„Man kann es in der Gastronomie ohne Alkohol schaffen!“

Alkoholsucht ist ein Thema, das gerade in der Gastronomie allgegenwärtig ist – jedoch viel zu selten genau beleuchtet wird. Spitzenkoch Oliver Hoffinger spricht offen über seine Erfahrungen, seine Freundschaft mit Reinhard Gerer und darüber, wie er gelernt hat, mit seiner Sucht umzugehen.
August 27, 2024 | Text: Nikolaus Zoltan | Fotos: Nesiba Snagic, Rolling Pin

Jahrelang brachte er der Nation das Kochen bei: Oliver Hoffinger ist dem Fernsehpublikum in Österreich als stets gut gelaunter Host des Formats „Koch mit! Oliver“ bekannt. In seiner Laufbahn – von den Lehrjahren über Stationen bei Wolfgang Puck und Jean-Georges Vongerichten in den USA bis zu seinem eigenen Haubenrestaurant am Spittelberg in Wien – hat er viele Erfolge gefeiert.

Was aber nicht alle wissen: Auch von den Schattenseiten der Gastronomie kann er ein Lied singen. Die Alkoholsucht ist eine Krankheit, der viele Mitarbeiter der Branche nicht entfliehen können. So auch Oliver Hoffinger, der das Problem, wie er rückblickend zum Glück sagen kann, früh genug erkannt und aus seinem Leben verbannt hat. Heute leitet der 53-Jährige gemeinsam mit seiner Partnerin Jennifer Berger das Fontana Restaurant in Oberwaltersdorf.

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Heute kann Oliver Hoffinger offen über seine bewältigte Alkoholsucht sprechen. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Jennifer Berger leitet er das Fontana Restaurant

Studien aus den USA zeigen, dass Beschäftigte im Gastgewerbe besonders hohe Raten beim Konsum von Alkohol und Drogen aufweisen. Warum gerade jetzt ein guter Zeitpunkt ist, darüber zu sprechen, und wie man es schaffen kann, sein Leben wieder auf die richtige Bahn zu lenken, das erzählt Oliver Hoffinger am besten selbst:

Jahrelang brachte er der Nation das Kochen bei: Oliver Hoffinger ist dem Fernsehpublikum in Österreich als stets gut gelaunter Host des Formats „Koch mit! Oliver“ bekannt. In seiner Laufbahn – von den Lehrjahren über Stationen bei Wolfgang Puck und Jean-Georges Vongerichten in den USA bis zu seinem eigenen Haubenrestaurant am Spittelberg in Wien – hat er viele Erfolge gefeiert.

Was aber nicht alle wissen: Auch von den Schattenseiten der Gastronomie kann er ein Lied singen. Die Alkoholsucht ist eine Krankheit, der viele Mitarbeiter der Branche nicht entfliehen können. So auch Oliver Hoffinger, der das Problem, wie er rückblickend zum Glück sagen kann, früh genug erkannt und aus seinem Leben verbannt hat. Heute leitet der 53-Jährige gemeinsam mit seiner Partnerin Jennifer Berger das Fontana Restaurant in Oberwaltersdorf.

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Heute kann Oliver Hoffinger offen über seine bewältigte Alkoholsucht sprechen. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Jennifer Berger leitet er das Fontana Restaurant

Studien aus den USA zeigen, dass Beschäftigte im Gastgewerbe besonders hohe Raten beim Konsum von Alkohol und Drogen aufweisen. Warum gerade jetzt ein guter Zeitpunkt ist, darüber zu sprechen, und wie man es schaffen kann, sein Leben wieder auf die richtige Bahn zu lenken, das erzählt Oliver Hoffinger am besten selbst:

Rolling Pin: Wie du mir im Vorgespräch erzählt hast, bist du seit drei Jahren trocken. Gratulation! Wie bist du zur Erkenntnis gekommen, dass du mit dem Trinken aufhören solltest?

Oliver Hoffinger: Die Problematik ist, dass du irgendwann mal beginnst, nach dem Dienst mit den anderen etwas trinken zu gehen. Dann schleicht sich die Gewohnheit ein, dass man täglich etwas trinkt, zusätzlich geht man immer wieder essen, mit Weinbegleitung und allem drum und dran. Vor drei Jahren ist mir bewusst geworden, dass es zu viel wird. Es gibt ja auch Anzeichen von außen, also Leute, die es dir sagen.

