gesamte Palette an Klischees und den Chauvinismus der Kollegen anzukämpfen, aber Limits habe ich nie wahrgenommen“, reflektiert Pic die ersten Jahre als Küchenchefin.
Sanft, schüchtern und hartnäckig. So beschreibt sie sich selbst. Kaum zu glauben, dass diese kleine, zierliche Person mit zarten 20 Jahren beinahe einmal ins internationale Haifischbecken Luxus-Management gesprungen wäre. Nach ihrem Wirtschaftstudium am Institut Supérieur de Gestion in Paris arbeitete sie nämlich schon als Volontär bei Cartier and Moët & Chandon in Japan oder den USA. Die Passion, das Familienerbe weiterzuführen, war stärker. Unglaublich hoch jedoch der Druck, der auf ihr lastete: Bereits 1934 erhielt Großvater André Pic drei Michelin-Sterne für sein Restaurant. 1973 konnte Vater Jacques die Auszeichnung erneut holen. Die Jahre der Pic als Küchenchefin gleichen zehn Jahre lang einer Berg- und Talfahrt. Doch durch feinfühlige Verbissenheit geschieht das scheinbar Unmögliche: 2007, im Alter von 37 Jahren, gelingt es Anne-Sophie Pic, den dritten Michelin-Stern zurückzugewinnen.
Sie wird zudem von den 8000 im Guide Michelin aufgeführten Küchenchefs zum „Küchenchef des Jahres“ gewählt: „Das war enorm wichtig. Nachdem wir nach dem Tod meines Vaters die drei Sterne verloren hatten, habe ich unglaublich hart an mir gearbeitet, um die höchste Auszeichnung wieder ins Maison Pic zurückzuholen. Aber nicht für mich. Vielmehr als Tribut an meinen Vater und Großvater. Ich bin noch immer wahnsinnig stolz, dass wir das geschafft haben.“
Kreativ bis in die Zehenspitzen
Wie eine Künstlerin arbeitet Anne-Sophie Pic an den Zutaten und der Präsentation jedes Gerichts, der Weiterentwicklung und den Möglichkeiten jedes Produkts. Immer auf der Suche nach Leichtigkeit und Großzügigkeit: „Ich bin süchtig nach Gemüse. Allen Variationen davon. Eine meiner letzten Kreationen, die aktuell das Maison Pic charakterisiert, ist ,Zart schmelzende, sahnige Rübe angesäuert mit Berberitze‘.“ Zur ihrer größten Stärke zählt das Kombinieren von Aromen. Selbst Kritikerpapst Wolfram Siebeck schwärmt von den Fähigkeiten der talentierten Madame Pic in ungewohnt hohen Tönen: „Bei den Aromen strebt sie keine Effekte an, sodass kein Esser den malträtierten Schlund mit kaltem Wasser besänftigen muss. Stattdessen staunt man über den klugen Einsatz der vielen Gewürze und Soßen, die nur in Spuren auf den Tellern vorkommen und trotzdem eine verblüffende Wirkung haben.“
Eine Gabe, die ihr laut eigenen Angaben natürlich in die Wiege gelegt wurde. Die man sich aber durch permanentes Training erhalten und ausbauen muss: „Als ich jünger war, agierte ich sehr vorsichtig mit der Kombination von Aromen. Waren es damals drei, die man auf den Tellern fand, bin ich heute mutiger und verbinde immerhin fünf.“ Bei der Auswahl der Produkte ist sie beinahe fanatisch. Sie trinkt zwar keinen Kaffee, liebt die Verwendung des Muntermachers aber in der Küche: „Wir würzen damit die Rote Bete oder Melonen als Starter. Kaffee gibt auch Lobster den gewissen Kick oder Charolles-Rind ein tolles rauchiges Aroma. Bei diesem Produkt kenne ich wirklich keine Grenzen, doch die Qualität muss außerirdisch sein.“ Sie verwendet dabei ausschließlich „Blue Mountain Coffee“ aus Jamaica oder „Bourbon Pointu“ von der Insel Réunion.
Inspiration für neue Gerichte findet sie meistens bei ihrem Lieblingsproduzenten Cyril Vignon: „Wenn wir uns treffen, diskutieren wir stundenlang über die Produkte unserer Rhône-Region. Er hat im Laufe der Jahre unserer Zusammenarbeit mehr oder weniger seinen Garten speziell auf meine Bedürfnisse ausgelegt. Wir treffen uns mehrmals im Monat, ich deponiere neue Wünsche oder er hat bereits geniale neue Inputs genau auf mich maßgeschneidert.“ Anne-Sophie Pic praktiziert also bereits seit Anbeginn genau das, was sich René Redzepi und seine skandinavischen Mitstreiter derzeit so mediengeil wie auch -wirksam auf die eigenen Fahnen heften. Nur eben ohne großes Tamtam.
Das Imperium wächst
„Ich behaupte stets, mein Leben ist einfach, in Wirklichkeit ist es aber eher schwierig. Ich suche nämlich die Einfachheit. Das macht mein Leben kompliziert“, sagt sie. Und damit ihr Leben eben noch einfacher wird, hat sie im Laufe der Jahre expandiert: Das Restaurant Anne-Sophie Pic eröffnete sie 2009 in Lausanne. Das noble Etablissement im Beau-Rivage Palace Hotel erhielt gleich im ersten Jahr zwei Michelin-Sterne. Im September 2012 wurde dann die erste Pariser Dependance präsentiert, nämlich das La Dame de Pic.
Derzeit beschäftigt die außergewöhnlich erfolgreiche Köchin alleine 100 Leute in Valence, 180 Angestellte sind es insgesamt in allen drei Restaurants. „Da ich nicht in allen drei Häusern gleichzeitig sein kann, liegt mein Hauptaugenmerk darauf, überall die Qualität hoch zu halten. Dabei muss das gesamte Team ebenso perfektionistisch veranlagt sein, wie ich es auch bin. Die Chefs, die in Lausanne und Paris die Küche leiten, haben mit mir in Valence über Jahre hindurch gearbeitet und wissen somit ganz genau, wie ich mir die Abläufe vorstelle.“ Ohne Ausnahme besucht sie ihre Zweigstellen mindestens einmal im Monat und justiert allfällige Negativpunkte nach ihren Vorstellungen.
Auf die Frage, was es denn in ihrem Leben noch zu erreichen gibt, antwortet die sonst sehr zurückhaltend agierende Französin erstaunlich selbstbewusst: „Ich setze Schritt für Schritt. In den letzten Jahren habe ich zwei Restaurants eröffnet, derzeit will ich deren Erfolg sichern. Aber in mir geistern immer neue Ideen, angefangen bei Buchprojekten über meine Foundation bis hin zu neuen Restaurantkonzepten. Ich bin ganz einfach nicht zu stoppen!“
Hier geht’s zu den großartigen Rezepten von Ann Sophie Pic und anderen Starköchen!