Wie Christophe Hardiquest Belgiens jüngster Sternekoch wurde
Belgien, das ist einerseits ein beschauliches Ländchen zwischen Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Luxemburg. Andererseits ist Belgien ein komplexes Feld von Kräften, das auf kleinstem Raum unterschiedlichste Kulturen vereint: Die drei Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel-Hauptstadt umfassen bekanntlich flämische, deutschsprachige und französische Gemeinschaften, die alle auf ihre Identität, ihre Ortstafeln, Feiertage und so weiter bestehen.
Inmitten dieses verwirrenden föderalen Konstrukts geht einer seinen kulinarischen Weg, der geradliniger, stimmiger und geerdeter nicht sein könnte: Christophe Hardiquest, Küchenchef des mit zwei Michelin-Sternen und 19,5 Gault-Millau-Punkten prämierten Bon Bon in Brüssel. Wie dieser Belgier seiner komplexen Heimat eine ebenso komplexe kulinarische Identität (zurück)gibt, das lässt sich im Monat September im Hangar-7 erleben – und um ohne Umschweife vorzugreifen: So hat man Belgien, dieses unter vielen Gesichtspunkten einzigartige Fleckchen Erde, noch nie geschmeckt, noch nie gesehen, noch nie erfahren.
Doch wer genau ist dieser absolute Ausnahmekoch Christophe Hardiquest? Und wie hat er es geschafft, mit 2500 Euro als Startkapital zu Brüssels höchstdekoriertem Gastronomen zu werden?
Der ausschlaggebende Gast
Angefangen, so Hardiquest, habe alles mit einem strengen Blick seines Vaters. Wie so oft war es auch bei Hardiquest die Großmutter, die für die kulinarische Initialzündung sorgte. Als handwerklich hochbegabte Frau beeindruckte sie ihren Enkel mit selbsgemachtem Brot, zwei Schweineschlachtungen im Jahr und selbstgemachtem Schinken.
Belgien, das ist einerseits ein beschauliches Ländchen zwischen Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Luxemburg. Andererseits ist Belgien ein komplexes Feld von Kräften, das auf kleinstem Raum unterschiedlichste Kulturen vereint: Die drei Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel-Hauptstadt umfassen bekanntlich flämische, deutschsprachige und französische Gemeinschaften, die alle auf ihre Identität, ihre Ortstafeln, Feiertage und so weiter bestehen.
Inmitten dieses verwirrenden föderalen Konstrukts geht einer seinen kulinarischen Weg, der geradliniger, stimmiger und geerdeter nicht sein könnte: Christophe Hardiquest, Küchenchef des mit zwei Michelin-Sternen und 19,5 Gault-Millau-Punkten prämierten Bon Bon in Brüssel. Wie dieser Belgier seiner komplexen Heimat eine ebenso komplexe kulinarische Identität (zurück)gibt, das lässt sich im Monat September im Hangar-7 erleben – und um ohne Umschweife vorzugreifen: So hat man Belgien, dieses unter vielen Gesichtspunkten einzigartige Fleckchen Erde, noch nie geschmeckt, noch nie gesehen, noch nie erfahren.
Doch wer genau ist dieser absolute Ausnahmekoch Christophe Hardiquest? Und wie hat er es geschafft, mit 2500 Euro als Startkapital zu Brüssels höchstdekoriertem Gastronomen zu werden?