Wie ein Kind im Bonbon-Laden

Ist man in der Gastronomie besonders gefährdet, zum Alkoholiker zu werden?

Hoffinger: Es gibt die unterschiedlichsten Ausprägungen von Menschen, die sehr viel trinken – von Quartalstrinkern, die ein halbes Jahr nüchtern sein können und dann wieder in ein tiefes Loch fallen, bis zu sogenannten Spiegeltrinkern. Ich glaube, die große Problematik in der Gastronomie ist, dass es sehr viele Spiegeltrinker gibt, dass es einfach täglich dazugehört. Und die wenigsten, die ein Problem mit Alkohol haben, geben es gerne zu.

Dazu kommt, dass es ein schleichender Prozess ist. Du merkst gar nicht, dass es immer mehr wird. Und wenn du irgendwann einmal draufkommst, dass es ohne Alkohol schlechter oder gar nicht mehr geht, sollte man anfangen, darüber nachzudenken und auch einen Schritt zu tun.

Du hast dann entschieden, Selbsthilfegruppen aufzusuchen. War dir von Anfang an klar, dass du Hilfe von außen brauchst?

Hoffinger: Ich glaube, dass man Verbündete braucht. Ich habe einerseits das große Glück, dass mich meine Lebensgefährtin, Jenny, sehr unterstützt hat. Weil als Alkoholiker in der Gastronomie zu arbeiten, ist so, als wäre man als Kind in einem Zuckerlgeschäft eingesperrt.

Andererseits habe ich Verbündete beim Blauen Kreuz gefunden, einer Gruppe, die sich wöchentlich trifft. Dort habe ich gelernt, dass es da draußen Leute gibt, die genauso denken, wie man selbst. Aber auch, dass Alkoholiker ein gewisses Stigma haben. Aber es gibt nicht nur Alkoholiker, die mit einem Tetrapack-Wein auf einer Parkbank sitzen, sondern auch solche, denen du es gar nicht ansiehst – vom Bauarbeiter bis hin zum CEO einer großen Firma. Und sie haben alle dasselbe Problem. Und ich habe auch einige Gastronomen dort gesehen. Jeder, der sich bewusst macht, dass es ein Problem wird, hat den ersten Schritt getan, dass es besser wird.

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Die ständige Verfügbarkeit von Alkohol macht Gastronomie-Mitarbeiter besonders suchtanfällig – darüber wird viel zu oft geschwiegen, findet Oliver Hoffinger

Wie schwer ist es, nichts zu trinken, wenn man in der Gastronomie tätig ist?

Hoffinger: Von Tag eins, als ich gesagt habe, ich trinke nichts mehr, war kein Glas mehr dabei. Ich bin aber keineswegs die Norm. Das Scheitern, also in Form von Rückfällen, gehört vollkommen dazu. Mir hat die Selbsthilfegruppe enorm geholfen: Ich wäre viel zu stolz gewesen, um zuzugeben, dass ich es verbockt habe. Dieses Gefühl habe ich sehr lange mitgetragen, bis es einfacher geworden ist. Wenn die erste schwierige Phase geschafft ist – und ich rede nicht vom körperlichen Entzug, der dauert ungefähr eine Woche –, also wenn einmal dieser Stolz erreicht ist, dann wird es leichter.

„Die Gastronomie ist mitten in einem Umbruch“
Oliver Hoffinger findet, die Zeit ist reif für ein Umdenken

Gehört das Verkosten von und das Kochen mit alkoholischen Getränken nicht zum Jobprofil als Küchenchef?

Hoffinger: Ja, ich mache auch bei Weinverkostungen mit. Das heißt, ich koste einen kleinen Schluck und spucke den Rest wieder aus. Ich habe auch nicht damit aufgehört, mit Alkohol zu kochen. Aber ich weiß genau, wo meine Grenze ist und ich habe aufgehört, glasweise Wein zu trinken. Man kann es in der Gastronomie auch ohne Alkohol schaffen.

Mittlerweile gibt es immer mehr alkoholfreie Weine oder Cocktails. Wie stehst du dazu?

Hoffinger: Ich würde sagen, dass jeder, der beginnt, keinen Alkohol mehr zu trinken, die Finger von solchen „Substituten“ lassen sollte – das kann am Anfang gefährlich sein. Ich habe heute kein Problem damit, alkoholfreie Weine zu trinken und finde es toll, dass es sie gibt. Also nach einer gewissen Zeit geht das Cola und das Holler-Soda einem ziemlich auf die Nerven. Man weiß ja, man kann drei Liter Bier oder mehrere Flaschen Wein an einem Abend trinken, aber du schaffst keine drei Liter Cola.