Der ausschlaggebende Gast
Angefangen, so Hardiquest, habe alles mit einem strengen Blick seines Vaters. Wie so oft war es auch bei Hardiquest die Großmutter, die für die kulinarische Initialzündung sorgte. Als handwerklich hochbegabte Frau beeindruckte sie ihren Enkel mit selbsgemachtem Brot, zwei Schweineschlachtungen im Jahr und selbstgemachtem Schinken. Für den 14-jährigen Hardiquest stand fest: Er möchte Koch werden. Doch der Vater war skeptisch. „Schlussendlich“, erinnert sich heute der Belgier, „sagte er: ‚Wenn du schon Koch werden willst, dann musst du zumindest eine ordentliche Kochschule absolvieren.‘“
Also bereitete sich Hardiquest auf die Aufnahmeprüfung für die renommierte Namur School of Catering vor – die er prompt bestand und wo er schließlich seine fünfjährige Ausbildung absolvierte. Schon damals zeichnete sich der unbändige Eifer ab, der Hardiquest schließlich in die höchsten Kulinarik-Sphären katapultieren sollte. „Ich war so begeistert, dass ich gleich zwei Stages im Sommer machte – eines war Pflicht, das andere habe ich freiwillig absolviert, um weiterzulernen.“
Die darauffolgenden Lehr- und Gesellenjahre führten ihn in die prestigeträchtigsten Restaurants Brüssels, darunter das Sea Grill und die sagenumwobene Villa Lorraine – jenen Gourmettempel also, der als erster außerhalb Frankreichs 1972 mit drei Michelin-Sternen prämiert worden war. Es war dann auch im Sea Grill unter der Leitung von Yves Mattagne, wo dem Hardiquest eines der prägendsten Erlebnisse für seine spätere Kochkarriere hatte: „Eines Tages kam ein Gast, der selbst Restaurantleiter war, in die Küche und sagte mir: ‚Verdammt, was du da gemacht hast, ist wirklich gut.‘ Das war der Moment, in dem ich angefangen habe, an mich und mein Talent zu glauben.“
Sein Handwerk verfeinerte der ambitionierte Herdfanatiker im L’Orangerie und im La Crémaillère in New York. Doch sein kulinarisches Schicksal lag offenbar in seiner Heimat – ob das dem rastlosen Perfektionisten nun damals bewusst war oder nicht. Zurück in Belgien jedenfalls wollte er sich selbst und der Welt beweisen, was er alles kann. „Ich arbeitete zum ersten Mal als Küchenchef in einem kleinen Restaurant namens Voyage à travers de l’essence. Doch ich merkte bald, dass die Besitzerin nicht sonderlich viel in ihr Restaurantprojekt investieren wollte.“
Der damals 27-Jährige war voller Tatendrang und wollte mehr. Er wollte sein eigenes Ding machen, kreativer sein, Verantwortung übernehmen, sich selbst verwirklichen. „Es war eine völlig undurchdachte und unüberlegte Aktion“, erinnert sich Hardiquest schmunzelnd an den Moment, der alles verändern sollte. „Ich kam eines Abends nach dem Service nach Hause. Ich wusste, es muss sich etwas ändern. Da fragte ich meine Frau: ‚Wie viel Geld haben wir auf unserem Konto?‘ Sie sagte: ‚2500 Euro‘. Ich sah sie an und antwortete: ‚Perfekt. Ich eröffne ein Restaurant.‘“
Einer, der weiß, wohin er geht
Der Zufall wollte es, dass Hardiquest über Gäste ein Grüppchen von Leuten kennenlernte, die gerade einen Showroom eröffneten, mit exotischen Möbeln, die sie aus Indonesien importierten. „Dieser Showroom war über 1000 Quadratmeter groß. Ich fragte sie, ob ich 150 davon für mich benutzen dürfe. Dann kaufte ich mir einen Gasherd, stellte selbsgemachte Tische herein, nahm von zu Hause ein paar Kochtöpfe mit und habe einfach zu kochen begonnen. Das war die erste Location des Bon Bon.“ In den ersten acht Monaten kochte Hardiquest ganz alleine. Abends kam ab und zu seine Frau vorbei, um beim Abwaschen zu helfen.
Bereits eineinhalb Jahre später servierte der Koch 60 Leuten pro Abend seine außergewöhnlichen Gerichte. Das erlaubte ihm auch, Geld auf die Seite zu legen. Mit dem Geld kaufte sich Hardiquest eineinhalb Jahre später ein Bistro – ohne Unterstützung irgendeiner Bank. „Ich hatte einen Deal mit dem Verkäufer: Dass ich ihm jeden Monat einfach eine fixe Summe überweise, um es abzuzahlen. Das war ein Risiko und man bringt sich damit immer wieder in Schwierigkeiten, keine Frage. Aber verdammt, ich hatte mein eigenes Bistro.“ Das war im Januar 2003. Ende 2003 kam dann die Nachricht, dass das Bon Bon im Guide Michelin Belgien 2004 einen Stern erhält. „Ich war damals der jüngste Sternekoch Belgiens“, erinnert sich Hardiquest. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits zwölf Mitarbeiter.
Ich fragte meine Frau, wie viel wir auf dem Konto haben. Sie sagte: 2500 Euro. Ich antwortete: Perfekt, ich eröffne ein Restaurant.
Für Christophe Hardiquest ist die Eröffnung seines Bon Bon bis heute eine „unüberlegte Aktion“ – die er jedoch keinen Moment bereut
Acht Jahre später stand der nächste Umzug in eine neue Location an, diesmal mit Banken an Bord, da das Bon Bon gute Zahlen schrieb. Bis heute befindet sich der belgische Gourmettempel, der mittlerweile 26 Vollzeit-Mitarbeiter zählt, nun im Stadtteil Woluwe-Saint-Pierre. Das Konzept: belgische Küche mit starker Küsten- und Meeres-DNA, und das ganz ohne Hardcore-Regionalismus-Attitüde. 2014 verlieh der Guide Michelin Christophe Hardiquest den zweiten Stern.
Daneben ist der belgische Herdmagier 19,5 Gault-Millau-Punkte schwer. Die Auszeichnungen ließen sich beliebig weiterführen, aber um auf den Punkt zu kommen: Das Menü, das Hardiquest zusammen mit der kongenialen Ikarus-Crew im Hangar-7 unter der Leitung von Executive Chef Martin Klein serviert, gibt jeder einzelnen dieser Auszeichnungen Recht. „Hier ist jemand am Werk“, urteilt auch Ikarus-Patron und Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann, „der weiß, was er macht – und wohin er geht.“
Die totale Harmonie
Das kristallisiert sich bereits im Amuse-Bouche „Sprotten Pommes Soufflées“. Dabei geben die Sprotten der einmaligen, cremigen Füllung eine kurze Akzentuierung, breiten sich mit ihren Meeresaromen dann doch langsam im Gaumen aus – und weichen einem Säurespiel, das einen vollends in das subtile und spielerische Gleichgewicht typisch normannischer Geschmacksnuancen verschlägt. Der erste Gang unterstreicht diese Linie auf virtuose Art und Weise: Perle Blanche Auster wird hier in dichten, rund zwei bis drei Zentimeter kleinen Portionen auf dem Teller verteilt. Darunter eine milde Crème fraîche kombiniert mit Gurke, Minze, Wodka Tonic und Kaviar bringen einen ganzen Landstrich samt bester kulinarischer Tradition in den Gaumen: die belgische Meeresküste, die sich – natürlich – mit Nordfrankreich bestimmte kulinarische Gepflogenheiten teilt, durch Christophe Hardiquest jedoch vollends für sich selber steht.
Ein weiteres Highlight ist ohne Frage die gebeizte Makrele mit Sprotten, Ingwergelée und kurz geröstetem Quinoa. Auch hier spielen die anfangs spitzen, dann sich puristisch im Mund ausbreitenden Fischaromen im Gaumen eine tragende Rolle, werden durch das Ingwergelee fast schon augenzwinkernd abgelöst – bevor sie ganz unerwartet wieder auftauchen und durch den erstaunlich milden Quinoa abgerundet werden. Etwas gesetzter, aber nicht minder gekonnt geht es dann mit zwei für den österreichischen Gaumen eher ungewohnten Fleischsorten weiter. Doch selbst der hartgesottenste französische – oder eben belgische – Gourmet wird selten eine so exquisite Taube verkostet haben: rot, leicht, hauchzart – ein absoluter Traum.
Es war ein Risiko und man bringt sich damit immer wieder in Schwierigkeiten, keine Frage. Aber verdammt, ich hatte mein eigenes Bistro!
Christophe Hardiquest über die monatlichen Zahlungen, mit denen er die zweite Location seines Bon Bon finanzierte
Exotisches Highlight dieses Menüs: das Pony. Nota bene: „Selbst Kenner bräuchten wohl eine Zeit, um dieses Fleisch nicht für Wagyu zu halten“, schwärmt Ikarus-Sous-Chef Martin Ebert. Und tatsächlich: Die hauchdünnen Pony-Scheiben – vielleicht etwas rötlicher als herkömmliches Rind –, stehen der edlen Rinderrasse nicht nur in nichts nach, sondern punkten zusätzlich auch mit einem minimalen, süßlichen Wildgeschmack. Dass Hardiquest dazu Kren und grünen Pfeffer serviert, beweist einmal mehr seinen Sinn für raffinierte aromatische Drahtseilakte. Und wenn die hauchdünnen Kartoffeln – die ein solches Gericht, das sich belgisch nennen will, zweifelsohne braucht – im Gaumen knacken, ist man der totalen Aromenharmonie so nahe wie schon lange nicht mehr – oder eben wie noch nie.
Apropos Harmonie: Kaum vorzustellen, aber Hardiquests gesamtes Menü ist (noch) mehr als die Summe seiner Teile. So abgedroschen es klingt, doch „sinfonisch“ trifft es wohl am besten. Die gebrannte Zwiebel, kalt serviert und gefüllt mit Grevenbroecker blue und Schnittlauchöl läutet als zweitletzter Gang auf einmalige Weise das Dessert ein. Und dieses wiederum schließt die Klammer, die mit dem ersten Austern-Gang so fulminant eröffnet worden war. Denn der cremige Fromage blanc mit Fenchel und Kräutermeringue mit Dill erinnern auf geniale Weise an die eingangs seriverten Meeresaromen, die mit Crème fraîche verfeinert worden waren. Keine Frage: Mit seinen präzisen Aromenkrachern setzt Christophe Hardiquest Belgien ein kulinarisches Denkmal der absoluten Spitzenklasse. Und beweist im Hangar-7, dass dieses Fleckchen Erde völlig zu Unrecht im kulinarischen Schatten seines großen Bruders Frankreich steht.