Aber ich finde, das Angebot wird immer besser. Es ist schön zu sehen, dass sich dieser Markt gerade richtig schön aufmacht und Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen keinen Alkohol trinken, Alternativen bekommen. Wir haben im Fontana zum Beispiel einen Whisky-Nachbau, der pur, würde ich sagen, nicht hervorragend ist, aber als Whisky-Cola beinahe genauso schmeckt, wie ein echter.

„Wir müssen in der Gastronomie eine Atmosphäre schaffen, wo sich Leute wohlfühlen“

Was muss sich in der Gastronomie ändern, um das Suchtrisiko für Mitarbeiter zu verringern?

Hoffinger: Ich glaube, dass gerade jetzt eine gute Zeit ist, darüber nachzudenken, weil wir uns mitten in einem Umbruch der Gastronomie befinden. Es wächst eine vollkommen neue Generation in der Arbeitswelt nach. Es werden viele Dinge überdacht, wie die Tellerpreise, das Thema mit den acht Euro in Kärnten. Oder die vegan-vegetarische Kochausbildung. Die Gastronomie baut sich gerade neu. Und wir müssen eine Atmosphäre in Restaurants schaffen, wo sich Leute wohlfühlen – und wo sich auch Leute wohlfühlen können, die nichts trinken wollen.

Bei uns in der Firma ist es so, dass es ein 0,0 Agreement gibt, also während des Dienstes gibt es keinen Alkohol. Ich glaube, das schafft eine Atmosphäre, die einerseits für viele etwas ungewohnt ist, aber andererseits eine Gerechtigkeit herstellt, denn dieselbe Regel gilt für alle.

Ich glaube also, es ist ein guter Zeitpunkt, aufzuzeigen, dass ein Problem besteht. Vor allem, weil viele Kollegen es nicht geschafft haben, zum Beispiel Reinhard Gerer –

… einer der ersten Vier-Hauben-Köche Österreichs, der im vergangenen Jahr verstorben ist. Hast du ihn gekannt?

Hoffinger: Ganz gut sogar. Ich habe nie für ihn gearbeitet, aber wir haben viele Veranstaltungen miteinander gemacht und sind, wenn wir uns getroffen haben, sehr freundschaftlich miteinander umgegangen. Und man hat einfach bemerkt, dass er dieses Problem Alkohol nie wirklich im Griff gehabt hat. Und das verstehe ich, ich hatte dieses Problem ja auch gehabt. Viele Kreativschaffende, wie auch Küchenchefs, glauben, dass der Rauschzustand dazu gehört, dass es Bohème ist. Das mag schon sein, aber ich habe in den letzten drei Jahren gemerkt, dass ich weit kreativer, fokussierter und stressresistenter bin. Viele werden auch aggressiv, wenn sie getrunken haben. Und die Stimmung in einer Küche ist schon aggressiv genug, da braucht es nicht zusätzliche Brandbeschleuniger.

„Ich bin ein Genussmensch geblieben“

Wäre es nicht am besten, Alkohol ganz aus der Gastronomie wegzulassen?

Hoffinger: Ich war immer ein Genussmensch und bin es geblieben, und Alkohol gehört durchaus zu dieser Genusswelt der Gastronomie dazu. Ich will nicht missionarisch auftreten und Menschen ausreden, eine Flasche Wein zu trinken, das soll jeder für sich entscheiden. Aber man muss genau hinsehen und Menschen, die damit ein Problem haben, zeigen, dass es einen anderen Weg gibt. Ich habe tolle Weine getrunken in meinem Leben und an manchen wehmütigen Tagen gehen sie mir natürlich ein bisschen ab. Aber die Gesundheit steht im Vordergrund, und die Präzision am Teller. Und auch Ungerechtigkeiten gegenüber Mitarbeitern, die viel leichter passieren, wenn man alkoholisiert ist.

Ich glaube, dass der Job schon schwer genug ist. Man muss nicht zusätzlich mit Steinen gefüllte Rucksäcke mitschleppen.

 

Blaues Kreuz Österreich

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Quelle: www.blaueskreuz.at

Informationen über Sucht-Selbsthilfe in Deutschland: www.dhs.de

 

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